Bis 2021 muss der CO2-Ausstoß von Neuwagen in der EU auf durchschnittlich 95 Gramm Kohlendioxid je Kilometer sinken. Für die Zeit danach will die EU bis Ende dieses Jahres die weiteren Höchstwerte definieren – und die Bundesregierung stellt sich schon einmal vor die deutsche Automobilindustrie. Mit einer umstrittenen Studie warnt das Wirtschaftsministerium vor zu ehrgeizigen Grenzwerten.
Zwar seien weitere deutliche Emissionssenkungen technisch
möglich, sagte Matthias Machnig, Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, mit
Bezug auf das Gutachten. "Dies ist zugleich mit großen wirtschaftlichen
Herausforderungen verbunden." Der Zeitpunkt für neue CO2-Zielwerte nach
2020 müsse daher gut gewählt werden. Das Institut für Kraftfahrzeuge (IKA) an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen hatte im Auftrag des Ministeriums errechnet, wie sehr die Herstellungskosten steigen würden, wenn die Autobauer bestimmte CO2-Höchstwerte erfüllen müssten.
Weitere deutliche CO2-Einsparungen ließen sich nur durch einen breiten Einsatz alternativer Antriebstechnologien erreichen, sagte Machnig. Die seien auf absehbare Zeit aber noch mit deutlichen Mehrkosten verbunden, die der Neuwagenkäufer nicht komplett durch eingesparte Kraftstoffkosten kompensieren könne. Die Schlussfolgerung in der IKA-Studie: Sollte die EU tatsächlich strenge Vorgaben setzen, könnten die Hersteller ihre Kosten höchstens teilweise auf die Autokäufer abwälzen, auf dem Rest blieben sie sitzen.
Doch um welche Kosten geht es? Die Autoren der Studie haben errechnet, dass bei einem angenommenen Ziel von 68 Gramm CO2 je Kilometer selbst mit einem "kostenoptimalen Technologiemix" die Herstellungskosten um 3.200 bis 4.100 Euro je Fahrzeug steigen würden. Mitglieder des Umweltausschusses im EU-Parlament hatten einen Zielkorridor von 68 bis 78 Gramm CO2 je Kilometer für Neuwagen ab 2025 ins Gespräch gebracht. Selbst die 78 Gramm seien nur unter günstigsten Rahmenbedingungen zu schaffen, so das IKA.
Übertriebene Prognose?
Das Gutachten ist ganz im Sinne der deutschen Autoindustrie, die schon bei den CO2-Vorgaben für 2015 und 2020 klagten, diese Grenzwerte seien eine enorme Herausforderung und nur mit enormen Kosten zu erreichen. Doch stimmen die Daten der IKA-Studie? Der International Council on Clean Transportation (ICCT), eine unabhängige Forschungsorganisation, hält die errechneten Kosten für viel zu hoch und die daraus gezogenen Schlüsse für falsch.
Peter Mock vom ICCT wirft den Autoren vor, für das Gutachten nicht die heute anerkannten und etwa in US-Behörden üblichen Methoden angewandt zu haben. Es beruhe in erster Linie auf Daten und Einschätzungen der Hersteller selbst – und damit hätten sich Prognosen der Technologiekosten in der Vergangenheit als zu hoch herausgestellt, sagt Mock. Als Beispiel nennt er eine Studie von 2006, die ähnlich erstellt wurde. Darin seien die Zusatzkosten, um die CO2-Emissionen von 140 auf 130 Gramm je Kilometer zu senken, auf rund 620 Euro je Fahrzeug taxiert worden. "Tatsächlich wurde das 130-Gramm-Ziel jetzt mit nur durchschnittlich 200 Euro Zusatzkosten erreicht", sagt Mock und beruft sich auf die vorläufigen Ergebnisse einer neuen Studie.
So kommt das IKA mit der von ihm gewählten Methodik laut ICCT auch auf recht hohe Herstellungskosten für Leichtbau, der zu geringerem Kraftstoffverbrauch und damit geringerem CO2-Ausstoß führt. Die Kosten dafür taxiere das IKA um den Faktor sechs höher als aktuelle Studien der EU-Kommission.
Hohe Kosten müssen sich schnell rechnen
Hinzu kommt, dass das IKA den Zeitraum, in dem die Kraftstoffersparnis die höheren Kosten ausgleichen soll, mit vier Jahren recht kurz ansetzt. Autos halten wesentlich länger – und wenn ein Fahrzeug erst nach zehn oder zwölf Jahren zum Schrottplatz kommt, bleibt viel mehr Zeit, in der sich der höhere Preis rechnen kann. Zwar nicht zwingend beim Erstkäufer, aber auch in zweiter oder dritter Hand. Aufgrund des sparsameren Betriebs ist zu erwarten, dass sich auch am Gebrauchtwagenmarkt ein höherer Preis erzielen lässt. Darum hält der ICCT es für falsch, für die Amortisation nur die Haltedauer beim Erstkäufer anzusetzen.
So erweckt
das Gutachten den Eindruck, als ob sich die Bundesregierung, wie schon mal, zum Anwalt der
deutschen Autolobby mache – zumal das Papier gleich auch noch eine
"Flexibilisierung der Zielerreichung" sowie die umstrittene
Mehrfachanrechnung von Elektroautos empfiehlt, die unterm Strich die Bemühungen
zur Reduktion der Treibhausgase verwässert. Dass das
Bundeswirtschaftsministerium das Papier ausgerechnet in Brüssel präsentiert
hat, spricht ebenso Bände wie der Zeitpunkt.
In den nächsten Monaten geht die Diskussion über die Abgas-Grenzwerte für das kommende Jahrzehnt in die heiße Phase – und darum muss die deutsche Autoindustrie jetzt hinter den Kulissen versuchen, Einfluss zu nehmen, damit die CO2-Obergrenzen nach 2021 möglichst lasch ausfallen. Denn die Hersteller fürchten, dass sie mit ihren größeren Limousinen und SUVs strengere Grenzwerte nur mühsam werden erfüllen können.
Kommentare
Genug des Qualms
>>Sollte die EU tatsächlich strenge Vorgaben setzen, könnten die Hersteller ihre Kosten höchstens teilweise auf die Autokäufer abwälzen, auf dem Rest blieben sie sitzen.<<
Oh furchtbare Not!
Die Wirtschaft soll womöglich einen Teil der gesellschaftlichen Kosten tragen, für die sie selber auch mit verantwortlich ist?
Das geht natürlich ü-ber-haupt nicht. Da muß der Staat sofort intervenieren und Sozialfonds für notleidendene Auto-Manager auflegen. Mindestens.
Ich dachte immer, die Autoindustrie möchte Autos verkaufen.
Sollte es dabei nicht eigentlich erfreulich sein, wenn man sich vom Diktat der Ölbarone unabhängig machen kann?
Was zur Hölle interessiert es denn mich als Autobauer, wenn die Mineralölkonzerne womöglich keinen Sprit mehr verkaufen können? Ich baue und verkaufe doch Autos.
Gäbe es hierzulande Gesetzgebung und -geber nach meinem Geschmack, hätten wir seit 5 Jahren 10 Millionen E-Fahrzeuge auf den Straßen und nicht in fünf Jahren vielleicht mal 1 Million.
Diese politische Arschkriecherei bei der Wirtschaft widert mich an.
Das ist mein Planet, auf dem ihr Idioten mit euren A8-Kutschen mit eingebautem Chauffeur von Klimakonferenz zu Klimakonferenz geschaukelt werdet. Und ich habe es satt, daß in dieser Beziehung nichts passiert.
Wenn die Industrie nicht will, dann zwingt man sie zu ihrem Glück. Das ist völlig alternativlos.
ach was!
"Die neun VW-Vorstände strichen im vergangenen Jahr insgesamt gut 64 Millionen Euro ein. Das sind 8 Millionen Euro mehr als 2012. Winterkorn bekam mit seinen 15 Millionen Euro mehr als das doppelte seiner Vorstandskollegen. Deren Bezüge lagen zwischen 5,9 und 6,4 Millionen Euro und damit oberhalb der Gehälter vieler Vorstandschefs, die ihre Arbeit außerhalb von VW verrichten."
> http://www.faz.net/aktuell/w…
Automobilinsdustrie jammert doch immer
Die hat gejammert, als das Bleifreie Benzin eingeführt , als der Kat eingeführt worden ist. Die Elektroautos bauen die Hersteller ja auch nicht mit voller Begeisterung. Es wird Zeit, das die Hersteller nicht nur auf Leistungssteigerung forschen lassen, sondern auf Kraftstoffersparnis. Dazu gehört aber eine Veränderung des NEFZ.
Wahrscheinlich wird dank TTIP der Schadstoffaustoß großzügiger gehandhabt. Weswegen die Autohersteller auch so fleißig für das Abkommen werben...:(
zum Jammern
"Die hat gejammert, als das Bleifreie Benzin eingeführt , als der Kat eingeführt worden ist."
Ebenso, als der Anschnallgurt verpflichtend eingeführt wurde, der Rückspiegel und später, als die Stickoxid-Grenzwerte gesenkt wurden.
Fortschritt heißt Sitzheizung, Fortschritt heißt elektrische Fensterheber, Fortschritt drückt sich in PS aus.....gähn....
EU Ökogesummsel,...
... weil andere europäische Autobauer nichts mehr auf die Reihe kriegen und global bald in der Versenkung verschwunden sind. Leicht durchschaubar.
ich verstehe die Gutmenschen einfach nicht
Der genaue CO2-Ausstoß von Autos ist relativ unwichtig, es gibt viel bessere Methoden die Atmosphäre aufzuheizen. Ein Entspannung bei den CO2-Grenzwerten würde absolut niemandem Schaden.
Trotzdem versuchen ZON, SPON, Süddeutsche, ... plus ein Großteil der Kommentatoren, das Auto von einem Gegenstand der Leidenschaft in ein möglichst ödes Transportmittel zu verwandeln. Warum nur ? Weil Spaß, Tempo, Power, Technologie kein linkes Topos sind ? Oder aus Prinzip, um zu schauen, ob man den Normalos ihre Autos wegnehmen kann.
Mich besorgt das, weil die Leidenscaft für schnittige Karren die Gescäftsgrundlage von ganz Deutschland sind. Auch die Gutmenschen können ihre Wohltaten, den Staatsapparat, den Sozialstaat nicht mehr bezahlen, wenn diese Grundlage wegfällt.
Und diese Grundlage fällt weg, wenn die Leute wirklich glauben, Autos sind nur öde Transportmittel. Dann sehen die Dinger auch so aus, wir können unseren Export zumachen und die Linke hätte eine ähnliche Gescäftsgrundlage wie Syriza, Bremen oder das Saarland: keine.
Im Ernst??? Auto als Fetisch rettet unsere Arbeitsplätze ???
Mal abgesehen von Ihrer Diffamierung mit der Neu-Rechten Vokabel 'Gutmenschen', mit der üblicherweise Meinungen, die sich gegen antisoziales Verhalten richten in die Ecke von realitätsfremden Idioten, die "stets das gute wollen, ... " gerückt werden sollen, verkennen Sie die Realitäten.
Es geht nicht darum ihren offenbar sexuell aufgeladenen Fetisch "Gegenstand der Leidenschaft"
als
"ödes Transportmittel"
darzustellen.
Es geht darum diese antisoziale höchgradig umweltschädliche PS-Protzerei als das zu bezeichnen, was sie ist.
Eine im Grunde längst überholte technologische Sackgasse individueller Mobilität.
Das ist schon Ende des letzten Jahrtausends längst nicht mehr zukunftsfähig gewesen.
Wenn es Ihnen um den Technologiestandort Deutschland geht:
D täte gut daran sich endlich zukunftsfähigen Technologien zuzuwenden.
'Wer zu spät kommt, den bestraft die Geschichte'. Das lässt sich schon ganz gut in Detroit besichtigen.
Es wird Zeit, dass in Europa (oder sonstwo) ökologisch verträgliche Mobilitätskonzepte verwirklicht werden. Das bringt dann auch die notwendigen Arbeitsplätze, statt auf ein neues Ruhrgebiet hinzuarbeiten, wo zu spät erkannt wurde, dass die Zeit von Kohle und Stahl zu Ende geht.
Und was die fetischhafte Besetzung des Autos angeht: da erinnert mich Ihr Kommentar doch stark an die Waffenfanatiker in den US-amerikanischen Südstaaten.
Die finden Waffen auch 'geil', und man müsse ja auch verhindern, dass die amerikaniscen Waffenindustrie zugrundegehe, etc.