Der jahrelange Streit um den Schutz von Nichtrauchern ist nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Rauchverbot in Kneipen wieder voll entbrannt. Als Reaktion auf die Entscheidung des höchsten deutschen Gerichts forderten zahlreiche Politiker, das Rauchen in Gaststätten künftig bundesweit ohne jede Ausnahme zu verbieten.
Das Bundesverfassungsgericht hatte das Rauchverbot für Eckkneipen am Mittwoch gekippt. In einem Grundsatzurteil erklärten die Richter die Rauchverbote für Gaststätten mit nur einem Raum in Berlin und Baden-Württemberg für verfassungswidrig. Damit darf dort ab sofort wieder gequalmt werden. Viele andere Länder mit vergleichbaren Regelungen zogen umgehend Konsequenzen und kündigten an, das Rauchen in kleinen Gaststätten ebenfalls wieder zu erlauben.
Allerdings wäre auch ein striktes Rauchverbot in allen Lokalen mit dem Grundgesetz vereinbar, urteilten die Richter. Der Gesundheitsschutz sei ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut.
So sehen das auch zahlreiche Politiker. Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Carola Reimann, zum Beispiel. Sie verlangte, "die Ausnahmen zu streichen". Reimann sagte: "Wenn die Länder die Ausnahmen nicht streichen, dann werden wir versuchen, durch Bundesgesetze ein generelles Rauchverbot durchzusetzen." Auch der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach verlangte ein ausnahmsloses Rauchverbot in der gesamten Gastronomie. "Damit könnten in Deutschland jedes Jahr mindestens 5000 tödliche Herzinfarkte vermieden werden."
Politiker aller Parteien schließen sich dieser Forderung an. Die Drogenbeauftragte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Maria Eichhorn, sagte, nun müsse man die "Chance ergreifen, um eine einheitliche Gesetzeslage zu schaffen." Und auch die stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende Bärbel Höhn verlangte ein "generelles Rauchverbot ohne Ausnahmen" in allen Kneipen und in allen Bundesländern.
Dagegen kritisierte der rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Jürgen Gehb (CDU), das Urteil als "Pyrrhussieg für die Gastwirte und deren Berufsfreiheit". Er sagte: "Es gibt den Ländern den Wink mit dem Zaunpfahl, nun strikte Rauchverbote für die Gastronomie zu erlassen." Er habe sich vom Verfassungsgericht mehr Mut zur Freiheit gewünscht.
Kommentare
Grundsatzfrage
Der Richter Masing verweist auf das zentrale Problem: Ein totales Rauchverbot erscheint ihm Freiheitswidrig, weil hier staatlicherseits " gutes Leben" verordnet werde.Aus dem Konzept der Freiheit ergibt sich auch die Freiheit ,sich zu schädigen,Fehler zu machen, etwas zu machen, über das andere nur den Kopf schütteln.Keine Diktatur im Namen des Guten. Verfolgt man diesen Ansatz,kommt man aus der Fülle der Nachfragen nicht heraus. Warum nicht Verbot von ungesundem Essen, Sport, Autofahren. Es fallen einem so viele Handlungen ein, die befragenswert sind.Manchmal reagiert der Gesetzgeber, Gurtpflicht, Helmtragepflicht, alle möglichen Arbeitsschutzbestimmungen, andere Male reagiert er nicht oder wenig. Es gibt über eine Million Trinker, die sich und ihre Umwelt schädigen. (Werden daran zu viele Steuern verdient oder gilt das böse Verdikt des jungen Fischer, der Bundestag sei eine Versammlung von Trinkern).Eine durchgängige Haltung ist nicht erkennbar. Mal wird die Handlungsfreiheit beschränkt, mal wird sie hingenommen- teilweise mit erheblichen Auswirkungen für die Gesellschaft.Vielleicht ist die Diskussion um die Grenzen des Rauchens gute Gelegenheit ,über die Frage, wie weit darf der Mensch sich selbst schädigen, grundsätzlicher nachzudenken.Insbesondere dann, wenn die Gesellschaft die Folgen dieses Verhalten tragen muss, durch Krankenbehandlung und Übernahme all´der Folgenschäden, die durch dieses Verhalten entstehen. Eine Bilanz, welche Kosten der Gebrauch der Freiheit hat, wäre nicht schlecht.
dann müssen die fragen auch gleich
andersherum mitgestellt werden. nicht nur die nach den kosten für ein selbst-schädigendes verhalten wie rauchen, die eine solidargemeinschaft mitträgt. wie ist es denn mit den kosten, die durch überangepasstheit an irgendwelche normen und verhaltenserwartungen entstehen? sind in zukunft dann auch magengeschwüre durch ärger mit boss/bossine privatsache? und was machen wir mit der post-natalen depression und deren behandlung auf krankenschein? die ist doch schließlich folge eines privat-vergnügens. und so weiter und so weiter..
nein, richter Masings obiter dictum zielt nicht auf die kostenfrage in zent und juro. sondern darauf, welche schwerwiegenden (auch gesundheitlich schwerwiegenden) folgen eine gesellschaft sich antut, die meint, alles durch ein möglichst restriktives gesetz regeln zu müssen. und damit zielt er auf die frage, wo die allerobersten verfassungsprinzipien bleiben oder verschwinden, wenn gesellschaft sich darauf verläßt, alles durch gesetz regeln zu können und darüber vergisst, dass menschen gewaltfrei ziemlich viel untereinander regeln können, wenn sie nur wollen.
Ja ,wenn...
der Raucher nur sich schädigen würde. Denken Sie mal über passiv rauchen nach. Die Kippen werden ja unter umständen unterm Rauchverbotsschild angebrant! Ich würde diese Rücksichtslosigkeit mit eine Körperverletzungsklage beantworten. Dieses müßte viel häufiger durchgezogen werden!
Grundsatzfrage
Das ist ja die Grundsatzfrage.Wie macht man von seiner Freiheit Gebrauch. Allgemein verbreitet ist heute , dass der Blick auf die anderen schwach bis gar nicht ausgepägt ist. Der Raucher denkt nur an sein Vergnügen, der Nichtraucher interessierte nicht- das hat sich geändert. Aber es gibt tausende andere Fälle, in denen sich reine Selbstbezogenheit zeigt. Nicht auf den anderen sehen, nur auf das eigene Wohl, die eigene Bequemlichkeit schauen.Wieviele Menschen gehen heute /fahren über rote Ampeln ( wenn gerade keine Polizei guckt und das ist ja meistens der Fall) und wenn da Kinder stehen, die das sehen, egal. Fahrradkuriere würden sicher gescholten werden, wenn sie rote Ampeln beachten. Wer darauf hinweist,dem kann es passieren, wie dem Rentner in der Münchner U Bahn.Die Rücksichtlosigkeit machtvoll zu unterbinden, kann zu den von uns auch nicht gewünschten Folgen führen, auf die Richter Masing hinweist. Tugendterror ist eine Gefahr.
Unbehagen
Ich halte nichts von prohibitiven Verboten. Als Nichtraucher von Anfang an geht mir die Diskussion zu weit.Klar hat ein Nichtraucher das Recht vor Qualm geschützt zu werden, jedoch nur soweit das Hausrecht anderer nicht beeinträchtigt wird. Klar hat das Hausrecht dort Grenzen, wo die freie Wahl nicht möglich ist (Arbeitsplatz)Niemand ist gezwungen in die kleine Rauchereckkneipe zu gehen! Niemand hat ein Recht darauf in einer Gastwirtschaft willkommen zu sein, weder Raucher noch Nichtraucher, das bestimmt allein der Wirt. Es sollte nur deutlich am Eingang sichtbar sein, womit man es zu tun hat.Was mich wirklich stört ist das Rauchen im Restaurants, weil da nicht alle gleichzeitig essen, ist Rauchbelästigung unumgänglich, das empfinden auch viele Raucher so.Man sollte hier auf alte Traditionen zurückgreifen und für Raucher den Umzug in einen gemütlichen "Salon" anbieten, wo die fröhliche Runde fortgesetzt werden kann.Aber letztlich gilt auch hier das Hausrecht.Alles andere geht den Staat nichts an! Wo kämen wir denn hin, wenn hinsichtlich des menschlichen Verhaltens alles verboten wäre, was der jeweils individuellen Schwäche entspricht? Und wo bitte schön soll da die Grenze gezogen werden? Letztlich läßt sich doch fast jede Schwäche als "schädlich" für die Gesellschaft definieren. Hier ist letztlich nur Willkür und Bevormundung möglich!Was hier wirklich passiert ist die Einteilung in "gute" und "schlechte" Laster, eine massive Entsolidarisierung der Gesellschaft, die nicht bereit ist die Freiheit und damit auch Schwächen anderer zu tollerieren. So jedenfalls stelle ich mir die unmenschlichste aller Gesellschaften vor, man könnte auch sagen eine Diktatur der kleinkarierten Spießigkeit!Wenn man bedenkt, dass das Verfassungsgericht ein totales Rauchverbot angeblich ausdrücklich für möglich erklärt hat, frage ich mich, welchen Stellenwert das Verfassungsgericht dem Verfassungsrecht auf Freiheit und Eigentum noch beimißt.Berthold Grabe
So sieht Freiheit wohl dann aus
http://www.n-tv.de/Nach_d...