Hätte es nicht die Aufregung um Helene Hegemanns lustige Abschreib-Affäre gegeben – wir hätten kaum bemerkt, dass es wieder so weit ist und uns ein neuer Bücherfrühling ins Haus steht. Vielleicht liegt es unter anderem daran, dass zurzeit noch alles unter einer Geräusche verhüllenden, weichen Schneedecke versinkt. Vielleicht aber ist es auch ganz einfach so, dass die diesjährige Frühjahrsproduktion der Verlage, besonders, was die deutschsprachige Literatur betrifft, vollkommen und auch durchaus wohltuend unspektakulär daherkommt.
Den großen Knall hat es gleich zu Beginn des Jahres gegeben. Ansonsten ist kein Knaller in Sicht, was nicht heißt, dass es nicht durchaus gute Bücher zu lesen gäbe. Das dürfte jedoch die Arbeit einer Jury erheblich erleichtern – ist man doch möglicherweise freier und ungebundener in seinen Entscheidungen. Nun also sind in der Kategorie Belletristik fünf Bücher für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert worden, der am 18. März vergeben wird. Ganz bewusst verzichtet man, anders als beim Deutschen Buchpreis in Frankfurt, darauf, das beste Buch der Saison oder des Jahres küren zu wollen, sondern spricht lediglich davon, "herausragende deutschsprachige Neuerscheinungen und Übersetzungen" auszeichnen zu wollen. Da so recht nichts herauszuragen scheint, hat die Liste allerdings einen eher geringen Wallungswert.
Selbstverständlich ist Helene Hegemann dabei. Spekulationen, die Jury würde nach den Plagiatsvorwürfen der vergangenen Woche Axolotl Roadkill wieder von der Shortlist streichen, haben sich – glücklicherweise – nicht bewahrheitet. Möglich, dass der Roman nach dem offensiv bis unverschämt vorgetragenen Eingeständnis der 17-jährigen Autorin urheberrechtlich neu betrachtet werden muss. Die künstlerische Qualität des Textes in und an sich, wenn er denn eine hat, ändert sich dadurch allerdings um keinen Deut.
Auch die Nominierung von Anne Webers modernem Ritterroman Luft und Liebe ist keine große Überraschung. Das Buch, das von einer betrogenen Geliebten in einer Mischung aus Märchenton und Identitätenverwirrspiel erzählt, ist eindeutig Geschmacks- und möglicherweise auch Geschlechtersache. Manche finden es ironisch. Ihren Auftritt in der Brigitte hatte Anne Weber bereits.
Der obligatorische ostdeutsche Autor darf gerade auf der Leipziger Shortlist nicht fehlen: Lutz Seilers grandioser Erzählungsband Die Zeitwaage (der auch den bereits mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis bedachten Text Turksib enthält), verdient mit Sicherheit jede Auszeichnungen, die man ihm gibt, und ist das einzige Buch aus dem Herbst, das für den Leipziger Preis nominiert ist. Auch gilt: Es hätte auch andere treffen können, doch so wie es ist, mag es auch gut sein.
Ein echter Coup ist der Jury mit der Berücksichtigung des neuen Romans von Jan Faktor gelungen, dessen Erscheinungsdatum soeben vom 22. Februar auf den 18. März, den Tag der Preisverleihung also, verschoben worden ist. Das rund 600 Seiten dicke Werk, eine Art Schelmen- und Entwicklungsroman aus der Zeit des sozialistischen Prag, trägt nicht nur den schönen Titel Georgs Sorgen um die Vergangenheit oder Im Reich des heiligen Hodensack-Bimbams von Prag, sondern enthält auch Sätze wie diesen: "Die ersten Sorgen um meinen Penis machte ich mir schon vor etwa fünfzig Jahren im Kindergarten." Das kann ja nur gut weitergehen.
Um die ferne Zeit der Kindheit schließlich geht es auch in Georg Kleins neuem Roman, der konsequenter- und praktischerweise dann ganz einfach auch nur Roman unserer Kindheit heißt und das Aufwachsen am Rande einer süddeutschen Stadt in den sechziger Jahren in das von Klein bereits gut bekannte Licht des mythisch Überhöhten rückt. Wie immer die Frage angesichts der mittlerweile grassierenden Listen: Fehlt da was?
Kommentare
beste Übersetzung
bekommt hoffentlich Ulrich Blumenbach für die Übersetzung von Infinite Jest/Unendlicher Spaß. Er hat ganze 6 Jahre daran gearbeitet. Abgesehen davon ist die Menge an Büchern, die er ins Deutsche übertragen hat beeindruckend lang (da hab ich aber Ahnung von den Restlichen).
Obligatorisch ostdeutsch???
Ich muss mich wirklich immer wieder wundern, was solche Saetze wie:
"Der obligatorische ostdeutsche Autor darf gerade auf der Leipziger Shortlist nicht fehlen"
...heutzutage noch in den Medien zu suchen haben.
Erst stellt Herr Schroeder fest, dass kein Werk in diesem Fruehjahr so richtig herausragt und dann wirft er vor, dass wenn doch eine Auswahl getroffen wurde, diese doch scheinbar nach 'politischen'(oder vielleicht geografischen???...who knows) Kriterien getroffen wurde...
...und 'obligatorisch westdeutsch' ist wahrscheinlich ein Oxymoron fuer den Herrn Journalisten...
also wirklich...wie kleinkariert ist das denn? ...solche Begriffe sind nur dann von wirklichem Wert, wenn sie im Zusammenhang mit dem Inhalt eines Werkes unvermeidlich sind, was hier in keinster Weise der Fall zu sein scheint.
Hauptsache ist wohl, dass eine Schublade gefunden wurde, nur dass die hier gewaehlte meines Erachtens nach die Intelligenz der ZEIT Leser beleidigt und die des Journalisten mehr als unterstreicht.
Die Gute hat Ideen Texte geklaut
Und wenn wir die fremden Ideen und die fremden Texte weglassen - was bleibt ?
Nichts.
Wären die Feuilletons nicht so verzweifelt bemüht, in Textwüsten die Peinlichkeit, auf eine kleine Abschreiberin reingefallen zu sein, zu vergraben - das Thema wäre längst erledigt.
Wahrscheinlich steckt sowieso nur ihr Vater dahinter.
Mit passendem Material zum Abkupfern hat er sie via Amazon ja auch versorgt.
http://tinyurl.com/ybolqnv
Eklig.
eigentlich ist die ZEIT doch eine seriöse Zeitung?
Plagiat heisst jetzt also "lustige Abschreibaffäre". Gut zu wissen,nur leider kann sich so etwas z.B.kein wissenschaftlich arbeitender Mensch erlauben - "och,ich hab da nur mal eben lustig abgeschrieben,nix für ungut!".