Vor allem in Berlin und München bringt in diesen Tagen nicht nur buntes Laub mehr Farbe auf die Straßen. An gefühlt jeder Ecke stehen Zweiräder in wahlweise mintgrün, lachsrosa, schwarz-weiß-grün, orange, feuerrot oder schwarz-weiß. Nirgends haben so viele unterschiedliche Anbieter ihre E-Scooter im Stadtgebiet verteilt wie in der Bundes- und in der bayerischen Landeshauptstadt. Die Anbieter Tier, Voi, Lime, Circ und neuerdings auch Jump und Bird sind mit dem kühnen Ziel angetreten, die Städte von Autos und Staus zu befreien und bestehende Lücken im Netz des öffentlichen Nahverkehrs zu schließen. Und dabei Geld zu verdienen. Ob das klappt, ist bislang fraglich.
Denn oft rollen die E-Scooter nicht durch die Städte, sondern sie stehen. Die Mobilitätsberatung civity hat vor rund einem Monat die Daten mehrerer Verleiher ausgewertet. Sie zeigen, dass die Tretroller in Hamburg im Schnitt weniger als viermal am Tag bewegt werden, in München nur etwas mehr als dreimal und in Berlin sogar weniger als drei Fahrten pro Tag damit zurückgelegt werden. Die Anbieter nennen zum Teil andere Zahlen – Voi etwa einen sehr breiten Durchschnittswert zwischen vier und zehn Fahrten – oder bestätigen die Angaben von civity nicht. In jedem Fall dürften weniger als eine Handvoll Trips auf den Rollern pro Tag zu wenig sein. Die Beratung McKinsey & Company hat ausgerechnet, dass es mindestens fünf Fahrten braucht, um nach einigen Monaten in die Gewinnzone zu kommen.
Wann sie damit rechnen, flächendeckend Gewinne zu erzielen, darüber sprechen die Anbieter nicht. Circ betont, es sei "nie das Ziel" gewesen, bereits nach wenigen Monaten in Deutschland profitabel zu sein. Tier betont, das Geschäft laufe "in einzelnen Städten" bereits profitabel. "Aber natürlich investieren wir immer noch, um weitere Städte zu erschließen, unsere Plattform zu verbessern und unsere Dienste auszubauen." Daraus lässt sich schließen: Zu wachsen geht derzeit vor.
Irgendwann müssen Gewinne her
Hinter dieser Strategie stecken kapitalstarke Geldgeber, die mit ihren Investitionen in E-Scooter auf eine glorreiche Zukunft auf zwei Rädern wetten. Es vergeht kaum ein Monat, in dem keines der Unternehmen auf dem noch jungen Markt eine neue Millionenfinanzierung verkündet. Tier sammelte Anfang Oktober insgesamt 60 Millionen US-Dollar von seinen Investoren ein, zu denen neben Ex-Formel-1-Weltmeister Nico Rosberg und dem Versicherer Axa vor allem Risikokapitalgeber wie Goodwater, White Star Capital oder Speedinvest gehören. Auch hinter den meisten anderen Start-ups stecken Beteiligungsfirmen, die anfangs Millionen investieren können, aber irgendwann Gewinne sehen wollen.
"Die Elektrotretroller sind für Investoren attraktiv, weil der Umsatz pro Kilometer relativ hoch ist", sagt Kersten Heineke, der als Partner bei McKinsey analysiert, wie sich Mobilität verändert. Vor allem im Vergleich mit Carsharing-Diensten lasse sich mit dem Verleih von Tretrollen mehr Geld verdienen, rechnet der Berater vor: Ein E-Scooter koste in der Anschaffung 700 bis 1.500 Euro, ein vergleichsweise günstiges Auto, ein Smart etwa, liege preislich irgendwo zwischen 10.000 und 15.000 Euro. Gleichzeitig ist Carsharing für die Kunden im Verhältnis nicht viel teurer als die E-Scooter-Dienste – wenn überhaupt: Die Roller kosten allesamt zwischen 15 und 25 Cent pro Minute, ein Mini von DriveNow ist für 33 Cent pro Minute zu haben. Konkurrent Sixt bietet Autos sogar zum Kampfpreis von gerade mal 9 Cent pro Minute an.
Kein Wunder also, dass zumindest das Carsharing bislang eher als Verlustbringer gilt. Die Autokonzerne Daimler und BMW, die Anfang des Jahres noch verkündet hatten, eine Milliarde Euro in die gemeinsame Marke Your Now mit den Carsharing-Diensten car2go und DriveNow zu investieren, äußern sich inzwischen deutlich vorsichtiger. In den meisten deutschen Städten rechnet sich das Geschäftsmodell bislang nicht, zeigte im Sommer eine Studie.
Doch auch wenn das Geschäft mit Tretrollern höhere Margen und schnellere Gewinne verspricht, wird in den Städten künftig wohl nicht Platz für sechs oder noch mehr Anbieter sein. Da machen sich nicht einmal die Scooter-Start-ups etwas vor. Man müsse "kein Prophet sein", um vorherzusagen, dass nicht alle Anbieter in fünf Jahren noch in Deutschland aktiv sein werden, heißt es auf Anfrage bei Circ. Christian Geßner, der die Geschäfte von Bird im deutschsprachigen Raum managt, wird noch deutlicher: "Bis zum Ende des Jahres könnten bei vielen die Mittel erschöpft sein", mutmaßt er.
Kommentare
Nunja ... der Grundgedanke von "Sharing" ist, bzw. war ja auch nicht, dass jemand Geld damit verdient.
Der Hintergedanke ist eigentlich genau das Gegenteil, von dem wie es jetzt umgesetzt wird. Nämlich Ressourcen zu sparen und Dinge gemeinsam zu nutzen. Und nicht die Städte mit unbenötigten Dingen vollzustellen. - Also 1 Roller für 5 Leute und nicht 5 Roller für eine Person .... so wie es jetzt ist.
Spätestens seit Airbnb und Uber sollte bekannt sein, dass "sharing" heute ein knallhartes Geschäft ist. Das hat mit "teilen" im Wortsinn gar nichts mehr zu tun.
"Ein E-Scooter koste in der Anschaffung 700 bis 1.500 Euro, ein vergleichsweise günstiges Auto, ein Smart etwa, liege preislich irgendwo zwischen 10.000 und 15.000 Euro."
Dieser Vergleich macht nur dann Sinn, wenn man davon ausgeht, dass E-Scooter-Fahrten für Strecken eingesetzt werden, die man sonst mit dem Auto zurücklegt, und nicht für solche, die man sonst zu Fuß zurücklegt. Ich persönlich halte das für sehr fraglich.
Mein Tipp ist, dass man in spätestens 3 Jahren feststellen wird, dass die Zulassung von E-Scootern einfach hanebüchener Blödsinn war.
Der Vergleich macht durchaus Sinn, weil mit carsharing auch nur sehr geringe Kilometerleistungen abgerufen werden.
Das würde ich so pauschal nicht sagen. Ich sehe in den Fahrtenbüchern der Stadtmobil-Autos, die ich gelegentlich nutze, viele Fahrten mit zwei- und dreistelligen Kilometerangaben, das geht bis zu Urlaubsfahrten mit zweiwöchiger Nutzungsdauer und vierstelligen Kilometern (selten, kommt aber vor).
Es gibt einen gewaltigen Unterschied zwischen free floating und stationsgebunden. Free floating, also wenn man das Auto überall abstellen darf, wird nur für wenige km benutzt. Stattauto teilweise über mehrere Tage und damit vielen km.
Frage ist, wie lange fährt ein Smart als Sharingauto und wie lange die Scooter. Experten gehen bei den Scootern von max. 2-3 Monaten aus. Bei Sharingautos kenne ich leider keine Zahlen.
Sie müssen auch davon ausgehen, dass Mercedes für sein carsharing keine Listenpreise zahlt - also wahrscheinlich deutlich unter 10.000 Euro pro Smart.
Das stimmt natürlich. Und von den Freefloatern hat Stadtmobil noch zu wenige als dass man halbwegs zuverlässig einen findet wenn man ihn braucht. Und es gibt zu wenig freie Parkplätze in der Stadt, man kann nie sicher sein, ob man die in Zielnähe überhaupt wieder abstellen kann (ohne Parkscheibe, Parkuhr, Anwohnerparkausweis).
Das Problem haben die Roller nicht, dafür kann man da keine Lasten transportieren und ist Wind und Wetter ausgesetzt.
„Dieser Vergleich macht nur dann Sinn, …”
Da müssen Sie zwei Sätze weiter lesen, dann ergibt der Vergleich plötzlich Sinn: „Die Roller kosten allesamt zwischen 15 und 25 Cent pro Minute, ein Mini von DriveNow ist für 33 Cent pro Minute zu haben. Konkurrent Sixt bietet Autos sogar zum Kampfpreis von gerade mal 9 Cent pro Minute an.” Kontext halt.
D. h. bei den Einnahmen bewegen sich Roller und Auto in derselben Region, bei der Anschaffung steht da der Faktor Zehn.
Außer der total lustige strategische Ansatz „ versuchen sich die Verleiher voneinander abzugrenzen, indem sie unterschiedliche Schwerpunkte setzen.“ ist erfolgreich! Kommt bestimmt von einem top Beratungdunternehmen.
Da fehlt noch ein der wichtigste Faktor - die Roller kosten im Schnitt ca. 1€, um sie zu entsperren. Die 15-25 cent die Minute kommen dann obendrauf.
Weiß nicht, warum an der Stelle so unsauber gearbeitet wurde.
„Weiß nicht, warum an der Stelle so unsauber gearbeitet wurde.”
Nun. Weil die Autorin sicher nicht die Absicht hatte, in dem Artikel die beiden Modelle bei den wirtschaftlichen Zahlen ausführlich miteinander zu vergleichen. Dazu gehört ja noch mehr, bspw. – worauf drvoigt hinwies – die Haltbarkeit, aber auch die laufenden und Unterhaltskosten, Personaleinsatz etc. Das hätte den Rahmen des Artikels gesprengt. Es ging ihr – wie ich finde zurecht – nur darum, zwei exemplarische Zahlen zu nennen, die die beiden Enden der Fahnenstange definieren. So lese ich zumindest den Teil.
Außerdem erklärt das auch mit den „Boom”, der sich da gerade zeigt. Es ist ein vergleichsweise geringer Kapitaleinsatz am Anfang erforderlich, bis sich erste Einnahmen generieren.
Die Autoverleiher leben teilweise von der Differenz von Einkaufs- und Verkaufspreis. Sie kaufen Neuwagen zum halben Verkaufspreis und verkaufen das Auto nach 30.000km wieder höher als sie es eingekauft haben.
Bei e-Scootern wird das nicht so funktionieren, hoffe ich. Zumal die Nachfrage nach den Dingern wohl nicht so groß ist, denke ich.
„Die Autoverleiher leben teilweise von der Differenz von Einkaufs- und Verkaufspreis.”
Das sind die bekannten Autovermieter wie Sixt & Co. Die verdienen inzwischen wohl mehr Geld mit dem Autoverkauf, als mit dem Vermieten.
Die Carsharer mit festen Standorten – also nicht DriveNow oder Car2Go – halten die Autos tatsächlich länger, durchaus über mehrere Jahre. Die dürften auch nicht die Rabatte wie Sixt bekommen, einfach weil deren Flotten kleiner sind. Da müssen die Einnahmen die laufenden Kosten decken, wenn auch ohne große Gewinnabsicht.
Beides irgendwie mit den Scootern nicht vergleichbar. Wie das mit der Weiterverwendung oder -wertung der Roller geht, wird sich noch weisen müssen. Ich denke allerdings auch, dass es eine nennenswerte „private” Nachfrage nicht geben wird. Aber vielleicht liege ich auch falsch.
Hätte man vor 100 Jahren dieselben Regularien und Ängste zugrunde gelegt, wären Autos auch nie zugelassen worden.
Manchmal muss man nicht alles verteufeln und die Menschen einfach selbst entscheiden lassen was sie nutzen wollen.
„ Ist der Markt groß genug für alle?“
Wie war das mit Darwin? Wer überlebt zum Schluss? Frage beantwortet ... ^^
Richtig, wird im Artikel leider nicht erwähnt. Uber ist auch immer noch eine Verlustmaschine, aber sie haben halt den Markt für sich eingenommen und das ist eine dieser Märkte, wo nur ganz wenige Anbieter übrig bleiben werden. Es hat halt niemand Lust, sich 10 Apps für alle Rolleranbieter zu ziehen.
Wenn dieser "Kampf" auf dem Weg zum Monopol durch ist, winkt da eine richtige Gewinnmaschine.
Es wird genauso ablaufen wie bei denn Fernbuss-Anbietern, am Schluß bleibt einer übrig. Solange für die meisten die E-Scooter nur ein Spielzeug sind kommen die Anbieter auf keinen grünen Zweig.
Die Dinger gibt es gearde mal ein paar Monate. Warten Sie doch ab bis sich das eingespielt hat. Für mich gehören die Roller mittlerweile zu meinem Mobilitätsalltag und ich denke dass für viele das auch zukünftig gelten wird.