ZEIT ONLINE : Herr Herrmann, welche "Killerspiele" haben Sie gespielt, um zu der Überzeugung zu gelangen, dass diese verboten werden müssen?
Joachim Herrmann : Ich spiele sie selbst nicht, aber ich habe sie mir intensiv angeschaut. Ich bin erschrocken, wie der Spieler zu brutaler Gewalt animiert wird. Er wird ja selbst sozusagen zum Schwerkriminellen und bringt andere um, um zu Geld zu kommen oder um Punkte zu sammeln. Je grausamer der Mord, umso höher die Punktzahl. Das brauchen wir nicht. Solche Spiele sind unerträglich.
ZEIT ONLINE : Sie sprechen offenbar von der Spiele-Serie Grand Theft Auto . Der aktuelle Teil ist ab 18 Jahren freigegeben. Warum sollen Erwachsene nicht solche Spiele spielen dürfen?
Herrmann : Ich kann von einem Kinobetreiber erwarten, dass er tatsächlich nur 18-Jährige ins Kino lässt. Wenn es aber um Computerspiele geht, ist das anders. Wenn ein 18-Jähriger ein Spiel in der Hand hat, gibt er es am nächsten Tag an 17-, 16- und 15-Jährige weiter. Ich glaube nicht, dass es in unserer freiheitlichen Gesellschaft einen Anspruch auf solche Computerspiele gibt. Der Schutz der Kinder und Jugendlichen muss Vorrang haben. Es geht ja nicht um das Spielen allein. Es gibt zahlreiche Untersuchungen, die eindeutig belegen: Je intensiver sich Jugendliche mit solchen Spielen beschäftigen, desto größer ist die Gefahr, dass sie das auch in der Realität nachahmen.
ZEIT ONLINE : Medienforscher sind sich in der Frage aber noch immer nicht einig.
Herrmann : Der Kriminologe Christian Pfeiffer hat bei unserer Expertenrunde in Berlin entsprechende Belege aus seinen und anderen Studien vorgelegt. Natürlich wird nicht jeder Spieler ein Gewalttäter. Aber wenn Spiele auch nur zu einem bestimmten Prozentsatz ein höheres Maß an Jugendgewalt auslösen, dann ist das Grund genug, sie zu verbieten. In anderen Bereichen haben wir auch klare Verbote, ich denke an Kinderpornografie.
Kommentare
Was nicht sein darf kann nicht sein
Das ist kein Credo was in der Realität funktioniert. Ist aber kein Privileg der CSU, ähnliches beobachtet man ja bei allen Parteien. Die einzige echte Konsequenz ist, das ganze verlagert sich ins Ausland wo es gar keiner Kontrolle mehr unterliegt und ist noch viel leichter als jetzt für Minderjährige erreichbar. Software und Spiele werden bereits verstärkt ganz ohne Datenträger nur per Internet-Download vertrieben, spart schließlich erhebliche Kosten was sich auch für den Kunden in Form von niedrigeren Preisen lohnt. Das heißt aber auch dass ich meinen Server aufstell wo es solche Gesetze nicht gibt und die deutsche oder meinetwegen europäische Politik kann rein gar nichts tun. Und es ist technologisch selbst mit Filtern etc. nicht möglich sowas komplett zu unterbinden. Selbst in China, wo rund 100.000 Zensoren das Internet rund um die Uhr zusätzlich zu den ganzen automatischen Filtern überwachen, schlüpfen ständig unerwünschte Informationen durch. Also selbst eine neue STASI wäre hier auf verlorenem Posten. Staatliche Allmacht ist heute mehr denn je eine Hybris. Besser wär es einmal mehr an den Ursachen von Gewalt zu arbeiten. Ein ausgeglichener Jugendlicher wird auch durch ein Ballerspiel kein Gewaltmonster.
Mehr als beschämend!
In wissenschaftssoziologischen Lehrbüchern liest man regelmäßig, dass moderne Gesellschaften lernfähig, adaptiv sind. Wenn man sich dann die immer wiederkehrende, leidige Diskussion um die Computerspiele vor Augen ruft, könnte man an obiger Aussage zweifeln. Zahllose Studien und ein fast internationaler, "außerdeutscher" Konsens belegen die positiven, geistige und intellektuelle Fähigkeiten erweiternden Wirkungen von Computerspielen. Ich selbst kenne zahllose "potentielle Massenmörder", die seit Jahrzehnten alle möglichen Spiele spielen, seltsamerweise aber noch nicht ansatzweise eine Neigung zu "tatsächlichem Massenmord" gezeigt haben und sogar bei rot an der Fußgängerampel stehenbleiben. Das in Deutschland "umstrittene" GTA IV wird von einem ewiggestrigen, völlig ahnungslosen bayerischen Politiker beschimpft, während es selbst in der New York Times als beinahe moderne Kunst glorifiziert wird. Sonderbar. Mit Verlaub: ich bin versucht, der New York Times größeren Glauben zu schenken.
Nochmal zu obiger Aussage: bei Lichte betrachtet verliert das anfängliche statement, das Gesellschaften lernfähig sind, durchaus nicht an Wert. Im Gegenteil: Lernprozesse werden blockiert, strategisch umgedeutet. Genau dies geschieht im Hinblick auf Computerspiele: es handelt sich dabei um den klassischen Sündenbock, ein bequemes Instrument der Ausweichargumentation, welches besagten Politiker von der Bürde des Nachdenkens über die tatsächlichen Ursachen von Gewalt (soziale Deprivation, Perspektivlosigkeit etc.) ein wenig befreit. Aber gerade dies ist für eine sich fortschrittlich nennende, "lernfähige" Gesellschaft mehr als beschämend.
Total Weltfremd.
1. Welches Spiele kinder spielen, liegt immer noch in Elternhand (zumindest sollte es so sein). Wenn Eltern ihren Kindern erlauben solche Gewaltverherlichende Spiele zu spielen, dann soll es auch so sein. Erwachsenen jetzt auch solche Spiele zu verbieten, nimmt einem das Recht auf Selbstbestimmung.
2. Diese Spiele haben mittlerweile ihren festen Stammplatz in der Jugend! Ein Verbot würde die Beschaffung nur kriminalisieren und einen großen teil der Jugendlchen zu kriminellen machen.
Auch ich habe solche Spiele gespielt meistens auf kleineren LAN Parties mit Freunden. Und meine Erfahrung ist folgende.: Das spielen macht Spass! Aber nach einem kurzem Höhepunkt, reduziert sich die Spieldauer wieder, da man andere Interessen entwickelt. Wenn dann ein Job oder ein Studium auf einen zu kommt, bekommt man sehr schnell mit, das für so etwas keine Zeit mehr ist und die Spieldauer reduziert sich drastisch.Und extra zeit für das Spielen einplanen? Nein danke.
Diesen Werdegang nehmen so ziemlich 99,9% aller Spieler, die solche gewaltverherlichenden Spiele spielen.
little by little we gave you everything you ever dreamed of
kleine Korrektur bzw. abweichende Erfahrung
Mit Deiner Argumentation gehe ich grundsätzlich konform, war aber etwas stutzig ob Deiner "sequentiellen" Darstellung der Nutzung von Computerspielen: Du schreibst, dass mit zunehmendem Alter, insbesondere mit dem Einstieg ins Studium bzw. in den Job die Nutzungsdauer zurückgeht. Ich kann dies weder in Bezug auf meinen Freundes- und Bekanntenkreis noch im Hinblick auf meine Beobachtungen (Deutschland, USA, Brasilien) bestätigen. Hier in Deutschland ist das Durchschnittsalter für gewisse Genre (Rollenspiele, Echtzeitstrategie, Adventure) mittlerweile schon bei über 30. Und bei den meisten mir bekannten Spielern hat die Intensität während des Studiums eher zugenommen und sich teilweise auch in den Job "hinübergerettet". Ich selbst bin 28, arbeite und habe promoviert und spiele erst seit wenigen Jahren - allerdings mit ständig steigender Intensität und Begeisterung. Dies liegt, plausiblerweise, auch daran, dass die technischen Möglichkeiten exponentiell steigen, viele Titel wesentlich eindrucksvoller gestaltet sind und generell der Zugang heute etwas einfacher als in den Neunzigern ist. Das Fernsehen fällt als Alternative zunehmend aus und ein gutes Buch ist neben einem anspruchsvollem Spiel die einzige wirkliche Herausforderung. Daraus leite ich eine teilweise andere Problemwahrnehmung ab: ich denke, die klassische - und vor 10 Jahren vielleicht eher angemessene - Assoziation zwischen (Computer-)Spiel und Kind wird zunehmend obsolet. Die meisten Titel sind nicht für Kinder und Jugendliche gemacht, sondern sprechen explizit Erwachsene an. Dies sollte in der Diskussion nicht vergessen werden.
Ich spiele nun seit vielen Jahren Shooter (oder "Killerspiele", wie diverse bayrische Politiker das nennen), auch einige ziemlich brutale. Aber mir ist bisher noch kein Shooter untergekommen, bei dem für die Tötung eines Gegenspielers Punkte vergeben werden, geschweige denn mehr Punkte für eine brutalere Art des Tötens. Herr Herrmann scheint da ein wenig zu fantasieren.Eine andere Ungereimtheit: Herr Herrmann vergleicht Spiele mit Kinofilmen und sagt, dass es für Jugendliche nicht möglich ist, in einen Film ab 18 zu gehen, sie aber sehr leicht an "Killerspiele" kommen, da 18-jährige die Spiele an Minderjährige weitergeben. Warum stellt Herr Herrmann nicht den Vergleich zu Film-DVDs auf? Die können nämlich genauso wie Spiele von 18-jährigen an Minderjährige weitergegeben werden; die Situation ist also die gleiche und rechtfertigt damit kein härteres Vorgehen gegen Spiele als gegen Filme.
doch, gibts
"Aber mir ist bisher noch kein Shooter untergekommen, bei dem für die
Tötung eines Gegenspielers Punkte vergeben werden, geschweige denn mehr
Punkte für eine brutalere Art des Tötens. Herr Herrmann scheint da ein
wenig zu fantasieren."Manhunt