Interessante Leute halten sich im Schatten des Kaukasuskrieges in Istanbul auf. Diese Woche ist es der sudanesische Präsident Omar al-Bashir, der vom Internationalen Strafgerichtshof wegen Völkermordes gesucht wird. Die Türkei hat den Vertrag über den Gerichtshof nicht unterzeichnet, deshalb kann Bashir ungehindert am Bosporus den Türkei-Afrika-Gipfel besuchen. Er ist nicht der einzige vom Westen Geächtete und Beargwöhnte, der visafrei in die Türkei reisen darf.
Vor einer Woche besuchte der iranische Präsident das östlichste Nato-Land. In Istanbul, der einstigen Hauptstadt des Kalifen, traf der Iraner die türkische Staatsspitze und betete in der erhabenen Blauen Moschee. Vor ihm besuchte Syriens Diktator Baschar al-Assad die türkische Ägäisküste. Mit Sonnenbrillen bewehrt begrüßten Regierungschef Tayyip Erdogan und seine Frau das Ehepaar Assad bei 25 Grad Wassertemperatur im Badeort Bodrum.
Diese Besuche reimen sich zu einer neuen Politik der Türkei im Mittleren Osten. Lange Zeit war die Republik Türkei in der Region isoliert, verachtet oder gefürchtet. Heute spricht die türkische Führung mit allen Potentaten der Region und ist überall gern gesehen. Die Türkei wandelt sich vom Nato-Frontstaat zum Dolmetscher. Welche Ziele stehen hinter der neuen türkischen Politik? Und sind diese am Ende gut oder schlecht für Europa und die Nato?
Mahmud Ahmadineschad hat lange um die Türken geworben, bis er kommen durfte. Der iranische Führer will die Türkei aus dem westlichen Bündnis herausbrechen, sie zumindest neutralisieren. Er sandte aus Istanbul Fernsehbilder in die Welt, die signalisieren: Ein allseits "anerkannter" islamischer Herrscher kniet unter dem Gewölbe einer der weltberühmten Moscheen von Istanbul - im einstigen Konstantinopel, wo vor nicht langer Zeit der Papst gebetet und die Nato ihre Gipfel zelebriert hat.
Doch auch die Türken haben den Mann nicht nur zu einem Glas Tee eingeladen. Seit Jahren pflegen sie das Verhältnis zur iranischen Führung mit plüschigen Treffen in Teheran und Baku. Drei große Themen verbinden sie mit Iran. Die größte Einigkeit besteht in der kurdischen Frage. Seit mehr als einem Jahr arbeiten die iranische und türkische Armee eng zusammen, um kurdische Guerilla- und Terrorgruppen auszuschalten – mit einigem Erfolg. Für Europa wichtig sind vor allem die türkisch-iranischen Energieprojekte. Nach Russland ist Iran der zweitgrößte Erdgasversorger der schnell wachsenden Türkei. Auch wenn beim Ahmadineschad-Besuch kein Vertrag zustande kam, verhandeln Ankara und Teheran weiter über Milliardeninvestitionen: türkische Förderung auf iranischen Feldern, eine neue Pipeline, die weiter bis nach Mitteleuropa gehen soll.
Bleibt noch das iranische Nuklearprogramm. Hört man sich im Premiersamt und im Außenministerium in Ankara um, fürchten auch die Türken eine mögliche iranische Atomwaffe. Ankara sorgt sich weniger um einen Angriff als um das Gleichgewicht der heute ähnlich starken Länder Iran, Türkei und Saudi-Arabien, das dann zerbräche. Doch einen Krieg gegen Iran lehnen die Türken strikt ab. Ihnen steckt noch der Irakkrieg in den Knochen, der ihnen einen Nachbarn im Chaos beschert hat. Nach dem Kaukasuskrieg kommt Georgien dazu. Deshalb reden sie mit Ahmadineschad und versuchen, zwischen Iran und dem Westen zu übersetzen.
Kommentare
Wenn sich die eurpäische
Wenn sich die eurpäische Union ähnlich um die Türkei kümmern würde, wie um unsere neuen Mitgliedsstaaten im Osten, bräuchte man nicht zu Fragen. Die Türkei als ehemalige Weltmacht muß auf sich selbst schauen um über die Runden zu kommen und Sie macht das offensichtlich ganz gut.
Die Globalisierung und der Rohstoffhunger schafft, unabhängig der religiösen und politischen Ausrichtungen, den Zwang miteinander zu reden, Abkommen und Wirtschaftsabkommen zu treffen. Die Türkei hat als Nahtstelle zwischen den Kontinenten gute Karten an den Glanz früherer Zeiten anzuknüpfen.
Zetti
ganz klar
Zitat:
"Die türkische Regierung pflegt offen Kontakte zu Politikern, die im Westen geächtet sind. Warum macht die Türkei das?"
Die Antwort auf diese Frage ist so einfach wie naheliegend - weil der "Westen", entgegen seiner Selbstwahrnehmung, längst nicht mehr das Maß aller Dinge ist.
Wenn die USA und die EU-Staaten im Schlepptau beschließen, dass Ahmedinejad ein zu ächtendender Paria sei, dann mag das für den Geltungsbereich dieser Länder gelten (mehr oder weniger). Da in dieser Weltgegend auch die größten Medienkonzerne sitzen, vermitteln die von ihnen verbreiteten Nachrichten den Eindruck, die Ratschlüsse des "Westen" entsprächen dem Weltwillen, wenn es denn je so etwas geben sollte. Das aber ist eine klassische Selbsttäuschung, die im Internetzeitalter auch für jeden Interessierten schnell offenbar wird.
Um beim Beispiel Iran zu bleiben. Wenn die USA/EU die Drähte kappen, dann pflegt Teheran eben seine Beziehungen nach Ankara, Moskau, Peking, Kuala Lumpur, Djakarta, Brasilia und Caracas - auch die Inder und Südafrikaner sind nicht abgeneigt...
Tja so ist das halt, wenn die Repräsentanten von 15% der Menschheit glauben, für die übrigen 85% mitentscheiden zu dürfen.
Was die Türkei angeht, so scheint sie eine kluge Ausgleichspolitik zu betreiben. Außerdem macht sie ihre eigene politische Rechnung auf - schließlich wird sie von vielen verwandten Turkvölkern in Asien als Schutzmacht und Vorbild betrachtet.
Eine
Lobenswerte Politik die auch Anerkennung in Westen finden sollte.
Nur mit Verhandeln und Kompromisse können Kriege und Ungereimtheiten abgeschafft werden.
Übrigens was für den Westen ein Schurkenstaat ist, haben nicht die EU oder die USA zu bestimmen.
Was mit mit den Besuch von Gadaffi in Frankreich ?
Hat er nicht mit Sarkozy Verhandelt?
Wurde der Terroristen Beduine nich mit offenen Armen von Herrn Sarkosy empfangen?
Türkei: Brücke zwischen Ost und West
Die Türkei war schon immer eine Brücke zwischen den Kontinenten, den Kulturen und den Systemen. Warum verwundert es den Westen, das die Türkei als Dolmetscher zwischen Ost und West erfolgreich ist ? Schließlich verstehen die Türken sowohl den kapitalistisch-demokratischen Westen als auch den islamisch-potentatischen Osten.
@Pentagram: Danke für den Hinweis mit Gaddafi und Sarkozy.
Massenmörder wie Bush gehen doch auch in europäischen Ländern ein und aus wie es Ihnen gefällt. Und die Besuche von Merkel beim saudischen Königshaus, das nicht einmal Frauen das Auto fahren gestattet, sprechen eine klare Sprache.
Also: (...) die Türken machen lassen - Die werden das Kind (Ahmadinedschad) schon schaukeln !
(...entfernt. Bitte achten Sie auf Ihre Wortwahl und gehen Sie mit Bezeichnungen wie "Massenmörder" sorgsam um. Die Redaktion/jk)