ZEIT ONLINE:
Wie alt sind Sie, Herr Well?
Hans Well:
Ich bin 55.
ZEIT ONLINE:
Glauben Sie, dass Sie noch erleben werden, dass die CSU in Bayern ihre absolute Mehrheit verliert?
Well:
Je jünger ich war, desto stärker war mein Glauben daran, das noch erleben zu können.
ZEIT ONLINE:
Was ist das Erfolgsgeheimnis der CSU?
Well:
Die CSU hat es in den Jahrzehnten ihrer Alleinregierung geschafft, sich mit dem Land Bayern gleichzusetzen. Alles, was schön ist in Bayern, ist CSU. Sie müssen nur auf die Plakate schauen, die jetzt überall hängen. Da heißt es: Sommer, Sonne, Bayern.
ZEIT ONLINE:
Aber Bayern ist doch wirklich sehr schön. In die Berge fährt man in Urlaub, in München wollen alle wohnen.
Well:
Das hat alles die CSU gemacht! Die Urlaubsgebiete wie das herrliche Fünfseenland, wo ich herkomme. Oder die Boomregionen wie München oder Freising, wohin die ganzen Subventionen fließen. Aber es gibt auch das andere Bayern. Da schaut es ganz trist und trübe aus. Etwa die Randgebiete in Franken oder im Bayerischen Wald mit hoher Arbeitslosigkeit. Das ist dann nicht mehr CSU. Oder die Tatsache, dass rund um die Kernkraftwerke, die die CSU so schön findet, die Leukämieraten erhöht sind. Oder die Schulpolitik. Meine Tochter schlägt sich gerade mit dem verkürzten Gymnasium herum, das Stoiber in Hauruckmanier eingeführt hatte. Pisa-Sieger sehen anders aus.
ZEIT ONLINE:
Trotzdem ist die CSU immer wiedergewählt worden.
Well:
Wer anständig ist in Bayern, wählt CSU, hat kürzlich Ministerpräsident Beckstein gemeint. Das sagt ein evangelischer Franke, der durch unappetitliche Sprüche gegen Ausländer in dieser Amigo-Lobbypartei groß geworden ist, die momentan mit der Wiedereinführung der von ihnen selbst abgeschafften Pendlerpauschale wirbt.
ZEIT ONLINE:
Stimmt es denn nicht, dass die CSU Bayern vom armen Agrarland zum wohlhabenden Hightech-Staat gemacht hat, wo Laptop und Lederhose ideal zusammenpassen?
Well:
Ich will der CSU beileibe nicht alles absprechen. Aber vieles an ihrer angeblichen Traditionsverbundenheit ist doch nur Schminke. In Wirklichkeit läuft es so, wie beim Kloster Kaltenbrunn am Tegernsee, einem Baudenkmal erster Güte in traumhafter Lage. Das Kloster ist 1250 Jahre alt, hat die Hunnen und die Säkularisation überstanden, aber die CSU beinahe nicht. Das Kloster gehört heute dem Baulöwen Schörghuber. Der will daraus einen Wellness-Hotelklotz machen. Weil er das Geld hat, das die CSU-Oberen und -Unteren anlockt wie die Motten das Licht, hat es alle Genehmigungen gegeben. Das Denkmalschutzamt, das ja auch zur Regierung gehört, ist Sturm gelaufen dagegen, ohne Erfolg. Jetzt erst ist der Ausbau gestoppt worden, durch den Mut von ein paar engagierten Leuten, die vor Gericht gezogen sind. Das Bayerische Verfassungsgericht hat nichts anderes machen können, als das Projekt zu kippen. Solche Fälle gibt es zu Tausenden. Nur gehen sie meist nicht gut aus.
Kommentare
Nix Neis net
Vorsicht Leute von der Redaktion:FC 1860 ist sowas wie Schalke 05.Das entwertet den ganzen Artikel.Der übrigens genauso schon 1976 erscheinen hätte können.Wahrscheinlich gab es ihn beim Spiegel oder so.(Anmerkung: Vielen Dank für Ihren Hinweis, wir haben den Fehler korrigiert. Die Redaktion/jk)
Ein weiteres Beispiel gefällig?
In Regensburg wurde eine Baugenehmigung erteilt zum Umbau des Fürstlichen Schlosses in ein Luxushotel - mit(!) Zustimmung der Obersten Denkmalbehörde. Die Gesamtanlage St. Emmeram blickt auf eine 1000 jährige Geschichte zurück und ist heute Kernbereich des WELTERBES des MENSCHHEIT. Egal.Der Link führt u.a. zum <a target="_blank" href="http://aktionboss.de/waru...">WORTLAUT des erwähnten Urteils des Bayerischen Verfassungsgerichshofs</a>. Sehr aufschlussreich.
Zu dem konkreten Fall kann ich natürlich nix sagen
der Charme von Bayern bestand aber auch stets darin zu keinem Museum zu erstarren (wie zB die Schweizer mit ihrem Alphorn-Folklorismus) aber auch nicht einfach alles abzureißen (wie zB die Norddeutschen das mit ihren Städten getan haben). Nein. Das Oktoberfest zB ist ein an sich traditionseiches Fest wo man auch in Tracht nicht auffällt, wo aber die modernsten Fahrgeschäfte zu finden sind und sich die ganze Welt zum Feiern und zur Gaudi trifft. Da kann man nun Purist sein und sagen dass ist doch eine Verramschung der bayrischen Kultur.. ja gut, aber ohne diese "Verramschung" gäbs die Wiesn halt nicht mehr weil außer Rentnern halt keiner mehr hin ginge und aus dem vormaligen Volksfest ein Ausflugsziel für Kaffeefahrten geworden wäre. Oder typisches Beispiel Neuschwanstein, natürlich ist es Kitsch wie das Schloß vom Kini vermarktet wird aber ja mei.. dennoch lernen so jedes Jahr Millionen von Besuchern aus aller Welt die bayrische Bergwelt und allerlei mehr kennen. Hat eben alles zwei Seiten.So ists mit vielen.. und ganz ehrlich, wenn ein Hotelier ein Gebäude behutsam saniert und nutzt - so dass alles Erbe geschützt wird und nach Auszug des Hotels das Gebäude wieder in den Zustand davor versetzt werden kann - dann hab ich garnix dagegen, im Gegenteil. So bleibt das Gebäude mit Leben erfüllt.Museen haben wir genug.