Wer keine Werbung sehen will, braucht das nicht zu tun. Auf dem Briefkasten hilft ein Appell an den Postboten. Beim Privatfernsehen das Umschalten. Und im Internet lassen sich Banner und alles, was sonst noch ungewollt ins Bild ragt, ebenso einfach vertreiben. Zum Beispiel mit dem Firefox-Add-on Adblock Plus. Das blendet sogar die kleinen Textanzeigen aus, die auf der rechten Seite der Google-Suche erscheinen.
Noch sind es gerade 5 Prozent der Firefox-User, die wiederum an die 20 Prozent der Internetnutzer ausmachen, also insgesamt 1 Prozent der User, die lieber über blank geputzte Seiten surfen. Wer es einmal probiert hat, wundert sich, warum es nur so wenige sind. Zumal das Installieren etwa beim neuen Firefox mit wenigen Klicks erledigt ist. Man lädt das Programm und abonniert eine Liste aller bekannten Werbeelemente. Das Programm hindert sie dann beim Seitenaufruf am Hochladen.
Derzeit wird das Add-on in der Woche über 500.000 Mal heruntergeladen, Tendenz: nicht exponentiell, aber doch deutlich steigend . Schaut man sich die Active Daily Users an, hat sich die Benutzerzahl im letzten Jahr immerhin mehr als verdreifacht. "Irgendwann werden es genug sein, sodass die Verluste für die Unternehmen empfindlich sind," glaubt Vladimir Palant. Der 28-jährige Softwareentwickler aus Köln hat die Adblock-Plus-Software in Heimarbeit programmiert. Ihm liegen derzeit eher kleinere Webseite-Betreiber in den Ohren, die sich von Adblock um ihre Finanzierungsquelle betrogen sehen. "Für die Großen ist Adblock Plus eigentlich noch zu unbedeutend", vermutet Palant.
Tatsächlich kann dem, der mit Werbung sein Geld verdient, die Entwicklung nicht gefallen. In Branchenkreisen kursieren Zahlen, denen zufolge manche Onlinemedien Umsatzeinbußen von bis zu 25 Prozent hinnehmen müssen. Verursacht durch Surfer, die Pop-Ups und Banner blocken. Und es wird vermutlich nicht lange dauern, bis jemand auch für den neuen Google-Browser Chrome ein ähnliches Add-on entwickelt. "Wir selbst werden das bestimmt nicht tun", sagt Google-Sprecher Stefan Keuchel. Aber Google wird das auch nicht unterbinden. "Wer Werbung unbedingt wegblenden will, der wird schließlich auch niemals draufklicken, wenn man sie ihm aufzwingt", sagt Keuchel.
Dass man sich über Werbeblocker sogar künftig vor Gericht wird streiten müssen, prognostizierte der Harvard-Professor John Palfrey . Der Direktor des Berkman Center für Internet und Gesellschaft stellte diese Prognose allerdings bereits vor einem Jahr. Bislang gibt es kaum Reaktionen auf die Aktivitäten von Blockierern. Ein Blogger namens Jack Lewis hat immerhin schon einmal vorgeführt, wie eine Reaktion aussehen kann: Er sperrt Blocker einfach aus . Klickt man seine Beiträge an, zeigt er Surfern mit Adblock Plus die rote – beziehungsweise leere - Karte.
Große Medienunternehmen oder Google äußern sich bislang dazu kaum in der Öffentlichkeit, auch wenn hier theoretisch hohe Umsätze auf dem Spiel stehen. "Vielleicht wollen sie es lieber vermeiden, für das Thema Adblocking Aufmerksamkeit zu erzeugen", vermutet der Nürnberger Internet-Werbeexperte Mario Fischer. Immerhin ein Statement wagt Holger Fischbuch, Leiter Electronic Media der Financial Times Deutschland : "Wer Adblocker einsetzt, missachtet die Spielregeln des Netzes: dass hochwertige Inhalte kostenlos zur Verfügung gestellt werden – finanziert durch Werbung." Die Musik- und Filmindustrie sensibilisiere die Nutzer bereits für den Wert von Inhalten wie Filme und Musik und appelliere an einen fairen Umgang. "Die Medienunternehmen sollten diesem Beispiel folgen", sagt Fischbuch.
Kommentare
Halt, halt!
Na, mal etwas langsamer mit den Gäulen!
> Immerhin ein Statement wagt Holger Fischbuch, Leiter Electronic Media der
> Financial Times Deutschland: „Wer Adblocker einsetzt, missachtet die Spiel-
> regeln des Netzes: dass hochwertige Inhalte kostenlos zur Verfügung ge-
> stellt werden – finanziert durch Werbung.“
"Die Spielregeln" des Netzes definiert kein Holger Fischbuch oder sonst ein Einzelner oder eine Einzelgruppe. Und einfach nur zu meinen, die Regeln der alten, analogen Welt in die neue zu übertragen, um dort die Millionen (vermeintlich) scheffeln zu können - das hat sich schon in der dot-com-Blase als offensichtliche Irrung von ökonomischen Traumtänzern erwiesen.
Wer heute angesichts des allgegenwärtigen Web 2.0-Hypes nun Morgenluft schnuppert und erneut mit antiquarischen Geschäftsmodellen auf den Markt drängt (wie es für den Autor und den Herrn Fischbuch wohl einzig möglich zu sein scheint) der wird sich wieder eine blutige Nase holen müssen. Und das wieder und wieder - bis sie begreifen, dass die neue Ökonomie des Internets anders tickt.
Die neue Ökonomie basiert auf teilhabe und ist weitgehend frei von künstlichen Schranken. Ich als Benutzer bestimme, was auf meinem Computer und meinem Bildschirm stattfindet. Kurz: In dieser neuen Ökonomie haben erzwungen-aufdringliche Inhalte keinen Platz mehr. Entweder gehen Inhalte mit dem Interesse des Lesers/Nutzers oder sie werden "auf die billigen Plätze des Internet-Präkariats verwiesen", wo dumme Nutzer mit dummer, bevormundender Software dumme Sachen machen. Aber die Dynamik des Internets basiert auf Teilhabe - und sei es in Form einer Kommentar-Funktion auf der Seite einer deutschen Wochenzeitung :-)
Und noch etwas: Die Geschäftsmodelle der neuen Internet-Ökonomie sind noch nicht wirklich weit entwickelt (dot-com hat eben mehrere "10.000 Wege heraus gefunden, wie es nicht funktioniert" :-) ). Daher gibt es noch unglaublich viel zu entdecken und auszuprobieren. Ein Erfolgsrezept scheint mir aber zu sein, dass man Authentizität, Aufrichtigkeit bei den Preisen/Kosten präsentiert und den Nutzern neben den reinen Inhalten einen Mehrwert im "sozialen Miteinander" präsentiert. Wenn Menschen dann vertrauen in das Angebot und den Anbieter fassen, ERST DANN kann man sie fragen, ob und inwieweit sie auch Werbung akzeptieren.
Wer sich weiter gehend informieren möchte, dem sei das Buch Wikinomics empfohlen.
Grüße,
F. Mayer
Wenn ich Zeitung lese wedelt ja auch nicht die ganze Zeit einer mit seiner Werbung vor der Nase herum. Da wackelt auch keine Anzeige wie ein Hampelmann hin und her und springt mir ein unsinniges Filmchen alle 10 Sekunden vor die Nase. Wie eine seriöse Zeitung ihre online Seiten mit dieser Art Werbung füllen kann, bleibt mir ein Rätsel. Wer blinkt oder blinkende Werbung seinen Lesern oder Kunden zumutet, hat keinen Respekt vor seinen Lesern und Kunden.
Der Adblocker war überfällig um dieses unmögliche Benehmen zu unterbinden.
Ganz genau - wenn die Werber sich an gewisse Spielregeln halten wuerden, die Werbung also nur ein Angebot NEBEN, unter oder ueber dem Text waere, wenn emailadressen, einmal bekannt, nicht gnadenlos vollgespammt wuerden - dann wuerde sich kein Mensch dagegen zu wehren versuchen. Wenn ich ein durch Werbung finanziertes konstenloses Anzeigenblaettchen lese, kann ich, alles was mich nicht betrifft ja auch uberblaettern und bin nicht gezwungen es zu lesen. Es ueberlagert nicht den eigentlichen Text wie ein Popup.
Auf den Punkt gebracht
"Wer es einmal probiert hat, wundert sich, warum es nur so wenige sind."
Diese Frage habe ich mir wirklich sehr oft gestellt. Schon allein auf "ZEIT Online" gehen einem die Banner und blinkenden Werbetexte derart auf die nerven, dass ich Onlineangebote überhaupt nicht nutzen würde, wenn ich die Werbung nicht ausblenden könnte. Die Behauptung, gute Inhalte seien nur durch Werbung umsetzbar, ist absurd. Für den besten Browser, FireFox, bezahle ich auch nichts und muss keine Werbung über mich ergehen lassen. Freeware dominiert das Web.
Generell halte ich das Thema Marketing und besonders Bannerwerbung für überbewertet. Das trifft aber genauso auf Radio- und TV-Werbung zu.
"Freeware" vs. "Open Source"
Für viele Windows-Nutzer mag es wie Haarspalterei klingen, aber:
Wer einmal den Unterschied zwischen Freeware und "freier Software bzw. open source software" begriffen hat, dem rollen sich das nächste mal die Fußnägel hoch, wenn Freeware gesagt und open source gemeint ist:
Freeware ist i.d.R. nur umsonst wie die Kosmetik-Probe, die dazu anregen soll, danach die teure Packung zu kaufen - und oft mit dem Nachteil verbunden, von der (dann nicht mehr free-) Ware abhängig zu werden.
Open Source gibt dem Nutzer Rechte und vollständigen Einblick in das, was tatsächlich in dem Produkt geschieht. Mit diesen weit gehenden Rechten ist der Nutzer ist tatsächlich frei, das Programm so zu nutzen, wie es für ihn am besten ist. Er bleibt frei in seiner Entscheidung, vielleicht am nächsten Tag alles anders zu machen - und er ist nicht vom Wohlwollen eines Herstellers abhängig. Er kann den Source nehmen und etwas ganz anders daraus machen.
Freie Software ist eben frei im Sinne von Freiheit und nicht im Sinne von Freibier.
In diesem Sinne,
F. Mayer
"Freeware dominiert das
"Freeware dominiert das Web." Aber noch nicht den Journalismus. Und das ist auch gut so. Eine gute Medienlandschaft braucht professionelle Journalisten und Redaktionen, die wissen, was sie tun und die nötige Infrastruktur im Hintergrund haben, um die "vierte Gewalt im Staat" zu sein.
Ich denke, das Problem der Werbeblocker wird sich anders lösen. Als das Internet aufkam und alle Zeitungen und Zeitschriften über Werbeinbuße klagten, haben sie ihre Redaktionen verkleinert und Kosten gesenkt. (Einige haben im gleichen Zuge ihr Produkt überdacht und es verbessert. Zum Beispiel Die ZEIT. Manche sind teurer geworden.) Nun sind die meisten Zeitungen wieder auf dem grünen Zweig - obwohl sich die Print-Werbewirtschaft nie richtig erholt hat.
Nun ist also das Internet dran. Entweder wird sich die Werbung anpassen, die nicht mehr so aufdringlich den User in die Nutzung von Werbeblockern treibt (mich übrigens auch). Oder die Vertriebsmodelle werden sich anpassen. Wenn Werbefinanzierung nicht mehr funktioniert, muss man für ZEIT online in Zukunft vielleicht bezahlen. Ein paar Euro im Monat, dafür ohne Werbung? Ich wäre sofort dabei!