Kein namhafter Hersteller kann es sich leisten, ohne ein Fahrzeug in diesem Segment auf dem Genfer Autosalon zu erscheinen: Das Pseudo-SUV ist die neue Norm des Autos. Entweder mit einem der Modelle auf dem Messestand, die bereits erfolgreich den Markt bedienen. Oder mit einer Neuvorstellung. Oder mit der Ankündigung eines in Kürze kommenden SUVs. Der Grund für die Aktivität ist simpel: Der Kunde will diese Autos, die eigentlich nicht gerade geländetauglich sind. Fragt man die Besitzer, warum sie ausgerechnet zu diesem Fahrzeugtyp gegriffen haben, erhält man meistens zwei Antworten: Der ist so praktisch. Und ich fühle mich sicher darin.
Mit klassischen Geländewagen wie einem Mercedes G-Modell oder einem Toyota Landcruiser haben diese Autos bestenfalls Designelemente gemeinsam. Und auch die Schnittmenge mit den US-amerikanischen sports utility vehicles – daher das Kürzel SUV – ist gering. Allradantrieb? Überflüssig. Geländegetriebe? Braucht keiner. Pure Größe? Nicht für die breite Masse. Bei gelassener Betrachtung sind viele Modelle lediglich hochgelegte Kombis oder Vans in robustem oder bisweilen martialischem Gewand.
So stellt Volkswagen mit dem T-Cross Breeze nur scheinbar
die Studie eines Cabrios vor – die Serienversion wird ein kleines SUV. In
Wolfsburg kennt man das immense Potenzial dieser Gattung und will, so sagt es
Vorstandvorsitzender Herbert Diess zur Premiere in Genf, "unser Angebot an SUVs
kräftig ausbauen und künftig in jedem Kernsegment ein SUV anbieten."
Hybrid-SUVs aus Korea und Japan
Volkswagen hat mit dem Tiguan, der inzwischen in der zweiten Generation beim Händler steht, eins der meistverkauften Autos der Republik überhaupt im Portfolio. Der Anteil der privaten Käufer lag im Januar laut Kraftfahrtbundesamt bei knapp 50 Prozent – das ist viel im Vergleich zum Durchschnitt von gut 30 Prozent, aber exemplarisch: Privatkunden sind überrepräsentiert. Diesen Trend will Volkswagen mit dem T-Cross nach unten fortsetzen, also in ein Preissegment, das für besonders viele Kunden als bezahlbar gilt.
Das Rezept bleibt simpel: Neue Optik mit bekanntem technischen Kern. Wahrscheinlich wird der T-Cross ab 2017 erhältlich sein. Und vielleicht stellt ihn Volkswagen jetzt als Appetithappen der Öffentlichkeit vor, weil der Kunde sonst woanders kauft.
Bei Kia oder Toyota zum Beispiel. Der Niro von Kia und der C-HR von Toyota bieten neben der obligatorischen Gestaltung Benzinhybridantriebe. Beiden Konzepten ist gemeinsam, dass sie vereinfacht gesagt als Bremsenergieverwertungsmaschinen funktionieren. Beim Verzögern arbeitet ein Elektromotor als Generator, der Strom erzeugt und diesen in einer Pufferbatterie speichert. Beim Beschleunigen wird diese elektrische Energie genutzt, um den Verbrennungsmotor entweder zu unterstützen oder kurzfristig komplett überflüssig zu machen.
Toyota hat über acht Millionen Hybridautos weltweit verkauft. Die Technik erweist sich als zutiefst zuverlässig und tatsächlich sparsam. Das allein reicht aber nicht. Das Drumherum muss ebenfalls stimmen. Und hier hatten die Japaner bisher eine Lücke; es fehlte das Hybrid-SUV. Das gibt es seit einigen Monaten in Gestalt des RAV4 Hybrid und nun, viel wichtiger für große Stückzahlen, mit dem C-HR. Ohne SUV oder SUV-Artigem läuft es nicht in Deutschland.
Und Kia? Die SUVs der koreanischen Marke kommen gut an. Der Topseller Sportage kann ein Plus bei den Verkaufszahlen von 46 Prozent gegenüber dem Vorjahr verbuchen. Eine Klasse darunter bringt Kia also nun den Niro. Legt man das Zentimetermaß an, zeigt sich, dass er eigentlich ein klassischer Kompaktwagen ist: Mit 4,36 Meter Länge bei 1,80 Meter Breite und 1,54 Meter Höhe ähnelt er einem Volkswagen Golf Sportsvan. Nur, dass der Niro stämmiger wirkt und, ach ja, der VW setzt auf TDI und TSI statt auf Hybrid, um den Verbrauch zu senken.
SUV-Trend gefährdet CO2-Ziele
Der Kraftstoffkonsum hat ohnehin keine Priorität. Man kann
es drehen und wenden wie man will, die SUVs verbrennen mehr Sprit als die
mechanisch weitgehend identischen Geschwister. Das liegt an der gewachsenen
Höhe, die in einer größeren Stirnfläche und damit in einer schlechteren
Aerodynamik mündet. Selbst, wenn es nur zehn oder 20 Prozent mehr als bei den Standardmodellen
sind, könnten die Hersteller hier ein Problem bekommen: Der Boom verdirbt die
Bilanz bei den gesetzlich limitierten Flottenemissionen.
Prognosen gehen davon aus, dass der Marktanteil der SUVs von rund elf Prozent (2010) über zurzeit gut 22 Prozent auf 33 Prozent im Jahr 2020 ansteigen könnte. Auf dem Genfer Autosalon tun die Hersteller alles, um diesen Zahlen gerecht zu werden. Es ist, als würden sich Produzenten und Kunden gegenseitig hochschaukeln. Die Käufer fordern das SUV, die Firmen bauen es und zeigen immer neue Modelle, um das Habenwollengefühl zu unterstützen. Denn am Ende geht es für Nissan mit dem Qashqai, für Audi mit dem Q2 und alle anderen darum, Geld zu verdienen.
Kommentare
Was sind denn das für sinnlose Kreationen?
Entweder - oder.
Aber mehr Schein als Sein ist ja in jeder Hinsicht der Trend.
Wem es nur um das Platzangebot geht, greife besser auf einen Minivan oder ähnliches zurück. Sind dort deutlich überlegen.
Also "entweder oder" ist wahrlich nicht meine Philosophie. Eher schon abwägender Pragmatismus mit Mut zu Kompromissen, aber das nur am Rande.
Sie greifen ja einen der beiden Punkte auf, die laut Artikel der Hauptgrund für den Kauf sind, auf: Platz und Sicherheit. Tatsächlich gefallen mir einige dieser SUV deutlich besser als die von Ihnen erwähnten Minivans. Die SUV sehen einfach sportlicher aus, solange sie nicht zu groß werden. Gerade dieser Türkise Audi Q6 unter dem Artikel gefällt mir (leider) schon wirklich gut. Aber das ginge alles auch eine Nummer kleiner. Ich musste gerade erst wieder einem dieser riesigen Monster auf einem Supermarktparkplatz ausweichen. Wenn sich zwei davon begegnen wird's vermutlich eng bis schlichtweg zu eng. Nach kurzem googlen glaube ich, dass es ein Mercedes GL350 oder ähnliches war. Keine Ahnung für was die Hausfrau so etwas braucht. Zumal es aber dieser Größe wirklich auch Nachteile mit sich bringt, denn Parkplätze sind einfach nicht für solche Größenordnungen gemacht (vom Benzinverbrauch mal ganz zu schweigen). Ich könnte mich immer aufregen, wenn mal wieder so ein Panzer im Parkhaus steht und daneben vermutlich nicht mal mehr ein Smart Platz hätte.
Das Kaufargument Sicherheit ist ja auch recht einseitig gedacht, um nicht zu sagen egoistisch. Denn was die Fahrer solcher Autos durch ihre schiere Masse gewinnen, geht zu 100% zu Lasten der anderen Verkehrsteilnehmer inklusive Fußgänger!
Der gefühlt 197ste Artikel mit der Aussage, dass diese Autos nutzlos sind.
Schön, und? Waren Heckflossen sinnvoll? Oder Schulterpolster?
Hierzulande wird dieser unangenehme Trend vorbeigehen, wenn sich die Parkkratzer dieser Dickschiffe auf dem Supermarkt häufen oder wenn man feststellt, dass man bei 180 eben 18 Liter verbraucht.
Wobei der Europäische Markt ohnehin nur noch sekundär ist und über russische Dorfstraßen würde ich auch lieber mit einem aufgepimpten SUV fahren als mit einem Google-Spielzeug.
Wenn es doch nur so einfach wäre... Seitenflossen und Schulterpolster haben aber außer eine modische Funktion zu Erfüllen nichts anderes beeinträchtigt. Ein Unfall mit einem Fußgänger ist dagegen schon sehr wohl bedenkenswert. Die Verletztungen die hier gegenüber einem Unfall mit einem "normalen" Auto entstehen sind gravierend. Überlebenschance gleich null. Durch viele Tests bewiesen. Außerdem erhöhter Rohstoffbedarf bei der Herstellung und eben mehr CO2-Emissionen.
Ich finde schon das die Medien eine Berechtigung haben darauf hinzuweisen wie egoistisch ein Kauf in dieser Fahrzeugklasse gegenüber allen anderen ist. Nachhaltig ist wohl eher das genaue Gegenteil.
Vorweg, ich bin kein SUV-Fahrer, sondern bodennah unterwegs.
Aber ich kann verstehen, dass mehr Menschen zu diesen Fahrzeugen greifen.
Durch ihre Größe suggerieren sie zu allererst Größe, das gefällt den meisten. Ob die Größe dann tatsächlich auch einen Nutzwert hat, ist wohl gerade beim Autokauf zweitrangig.
Zum anderen werden wir nunmal immer älter und der hohe Einstieg ist selbst für jüngere Leute verlockend, wenn man ihn kennengelernt hat. Ich spreche natürlich ausdrücklich nicht für alle... Sollte klar sein. Immerhin liegt der SUV-Anteil auch nur bei 7% oder so. (Im Text bezieht sich der Marktanteil auf die Neuzulassungen, oder? Das klingt so, als würde der gesamte Marktanteil gemeint sein.)
Und auch der Zustand der Straßen wird nicht besser, sondern rasant schlechter. Mit 10 cm mehr Bodenfreiheit lässt es sich einfach viel besser auf den Verkehr konzentrieren ohne Befürchtungen, die Ölwanne überlebt die Fahrt zum Bäcker nicht.
Dass man heutzutage eher selten ins Gelände fährt ist aus verschiedenen Gründen klar: Alles was halbwegs nach Natur aussieht, ist entweder privat und/ oder Schutzgebiet. Da will man ganz bestimmt keine Offroader sehen. Und dass der Asphalt komplett von der Straße bröckelt hat auch noch ein paar Jährchen Zeit. Deswegen braucht man zwar Bodenfreiheit aber keinen Allrad.
Lieber User Sternschnubbi,
danke für Ihren Kommentar!
Sie haben Recht: Der Marktanteil bezieht sich auf die Neuzulassungen. Die Bestandszahlen ändern sich in der Folge erheblich langsamer.
Beste Grüße,
Christoph Schwarzer
Hauptsächlich geht es wohl ums Prestige, die praktischen Gründe einen SUV anzuschaffen erfindet man doch eher im nachhinein dazu. In egal welcher Fahrzeugklasse bietet der SUV für vergleichsweise geringen Aufpreis das Prestige der nächsthöheren.