Klaus ist Anfang dreißig. Er hat im Leben dieses und jenes ausprobiert, jetzt aber hat er seine erste Stelle angetreten – als Lehrer in Berlin. Berliner Lehrer bekommen neuerdings, als Berufsanfänger, erstes Jahr, rund 3850 Euro brutto. Billy, seine Frau, ist ein paar Jahre älter als er und hat aus einer früheren Beziehung die Tochter Sarah. Billy arbeitet ebenfalls als Pädagogin, allerdings an der Uni, sie bekommt dort nur 2800 brutto.
Morgens liest Klaus meistens die Zeitung (Durchschnittsverdienst der Jungredakteure: 2800), vor der Arbeit geht er noch schnell zu seinem Bankberater (1900), nachmittags hat er einen Termin beim Steuerberater (3300). Mit dem Architekten (3000) telefoniert er kurz über den geplanten Hausumbau. Sein Bruder, der seine Laufbahn als Systemberater (2500) aufgegeben hat und kürzlich Universitätsprofessor geworden ist (3600), kommt zum Kaffee. Sie reden über die Kinder – was die alles brauchen! Sven, der Jüngste, geht neuerdings zum Logopäden (2100), um die pubertierende Sarah kümmern sich, wegen ihres Drogenproblems, ein Sozialpädagoge (2700) und ein Erzieher (1800). Wenigstens geht es den alten Eltern gut, dank des netten Altenpflegers (1600).
Schon lustig, diese Gehaltsunterschiede, sagt Klaus, über die Gründe dafür würde ich gern mal mit einem Soziologen (2400) reden. Sein Bruder lacht, nee, du, da würde ich eher einen Theologen (2900) fragen. Ach, fragt Klaus, was macht ihr eigentlich heute Abend? Tanzkurs, antwortet der Bruder, der Tanzlehrer (1700) ist echt super. Wir gehen in die Oper, sagt Klaus, zu diesem aufregenden neuen Dirigenten (2300). Der Regisseur (2400) soll aber auch ganz gut sein.
Klaus leidet unter dem sozialen Neid, der ihm oft entgegenschlägt. Aber er kann nichts dafür, dass er gut verdient, es ist halt das Gesetz von Angebot und Nachfrage. Weißt du, sagt Klaus zu seinem Bruder, sozial entspannen kann ich mich eigentlich nur bei dem jungen Urologen (7000), den ich neuerdings brauche. Oder, so verrückt es klingt, im Flugzeug (Piloten: 4750). Man muss, bei allem Neid, berücksichtigen, dass mein Gehalt als Lehrer im Laufe meines Lebens kaum noch steigen wird. Auch hat meine Leistung so gut wie keinen Einfluss auf mein Gehalt. Ich fange finanziell, verglichen mit anderen, wahnsinnig weit oben an, dann aber stagniere ich. Außerdem ist es völlig egal, ob ich gut oder schlecht arbeite. Stagnation wird psychologisch als Niedergang wahrgenommen, verstehst du? Das scheinbar großzügige Berliner System der Lehrerentlohnung ist in Wahrheit eine Autobahn Richtung Depression (Psychotherapeuten: 2800).
Kommentare
Eine Frage
zum besseren Vergleich: ist der junge Lehrer verbeamtet oder angestellt?
MfG
Sepp
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Die Welt hat genug für jedermanns Bedürfnisse, aber nicht für jedermanns Gier.
(Mahatma Gandhi)
Wenn verbeamtet, dann ist das Mitleid natürlich um so größer!!!
Im Ernst: Der Lehrerberuf zählt zu den besonders gut vergüteten im Öffentlichen Dienst.
Besonders ernüchternd finde ich immer den Vergleich zwischen Gymnasial- und Hochschullehrern.
Nicht nur Lehrer
In jedem Bereich sind die Lohn- und Gehaltsunterschiede teils sehr immens zwischen Nord und Süd. Dass dies sich kaum rumgesprochen hat ist wohl der deutschen Mentalität zu verdanken die regionale Unterschiede, abgesehen von Folklore oder Ost-West, nicht zur Kenntnis nimmt. So heißt es bei allem Gejammer ja auch immer gleich "Das DEUTSCHE Schulsystem" - obwohl es sowas nicht gibt, Ländersache und je nach Land unterschiedlicher Qualität. So ist es eben auch bei Arbeitsbedingungen und Bezahlung.
Für mich als Bayer nur gut, wir haben schon genug Zugereiste hier. Wenn man sich überlegt dass es in Bayern derzeit 330.000 Arbeitslose gibt und allein seit 1990 über 1 Million Menschen neu nach Bayern zugezogen sind aus dem deutschen Ausland dann bekommt man einen Eindruck dafür welche Belastung dieser Zuzug auf den hiesigen Arbeitsmarkt ausübt. Was für den berliner Lehrer ein Vorteil und Zugewinn sein mag ist für den hiesigen Lehrer ein Problem - er bekommt signalisiert dass genug vor der Tür stehen und auf eine Stelle warten, er ersetzbar ist wenn er nicht spurt. Das ist nämlich die andere Seite, und auch hier findet man das nicht nur bei Lehrern sondern auch in der restlichen Wirtschaft überall. Norddeutsche sind Niedriglohnarbeiter, traurig aber wahr.
Da grummelt der Bayer
wegen der Zugereisten? Das macht den antidebilen Schutzwall um Bayern doch nun wirklich notwendig! Da kommen Jahr für Jahr die besten und mobilsten Angehörigen zivilisierter deutscher Völker in die südlichen Berge, um die dort geistig und kulturell Darbenden mit modernen Dienstleistungen zu versorgen, und was kommt von denen zurück? Das ist, um mit Prinz Hamlet zu sinnieren, die Schmach, die Unwert schweigendem Verdienst erweist ...
lustig
wußte gar nicht, daß junge urologen so gut verdienen. und stimmt es tatsächlich, daß in bährlien die lehrer jetzt mehr als die
uniprofs verdienen. das ist ja auch lustig.