München hat ein Image-Problem. Vor allem bei jungen Kreativen. Zu viel Bling Bling und zu wenig Subkultur. Dabei gibt es sie, die jungen Designer und Künstler – an der Kunstakademie oder der Design-Fakultät der Fachhochschule. Doch bis auf die bekannten Industriedesigner Konstantin Grcic und Stefan Diez sind sie für die meisten Münchner unsichtbar.
"In Berlin sind die Kreativen Teil der Stadtkultur. Das müssen wir in München erst noch etablieren", sagt die Produktdesignerin Alexandra Weigand. Bei den horrenden Münchner Mieten ist das Eingliedern ins Stadtbild jedoch nicht nur eine Frage des Willens, sondern auch des Dispo-Kredits.
Also entwickelten Alexandra Weigand und die Schmuckdesignerin Anne Gericke die Idee einer Plattform für junge Designer, mitten auf der Maximilianstraße, Münchens Luxusmeile.
Dort residiert nun Haeppi Piecis, ein temporäres Ladengeschäft für lokales Design, direkt neben der Boutique von Gucci. Zu kaufen gibt es Produkte aus Stadt und Umgebung. Zum Beispiel Porzellan von Birgitta Schrader aus Scheyern bei Pfaffenhofen. Die Töpfermeisterin macht pastellfarbenes Geschirr ohne Schnickschnack. Für sie ist ein Becher ein Becher, ein Teller ein Teller. Keine Henkel, keine Verzierungen. Dazu gibt es Schmuck, Lederwaren, Bücher, Hüte und auch Mode. Anja Pawlik schneidert für ihr Label J'ai mal à la tête klassische Männermode. Die Oberhemden, Parkas oder Bomberjacken versieht Pawlik mit farblich abgesetzten Taschen oder großflächigen Digitaldrucken. Neonlachs bewegt sich an der Schnittstelle zur Maßanfertigung. Die Schneiderinnen Sarah Kaldewey und Lena Geißler designen und produzieren im Allgäu. Für Haeppi Piecis haben sie eine Cruise-Kollektion mit Leinensakkos und Batikkleidern entworfen, die im Herbst um wollene Mäntel und Jacken ergänzt wird.
Kreative bereichern das Flair der Stadt
Bis November 2013 können die Macherinnen den Laden zur Zwischenmiete nutzen. 5.000 Euro Startgeld gab ihnen die Stadt München dazu. Dass Genehmigung und Finanzierung so ungewöhnlich unkompliziert erfolgten, liegt wohl daran, dass die Stadt die klassische Kulturförderung derzeit zur Kreativwirtschaftsförderung umbaut.
"Künstler und Kreative sind wichtig für das Flair einer Stadt, aber sie sind auch Teil des Stadtmarketings und ein Wirtschaftsfaktor. Wir wollen sie durch Annäherung halten", sagt Marc Gegenfurtner vom Kulturreferat. Dieser verkaufsorientierte Ansatz verheißt nichts Gutes für die freie Kunst. Für Produktdesign, das funktionieren und sich verkaufen muss, ist es eine Chance.
Die Infrastruktur im Münchner Kulturbetrieb ist schon lange da – im Kunstraum Maximiliansforum wird immer wieder kritisch über Design diskutiert, die Pinakothek der Moderne stellt seit fast zehn Jahren Schmuck als Kunst aus und das Haus der Kunst zeigt neben Skulptur oder Malerei auch Mode, wie im Jahr 2011 eine Retrospektive zu 30 Jahren japanischem Modedesign, es gibt Handwerksbetriebe, die vor Ort produzieren und: das Publikum ist kaufkräftig.
Dennoch brauchen die Münchner Kunden Orientierungshilfe, sagt die Designerin Saskia Diez, die ihre Werkstatt im Glockenbachviertel hat. "Münchner machen sich nicht auf die Suche nach neuem Design. Da könnte die Stadt etwas mehr auf die Sprünge helfen: Ateliers, Ausstellungsflächen, Geld für Präsentationen im Ausland, weniger Bürokratie."
Diez hat es mit ihrem filigranen Schmuckdesign geschafft. Ihre feinen goldenen Ringe und Ketten tragen Frauen in Norwegen, den Arabischen Emiraten oder Japan. Die Designerin ist weltweit sichtbar. Viele ihrer Kollegen noch nicht mal münchenweit.
Kommentare
Alexandra Weigand irrt leider
in Berlin sind 'die Kreativen' zwar Teil der Stadtkultur, jedoch völlig ohne vergleichbare öffentliche Förderung. Die Hauptstadt bezieht zwar immense Einnahmen aus dem Kulturtourismus und wirbt schamlos mit 'den Kreativen', ohne sie jedoch in Szene zu setzen und partizipieren zu lassen - es fehlt an Orten und Veranstaltungen zur Präsentation. Interessierte Touristen scheitern regelmäßig bereits an der Abwesenheit von Information, wo wer zu finden ist.
Renommierte, seriöse Galerien für angewandte Kunst und Design gibt es in Berlin nicht, hier boomt allenfalls der Markt mit der freien Kunst. Eigeninitiativen und Zusammenschlüsse (wie z.B. die von 1997 bis 2004 von 6 Gestaltern betriebene Galerie Tagebau in der Rosenthaler Straße in Mitte) scheitern an den durch die Decke schießenden Mieten.
In Berlin wäre vor allem bezahlbarer Raum in guter Lage dringend nötig, der von Touristen auch gefunden wird. In München gibt's reichlich lokale Kaufkraft UND Touristen, einen renommierten, gut dotierten Staatspreis, den tollen Dannerpreis, die Galerie Handwerk und jede Menge gute Veranstaltungen, in Berlin sind die solventen Kunden in aller Regel Touristen (sprich: ständige Werbung nötig), es gibt einen albernen Landespreis, einen ausschließlich selbstbeweihräuchernden DMY und die bei den Standmieten überteuerte und wenig erfolgreiche Zeughausmesse.
Sehr viel Erfolg in der Maximilianstraße! Möge dieses Beispiel in z.B. der Friedrichstraße Schule machen!
Die Vergleiche finde ich immer schwierig.
München wird immer mit Berlin verglichen. Berlin mit London usw.... . Das brauchts gar nicht. Meiner Meinung gibt es in München schon immer viele interessante Leute die ziemlich gute Arbeiten machen. Eine starke "Subkultur" wenn man dies so nennen mag. Ob Musik, Theater, Kunst und anderen Kreativen Berufen. In München muß man denk ich eine Zeit lang verbringen und eintauchen über Freunde, Bekannte und Netze stricken. Der erste Eindruck des wohlhabenden Münchens ist halt manchmal anders. Aber sicherlich ist das alles nicht auf den Weg zum besser werden. Es wird alles schwieriger. Die steigenden Mietpreise und das Verschwinden von "Raum zum Entstehen und Entwickeln" hat in den letzten Jahren keinen positiven Einfluß gehabt. Aber das ist halt in den meisten grossen Städten so, in Berlin genauso. Happi Piecis ist ein kleines Zeichen von der Stadt, aber ob es nur eine oberflächliche Werbung der Stadt ist da was zu tun muß wird sich zeigen. MÜNCHEN MUSS bezahlbaren RAUM SCHAFFEN und FREIHALTEN sonst wirds sicherlich fad, grau und eintönig werden. Denk das ist auch so wichtig für kleine Ladenbesitze, die werden rausgedrückt aus der Innenstadt. Da braucht man dann gute Konzepte oder einen starken Kundenstamm um auch in versteckten Ecken zu überleben.
Imageproblem Produktdesigner?
Weder die Autorin, noch die Interviewten scheinen sich über die Unterschiede der verschiedenen Designberufe im Klaren zu sein, aber das ist auch kein Wunder.. Die Berufsbezeichung Produktdesigner ist ja leider nicht geschützt , so wie bei Architekten, Ingenieuren, Anwälten. Jeder darf sich Designer nennen.
Dabei ist der Produktdesigner nicht Gestalter von Unikaten, sondern von Produkten, die in einer seriellen (Massen)-Produktion hergestellt werden.
Kann man auch gern mal Wikipedia fragen, oder sonstwen, der sich damit auskennt.
Was hier auf den Bildern zu sehen ist, sind eigentlich durch die Bank Unikate und Handarbeit, das hat mit meinem Beruf recht wenig zu tun.
Förderung der Kreativwirtschaft ist richtig und gut, und wichtig, aber bitte nicht alles durcheinander bringen.
Der Unterschied von München zu...
...Berlin, London und anderswo liegt darin, dass diese Stadt sich bzgl. Kreativität an der eigenen Nabelschau sättigt. So hart das auch klingt.
Aber auf dieser Stadt lastet der Fluch des Fertigen, des Perfektionierten.
Es ist ja nicht so als wäre da kein Potential. Viele Randbedingungen sind gegeben,ebenso wie in Berlin, London und - gerne noch einen Schritt weiter - Amsterdam, New York und Kopenhagen. Es gibt ja kreative Köpfe, auch die Kreativitätshungrigen, einen Reichtum an Ausgangsmaterial, internationalem Flair/Input und die nötige Wirtschaftskraft. Was fehlt ist die unbändige Lust am Experimentieren, am ungewissen Ende.
Und wenn das bisschen was gedeiht sogleich zur Kunst konserviert wird, verwunderts kaum dass von München bzgl. Kreativität und Design kaum Strahlkraft ausgeht.
Wir, Produktdesignerin und Architekt, kamen aus der Provinz, quasi aus der Not, an den reichen Fleischtopf an die Isar und sind doch verhungert am Mangel an Inspiration und Entfaltungsmöglichkeiten. Mittlerweile haben wir anderswo den Boden gefunden um zu gedeihen. Das Netzwerk schliesst oben genannte Orte ein, ebenso wie Leipzig, Bergisch Gladbach und die sauerländische Provinz. München übernimmt dann leider die traurige Rolle als dankbarer Absatzmarkt. Mit einem abgespeckten, auf den doch uniformellen Geschmack abgestimmten Sortiment. Was den Satz von Frau Dietz "Münchner machen sich nicht auf die Suche nach neuem Design." unterstreicht. Traurig aber wahr.