Der Kunsthistoriker Wolfgang Ullrich stellte an dieser Stelle kürzlich eine paradoxe Entwicklung fest: Es träten vermehrt rechts gesinnte Künstler auf, die die Freiheit der Kunst verteidigen wollten. "Die Kunstautonomie, zwei Jahrhunderte lang das Ideal gerade linker und liberaler Milieus, wechselt die Seiten", denn sie wird "von links mit Misstrauen belegt und von rechts adoptiert", schreibt Ullrich. Es schließt sich die Frage an, ob die Kunstfreiheit nur in dieser Rechts-Links-Dichotomie darstellbar ist, oder ob es nicht auch noch eine andere Alternative gäbe. Dazu ein kleiner Exkurs:
Ullrich spricht von einer "langen Tradition von Schiller bis Adorno", die jetzt auf dem Spiel stehe; aufschlussreich ist aber auch der tiefe Bruch, der zwischen diesen beiden Freiheitskonzeptionen liegt. Für Schiller lag die Freiheit der Kunst in ihrer Unabhängigkeit gegenüber jeder Bevormundung durch Moral, Politik und Religion. Es handelt sich hier um ein klassisch vormodernes Autonomieverständnis, das am Ende des 18. Jahrhunderts noch tief im traditionellen Selbstverständnis der Künste verwurzelt war. Die Kunstfreiheit blieb für Schiller mithin eine Gedankenfreiheit für die schönen Künste.
Adorno hingegen hatte bereits den Schock der ästhetischen Moderne
verarbeitet, den etwa der Kubismus und der Expressionismus hinterlassen hatten.
Verstörend war für seine Zeitgenossen vor allem, dass die moderne Kunst Anfang
des 20. Jahrhunderts nicht mehr im klassischen Sinne schön oder im romantischen
Sinne erhaben sein wollte. Mit dieser Zurückweisung der klassisch romantischen Schönheitsideale
folgte die Kunst einem Autonomieverständnis, das mit dem von Schiller nicht
mehr im Einklang stand. Die moderne Kunst wurde damit frei, sich gegen ihre eigene
Tradition zu wenden und alle Annahmen darüber, was Kunst eigentlich ist, zu
negieren. Sie ging damit selbst noch über Adornos Ästhetik der klassischen
Moderne hinaus.
Konservative Künstler werden nichts an Konzeptkunst finden
Die schöne Kunst stand in einem Traditionskontinuum, die moderne Kunst entsteht aus einem Traditionsbruch. Hat man diese Differenz im klassischen und im modernen Autonomieverständnis im Blick, dann ist es auch kein Widerspruch mehr, dass "rechtsautonome" Maler die Freiheit der Kunst verteidigen und gleichzeitig politisch unverdächtige Landschaftsbilder und Stillleben malen. Sie berufen sich in der Regel auf ein klassisches Autonomieverständnis, das sich auch gegen "Picasso-Freaks" richten kann.
Wenn Wolfgang Ullrich also fragt, ob die Idee der
Kunstautonomie "nicht auch anders gedacht werden könne" und ob es eine gute
Idee sei, dass man sie "den Rechten einfach überlässt", dann könnte man sich
auf dieses moderne Autonomieverständnis berufen. Konservative Künstler – die eine
politisch rechte Gesinnung haben können, aber nicht zwangsläufig haben müssen –
können sich gegen jede Form von politischer Bevormundung und Moralisierung stellen,
aber sie werden normalerweise in den Readymades oder in der Konzeptkunst keinen
Zugewinn an künstlerischer Freiheit sehen. Wer kulturkonservativ gestimmt ist,
sieht in den Grenzüberschreitungen der modernen Kunst eher eine
Verfallserscheinung als eine gesteigerte Form von Freiheit und Autonomie.
Die Kunst kann sich heute im Prinzip in allen nur denkbaren Stilrichtungen und Ismen ausdrücken. Sie kann schön oder hässlich, figurativ oder abstrakt sein, sie kann ästhetisch oder anästhetisch in Erscheinung treten, sie kann einen Personalstil entwickeln oder einem postmodernen Stilpluralismus folgen. Die vielen Grenzüberschreitungen der Avantgarde haben letztlich dazu geführt, dass alle jemals formulierten Grenzen der Kunst sowohl in die eine als auch in die andere Richtung gekreuzt werden können. Es ist diese anspruchsvolle Form der Kunstfreiheit, die von den kulturkonservativen Milieus weitgehend abgelehnt wird.
Kommentare
"Es träten vermehrt rechts gesinnte Künstler auf, die die Freiheit der Kunst verteidigen wollten."
Es treten auch vermehrt links gesinnte Künstler auf, die die Freiheit der Kunst gegen Rechts verteidigen wollen. Ist aber nicht so schlimm.
https://www.spiegel.de/kultu…
https://www.kontextwochenzei…
Die Linken schaffen die Kunstfreiheit auch ohne die Rechten ab:
https://www.zeit.de/politik/…
Man kann bei dem was sich für links hält nicht übersehen, wie wenig der Bruch mit dem Nationalsozialismus(oder sagen wir mal mit der Rechten) in der Form stattgefunden hat. Bei Musik ist das, für die meisten Leute, vielleicht eindeutiger. Man nehme beispielsweise nur mal eine Band wie "Die Toten Hosen" mit einem Lied wie Sascha. Die singen zwar gegen rechts, aber musikalisch ist der Ansatz, bei dem alle Leute dumm sein müssen, damit sie da mitgröhlen können.
Des Weiteren sind das auch alles Texte, die wegen ihrer Dummheit auch schnell mal von Rechten umgeschrieben werden und wo dann die Melodie übernommen wird. Bands wie Landser usw. haben das beispielhaft immer wieder gemacht.
Hätte es einen Bruch in der Form gegeben, würde das nicht funktionieren.
Über den "Sozialistischen Realismus" braucht man gar nicht erst reden.
"Man kann bei dem was sich für links hält nicht übersehen, wie wenig der Bruch mit dem Nationalsozialismus(oder sagen wir mal mit der Rechten) in der Form stattgefunden hat"
Selten etwas so blödsinnigen gelesen... Und ihr Beispiel mit den Toten Hosen erst... Alter Schwede
"Wenn sich rechte Maler für die Autonomie der Kunst stark machen, stehen Linke dann zwangsläufig konträr dazu?"
Allein dass so eine Frage gestellt wird, müsste den "Linken" unendlich peinlich sein.
+++ Allein dass so eine Frage gestellt wird, müsste den "Linken" unendlich peinlich sein. +++
Das Dilemma lässt sich mit doppelten Maßstäben sehr gut in den Griff bekommen :-)
Wieso? Haben Sie den Artikel gelesen?
geht es dümmer, als sich von vorneherein "konträr" zu jemand anderen stellen?
Dem gebe ich die absolute Macht über mich.
"...müsste den "Linken" unendlich peinlich sein."
Ungefähr genauso peinlich wie Ihnen Ihr Beitrag.
also gar nicht, bestätigt nur meine Erfahrung.
So ein Linker ist absolut einfach zu händeln:
Oute dich als Rechter und er macht immer das Gegenteil von dir.
Das wäre ja nichts neues. Auf die Art definieren sich alternative Subkulturen seit Jahrzehnten. Man ist einfach die Umkehrfunktion des Mainstreams. Dass man damit genauso abhängig ist juckt am Ende nicht.
"Allein dass so eine Frage gestellt wird, müsste den "Linken" unendlich peinlich sein."
Linke werden zumeist kein Problem mit einer rechten Forderung nach der Autonomie der Kunst haben, weil man an der Frage noch keine allgemeinere politische Motivation festmachen kann - im Vergleich etwa zur Fremdenfeindlichkeit... Und dann kann an jener Frage auch nichts peinlich sein.
+++ Wenn sich rechte Maler für die Autonomie der Kunst stark machen +++
Was ist denn ein "rechter Maler"? Im Gegensatz zum "linken Maler"? Gibts auch "Maler der Mitte"?
Fragen über Fragen ....
Hitler war vermutlich ein "rechter Maler".
Schade, dass er zu schlecht war und es nicht auf die Kunstakademie geschafft hat.
Hätte uns einiges erspart.