Es gibt keinen Anlass, die Schweiz in Schutz zu nehmen. Schon seit Jahren wird das Bankgeheimnis von dortigen Politikern zum Menschenrecht verklärt, gerade so, als liege ein Akt persönlicher Befreiung darin, seine Mitbürger bei der Finanzierung des Gemeinwesens zu hintergehen.
"Kein Rechtsstaat darf sich auf den illegalen Abweg der Hehlerei begeben", sagt Fulvio Pelli, der Chef der Schweizer Liberalen – und er meint damit die deutsche Regierung. Mit keinem Wort erwähnt er, dass der Schweizer Staat es war, der den Boden für milliardenschwere Finanzkriminalität mit seiner obskuren Differenzierung zwischen (straffreier) Steuerhinterziehung und (strafbarem) Steuerbetrug erst bereitet hat. Und wenn man es genau nehmen will, dann müsste auch die Frage gestellt werden, wie denn ein Land ein vorgebliches Menschenrecht (Bankgeheimnis) verteidigen will, wenn es ein anderes (Religionsfreiheit) gerade mit Füßen tritt.
Gründe gibt es also genug, den Schweizer Nachbarn einmal zu zeigen, wo der Hammer hängt. Mit dem angekündigten Kauf von Steuersünderdaten lässt sich die Bundesregierung aber nicht nur auf ein innenpolitisch äußerst heikles Unterfangen ein. Sie nimmt auch in Kauf, dass das Verhältnis zu einem eng befreundeten Nachbarstaat auf grobe Art und Weise Schaden nimmt. Deutschland setzt dem Rechtsbruch das Recht des Stärkeren entgegen: Vor 1989 wäre ein undiplomatischer Umgang dieser Sorte undenkbar gewesen. Insofern gibt der Steuerstreit mit den Eidgenossen nicht nur Auskunft über das Verhältnis zur Schweiz, er steht auch für einen Wechsel hin zu bewusster Aufrüstung in der deutschen Außenpolitik.
Offen wie nie zuvor nutzt die Bundesregierung das seit der Wiedervereinigung gestiegene internationale Gewicht der Bundesrepublik. Sichtbar wird das aber nur in Ausnahmefällen. Mit ihrem Einfluss halten die Deutschen ja sonst gerne hinterm Berg – und verstecken sich in internationalen Institutionen wie Nato, UN und EU. In Afghanistan zum Beispiel soll die Zahl deutscher Soldaten möglichst klein gehalten werden, und um europäische Führungsposten bewirbt man sich erst gar nicht, um dem Verdacht nationaler Interessenpolitik zu entgehen.
Der Fall der Schweiz hingegen wird zum Exempel für ungehinderte Machtdemonstration. Viel Mut erfordert das nicht, und das macht die Sache auch so leichtfertig: Die fremdartig wirkende Schweiz ist ein mühelos zu schlagender Gegner – ohne EU-Mitgliedschaft und starke Verbündete im Hintergrund. Immerhin den Bundesaußenminister scheinen dabei Skrupel zu plagen: Er sei doch ein "Freund der Schweiz", beteuerte Guido Westerwelle – um wenig später dann (erfolglos) vor dem Ankauf der Steuerdaten zu warnen. Ansonsten siegte der Erregungszustand im Inneren über seriös kalkulierte Außenpolitik.
Möglicherweise wird sich der Bankdatendeal für die Bundesregierung nämlich noch als Pyrrhussieg entpuppen. Er mag zwar einige Millionen Euro einspielen, die laufenden Verhandlungen mit der Schweiz über die Frage, wie man auf legale Weise Steuersünder belangt, können daran aber scheitern. Für den deutschen Staat wäre nicht mal realpolitisch etwas gewonnen. Vom "hässlichen Deutschen" wird in der Schweiz auch weiterhin die Rede sein.
Kommentare
gleiches mit gleichem vergelten
Wer Steuern hinterzieht betrügt. Das ist illegal. Darf der Staat zu gleichen Mitteln greifen ? Wohin soll das führen ? Soll künftig ein Kopfgeld vom Staat ausgesetzt werden um Steuer- und Sozialbetrüger aufzuspüren ? "Big brother is watching you !" Das Recht darf nicht mit den Füßen getreten werden. Und warum kann sich die Schweiz die günstigen Steuersätze leisten ? Damit sollte man sich besser beschäftigen, dann löst sich das Steuerbetrugsproblem von selbst.
Belastetes Verhältnis
Und mit dem decken deutscher Steuerflüchtlinge belastet die Schweiz das Schweizer/Deutsche Verhältnis.
Jetzt muss man sich mal fragen, was war zuerst?
Steuerverschwendung und Steuerhinterziehung
Die einen hinterziehen Steuern, die anderen verschwenden sie. Es kommt auf dasselbe hinaus: Geld, welches sinnvoll eingesetzt werden könnte, geht verloren. Aber während die Steuerhinterzieher zu Haftstrafen verurteilt werden können, dürfen Politiker weiterhin straflos Steuern verschwenden. Ich kann Leute durchaus verstehen, denen ihr hart erarbeitetes Geld zu Schade ist, damit Terroristen in Afghanistan zu unterstützen, und ich kann auch verstehen, dass vielen Leuten ihr Geld zu Schade ist, damit arbeitsscheues Gesindel durchzufüttern. Ich kann es aber nicht verstehen, dass Politiker unseren Rechtsstaat verkaufen, nur um sich beliebt zu machen.
Clever
Also, die treu ihre Steuern in Detuschland zahlen, oft für kleine Löhne arbeiten müssen, die sind arbeitsloses Gesindel?
Mit wem haben denn diesenigen, die Unsummen ins Ausland transportieren, ihr Geld verdient? Ärmel hochgekrempelt und geschuftet?
Ihre Argumente sind eine Ablenkung von den tatsächlichen gegebenheiten.
Nicht wirklich "clever", schon gar nicht anständig.
Deutschland ist nicht alleine!
Die "günstigen" Konditionen der schweizer Banken werden international genutzt; und zwar nicht nur von Europäern, sondern auch von US-Bürgern. Das weis ich aus einem Interview anlässlich des letzten Datentransfers 2008 im WDR.
Ich denke die Regierungen haben viel zu lange viel zu viel Nachsicht gezeigt. Diese Datenankäufe KÖNNTEN am Anfang einer langen und für die Schweiz ziemlich unangenehmen Liste stehen. Das wissen auch die schweizer Verhandlungsführer, sonst säße sie gar nicht erst am Tisch.
Es ist wohl an der Zeit für ein wohl dosiertes Maß an Konsequenz. Wie schon Buddah sagte : "Wer aufschiebt ist verloren." ;-)
Ich würde den Empfindlichkeiten der Schweiz
Mitleid entgegen bringen, wenn ich auch nur für eine Sekunde glauben könnte, dass die so ostentativ zur Schau getragene moralische Entrüstung sie soweit bringt, unsere mühsam hinterzogenen Steuermillionen nicht mehr anzunehmen.