Der Börsenverein ehrt den deutschen Schriftsteller und Orientalisten Navid Kermani mit dem Friedenspreis des deutschen Buchhandels. Er sei eine der wichtigsten Stimmen in unserer Gesellschaft,
begründete die Jury ihre Entscheidung. Seine wissenschaftlichen Arbeiten, in denen er Fragen der Mystik, der
Ästhetik und der Theodizee insbesondere islamischen Raum nachgeht, wiesen Kermani als Autoren aus, der mit großer Sachkenntnis in die
theologischen und gesellschaftlichen Diskurse eingreife.
Seine Romane und Essays, aber auch seine Reportagen aus Krisengebieten zeigten, "wie sehr er sich der Würde des einzelnen Menschen und dem Respekt für die verschiedenen Kulturen und Religionen verpflichtet weiß".
Der seit 1950 vergebene Friedenspreis des Deutschen Buchhandels
ist eine der bedeutendsten Auszeichnungen des Landes. Geehrt wird damit
eine Persönlichkeit aus dem In- oder Ausland, die vor allem in Literatur, Wissenschaft und Kunst zur Verwirklichung des
Friedensgedankens beigetragen hat. Verliehen wird die mit 25.000
Euro dotierte Auszeichnung vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels,
dem Dachverband der deutschen Buchbranche.
Überreicht wird er stets zum Abschluss der Frankfurter Buchmesse im Oktober in der Paulskirche, in der 1848 die für die demokratische Entwicklung Deutschlands bedeutende Nationalversammlung tagte.
Die Preisträger werden von einem Stiftungsrat mit einfacher Mehrheit gewählt. Vorschläge kann jeder einreichen. Der Rat setzt sich aus Mitgliedern des Börsenvereins sowie Persönlichkeiten aus Kultur und Wissenschaft zusammen.
Im vergangenen Jahr hatte der amerikanische Internetpionier und -kritiker Jaron Lanier die Auszeichnung erhalten. Zu den bekanntesten Preisträgern gehören Albert Schweitzer (1951), Hermann Hesse (1955), Astrid Lindgren (1978), Siegfried Lenz (1988), Mario Vargas Llosa (1996), Martin Walser (1998), Jürgen Habermas (2001), Orhan Pamuk (2005) und David Grossman (2010).
Kommentare
Ein verdienter Preis - dennoch eine kleine kritische Anmerkung:
"wie sehr er sich [...] dem Respekt für die verschiedenen Kulturen und Religionen verpflichtet weiß", siehe oben.
Leider kommt der Respekt vor der "autochthonen" deutschen Kultur und Geschichte bei ihm oft etwas zu kurz, da fehlt ihm das Einfühlungsvermögen.
In seiner berühmten Festrede zum 65. Jahrestag des Grundgesetzes (welches er in dieser Rede ohnehin arg auf den Asylparagrafen reduzierte) sagte er:
"Das Interesse der Öffentlichkeit am Grundgesetz war aus heutiger Sicht beschämend gering, die Zustimmung innerhalb der Bevölkerung marginal. Befragt, wann es Deutschland am besten gegangen sei, entschieden sich noch 1951 in einer repräsentativen Umfrage 45 Prozent der Deutschen für das Kaiserreich, 7 Prozent für die Weimarer Republik, 42 Prozent für die Zeit des Nationalsozialismus und nur 2 Prozent für die Bundesrepublik. 2 Prozent! Wie froh müssen wir sein, dass am Anfang der Bundesrepublik Politiker standen, die ihr Handeln nicht nach Umfragen, sondern nach ihren Überzeugungen ausrichteten"
https://www.bundestag.de/...
Die Bundesrepublik war 1951 ja auch gerade einmal zwei Jahre alt und lag noch in Trümmern! Da wäre es vielleicht noch ein bißchen früh gewesen für Selbstbeweihräucherung, oder?
Den Deutschen ging’s aus damaliger Perspektive ja auch kaum je besser als im Kaiserreich. Warum sollte man ihnen deren damalige Perspektive verübeln?
ff.
Fortsetzung
...
Ich weiß nicht, welche Horrorvorstellungen Kermani vom Kaiserreich hat. Vermutlich ist sein Geschichtsbild stark von der gesellschaftlich dominanten Generation der 68er geprägt, nach denen das Kaiserreich fast schon mit dem Dritten Reich gleichzusetzen sei.
In Wahrheit war es aber, bei allen Defiziten, ein Rechtstaat und eine konstitutionelle Monarchie mit blühendem Parlamentarismus und auf einem vielversprechenden Weg fortschreitender Demokratisierung und Parlamentarisierung. Politische Gegensätze wurden damals friedlich ausgetragen und nicht in Straßenkämpfen, Attentaten und politischen Morden wie in der Weimarer Republik. Dazu kam wachsender Wohlstand. Wieso also sind die positiven Erinnerungen der damaligen Deutschen "beschämend"?
Wenn das Kaiserreich angeblich schon einen Keim zum Dritten Reich in sich trug, dann - mindestens! - gleichermaßen auch einen Teil der deutschen Demokratiegeschichte. Ohne die demokratischen Traditionen Deutschlands hätte das Grundgesetz nie so eine Erfolgsgeschichte werden können.
Das würde ich Kermani gerne mit auf den Weg geben: Die Geschichte dieses Landes beginnt nicht erst mit dem Tag der Einwanderung der Eltern oder Großeltern. Das kollektive historische Gedächtnis dieses Landes reicht tiefer zurück als bis in die Nachkriegszeit. So wie manche Deutsche Wurzeln im Iran oder der Türkei haben, so haben andere Deutsche sie in Mitteleuropa.
Nermani scheint hauptberuflich Preisempfänger zu sein
es sei ihm gegönnt.
Wirft aber, nur so als Beobachtung, ein Licht auf die deutsche Auslobungsszene.
https://de.wikipedia.org/...
Wurde auch bereits von Lehmann artikuliert:
"Kermani verstehe es gut, sich angesichts der wenigen intellektuellen Vertreter des Islam hierzulande in Szene zu setzen. "So hat er mit 41 Jahren und angesichts der bisher zugänglichen Veröffentlichungen und erbrachten Leistungen ein unglaublich großes Verzeichnis an Auszeichnungen und Preisen vorzubringen. "
http://www.fr-online.de/p...
Ausgezeichnete Wahl.
Ein nicht nur kluger und nachdenklicher, sondern auch freundlicher Intellektueller. Eine rare Spezies in der aufgeregten Welt der Twitterer und Facbooker!
Herzlkichen Glückwunsch an N.K.
Einblicke
In einem Interview von ihm las ich dass viele im Irak und Syrien den IS als "westliches Produkt" betrachten. Warum? jetzt kommt's: weil der IS auf dem selben "Rechtssystem" wie Saudi Arabien beruht und von Saudis finanziell gefördert wird. Und die Saudis sind nunmal Verbündete der Amis.
Da wird es einem schwindelig, beim Blick in diese Abgründe von Wahnvorstellungen in diesen Regionen.
Jemand wie Kermani kann natürlich wertvolle Einblicke geben, aufgrund seiner spezifischen Vertrautheit mit diese Kulturen.