Jung, hoch qualifiziert und perspektivlos – ein fatales Los, das in den letzten Jahren immer mehr Nachwuchsakademiker traf. Die Generation Y hat sich derweil nach außen gänzlich den globalen Krisenwellen angepasst, flüchtet sich in Resignation oder stürzt sich heillos in die Windungen der Projekt- und Überarbeitungsgesellschaft. Und während die schöne, neue Arbeitswelt motiviert wie gleichermaßen auslaugt, zieht immer deutlicher ein Riss durch die Menschen. Auch an Isabell und Georg, den Protagonisten von Kristine Bilkaus höchst aktuellem Debüt Die Glücklichen, das vom Verlag zu Recht als ein Generationenroman angepriesen wird, hinterlässt die fundamentale Verunsicherung unserer Epoche ihre Spuren.
Dabei hätte sich alles wunderbar fügen können. Mit ihrem Sohn Matti setzten beide noch vor Kurzem ihre zukünftige Hoffnung in eine Welt, die sich allerdings bald schon als unwägbares Terrain erweisen soll. Aufgrund der Printmarkt-Erosion verliert Georg seinen Posten als Redakteur und fällt ins Bodenlose. Obwohl Isabell ihre Anstellung als Cellistin in einem kleinen Musicalorchester nicht als den großen Wurf ihres Lebens begreift, kommt auch ihre Entlassung nach einer kurzen Krankheitsphase einem Schock gleich. Ihr pathologisches Lampenfieber ist damit zwar fürs Erste passé, die gemeinsame Liebesbeziehung jedoch fortan von Existenzängsten zermürbt. Beruflicher Wackelkurs, überfordernde Mutterschaft, Ziellosigkeit, Sorgen über Sorgen und Träume, die wie glanzüberzogene Luftballons zum Himmel steigen, ohne zurückzukehren.
Würde Bilkau nur vom
drohenden Abstieg ins Prekariat erzählen, wäre am Ende nicht mehr
als ein mehr oder weniger ideologisch aufgeblasener Sozialroman
entstanden. Dass ihr Roman weit darüber hinausgeht, gelingt vor allem durch die
plastische Innenschau der Charaktere. Wenn der gefeuerte
Journalist fast schon obsessiv täglich die Immobilienportale nach
ansehnlichen Wohnpalästen und Eigenheimparadiesen durchforstet oder
seine Partnerin in ihren wenigen stillen Minuten vom perfekten,
angstfreien Moment im Fluss der Melodie träumt, spannt die Autorin
ein konjunktivisches Panorama der Sehnsucht auf. Die trostlose und
beängstigende Realität steht unverbrüderlich den beinahe nostalgischen
Projektionen einer längst verloren gegangenen Welt der Behaglichkeit
und Kontinuität entgegen.
Erdbeben der Spätmoderne
Mit einem feinen Gespür für den Nerv der Zeit findet die Autorin eine
Formsprache für diese Eintrübung des Blickes auf Heute und Morgen, von der die Figuren ereilt werden. Allein die Plastikplane, von der die Fassade des Mehrparteienhauses wegen
Renovierungsarbeiten umspannt ist und die dem Paar nur eine begrenzte Sicht
auf die Stadt erlaubt, zeugt von einer Existenz der Unschärfe: "Die
gesamte Außenwelt verschwimmt hinter der Plane und dem Baugerüst.
Ein Zustand, der sie nicht sonderlich stört, im Gegenteil, der gar
nicht so schlecht ist (…). Die milchige Hülle macht die Wohnung zu
einem verborgenen Ort." Zwar machen die Kunststoffvorhänge kurzsichtig, verleihen aber immerhin eine gewisse Stabilität. Sie entfremden das Paar vom
äußeren Treiben, zugleich jedoch stellen sie einen Schutzraum vor der Wirklichkeit dar.
Indem die 1974 geborene
Journalistin Kristine Bilkau ihre Figuren vieldeutig und fragil ausarbeitet,
hebt sie ihren Text über eine bloß soziologische Bestandsaufnahme
der Anfang-30er-Generation hinaus. Glücklicherweise geht Bilkau gerade bei den
Schilderungen einer teilweise unbeholfenen, aber immerzu bemühten
Mutterfigur keiner Typage auf den Leim. Ihre Sprache erzeugt Nähe,
haucht den Protagonisten Individualität und Würde ein. Wir werden
zwei starken Persönlichkeiten gewahr, die von den Erdbeben einer
spätmodernen Flexibilisierung aller Lebensbereiche geschüttelt
werden, am Ende aber gefestigt daraus hervorgehen. Mit dem
überraschenden Tod einer nahen Verwandten tut sich eine nutzbare
Leerstelle auf. Im Stillstand der Trauer finden die jungen Eltern
wieder einen Weg zueinander. Darin liegt die Erkenntnis: Jedem
Verlust wohnt ein Neuanfang inne. Die ökonomischen und sozialen
Zwänge lösen sich dadurch sicherlich nicht auf, werden aber
leichter zu ertragen.
So findet Bilkau ebenfalls für den Schluss ihres Romans den richtigen Ton. Ihre eindringliche Lakonie entsagt sich der Täuschung ebenso wie einem falschen Idealismus. Was die Autorin antreibt, ist die Suche nach der Wahrheit. Und eben dieser kommt der Leser dank Bilkaus souveräner Gesellschaftsdiagnose ein ganzes Stück näher.
Kommentare
Gefühle sind kein guter Ratgeber, unter Herrschaft..
So geht es zu in einer Welt, die wenigen gehört. Diese Minderheit besitzt die Welt.
Deswegen suchen die anderen, die Mehrheit, lebenslang nach einem Einkommen. Die Rechnungen kommen automatisch. Alles hat seinen Preis.
Jedes Arbeitsprodukt gehört nicht den Produzenten sondern dem der diese Arbeit kommandiert. Wohnungen, Brot, Medikamente werden nicht produziert damit die Produzenten dieser Arbeitsresultate ein Dach über dem Kopf haben, satt oder gesund sind.
Die Arbeitsresultate dienen als Bereicherungsquelle der Besitzer dieser Welt. Über den Preis fließen die gezahlten Berechtigungstitel auf gesellschaftlichen Reichtum, das ist ihr Lohn, zurück an ihre Herren.
Nur, warum sollten diese Wohltäter Ihnen ein Einkommen zahlen?
Wie gesagt, die Welt gehört diesen Herren und Damen doch schon.
Schon mal was von Gewinn gehört ?
Lohnen muss es sich. Die Differenz von Umsatz und Investition ist die Motivation, die gefeierte und bewachte Grundlage dieser "Gesellschaft".
Da kommt es dann schon einmal vor, dass der eine oder auch die andere keinen "Arbeitsplatz" und damit auch kein Einkommen findet um die Rechnungen zu bezahlen, die von den Damen und Herren dieser Welt kommen.
Das kann sich nicht gut anfühlen!.
Das muss aber nicht so bleiben.
Anstatt sich schlecht zu fühlen, empfehle ich die Bereitschaft zum Dienen zu überdenken und zu kündigen..
Gestalten wir doch die Arbeitswelt, deren Zwecke und die Verteilung der Ergebnisse in eigener Regie. Wie fühlt sich das an?
Fortschritt, Innovation der Herrschaft
Insgesamt stellt sich die Frage was ist zu machen mit diesem Volk.
Man kann nicht ohne deren Dienst.
Hier und da stellt sich undankbare Unzufriedenheit ein.
Da ist es sehr nützlich Besitzer und Zweckgeber der Arbeitswelt zu sein.
Sicherheit wird immer wichtiger.
http://www.zeit.de/2014/0...
Das ist nur eine, nicht bewaffnete Idee. Googeln Sie doch mal... Drohnen.
Da ist sehr viel mehr auf dem Markt, als Arbeitsprodukt, verfügbar.
Wie fühlt sich das an ?
ich fänds nicht übel
würden Lieferungen zukünftig von Drohnen/Robotern gebracht - falls das irgendwann wirklich funktioniert. Im Unterschied zu Drohnen haben Menschen Gehirne, die sie für was geistreicheres als solche Botenjobs nutzen könnten. ;) Ob zu Zwecken des derzeit heiligen Gelderwerbs oder zu Zwecken des leider optionalen Verständniserwerbs.
Lieber etwas knapper bei Kasse und reich im Kopf statt eine menschliche Lieferdrohne. Gibt so einige Jobs, die gerne mal von Maschinen übernommen werden dürften.
Ich habe das Buch
zum Anlesen auf mein Kindle geladen. Die ersten Eindrücke sind wirklich sehr erfrischend. Die junge Autorin beschreibt welche Probleme und Anforderungen sich eine junge Familie stellen muss. Da ich mich momentan persönlich in dem gleichen Lebensabschnitt befinde, bin ich gespannt wie das Buch weitergeht und welche "Lebensratschläge" es mir geben kann. Hier habe ich meine Kindleversion gekauft: http://www.amazon.de/gp/p...
Schoen Werbung gemacht
fuer Amazon. Toll! Zumal solche Firmen eine erhebliche Rolle spielen bei jenen gesellschaftlichen Verwerfungen, die der Roman beschreibt.
Aber so ist das halt oft bei unseren Bildungseliten, die etwa auch gern Ausbeutungsverhaeltnisse beklagen in Kommentaren und allerlei anderen Texten, getippt auf einem - Mac.
Nichts verstehen, losplappern. Das ist erfrischend, Literatur
Liebe Kinder, Eltern und Zeitgenossen,
der Ersatz von menschlicher Arbeitskraft durch Maschinen eröffnet in dieser Gesellschaft die Tür zur Armut. Das ist verrückt. Aber nicht in dieser Gesellschaft.
Von wegen, da habe der Mensch mehr Freizeit für das Schöne und zum Nachdenken.
Und im Übrigen; Drohnen können weitaus mehr als interessante Literatur liefern. Und das tun die auch, nicht nur beim Bücher liefern.
Aber davon will hier niemand, ganz bewusst, etwas wissen. Illusion ist wichtig, um seinen Frieden zu finden, in diesem Krieg. Intellektuell.
PS: "Lebensratschläge" sind nicht notwendig. Das Leben ist Eigentum. Such Dir nen Job. Deine Zeit gehört anderen.