Die Positionen und Versprechen im Wahlkampf schienen glasklar zu sein. Barack Obama erklärte viele Methoden des damaligen Präsidenten George W. Bush im Kampf gegen den Terror für rechtswidrig. Das Gefangenenlager Guantánamo nannte er eine Schande und kündigte an, es zu schließen. Er griff die Politik an, Terrorverdächtigen in US-Gewahrsam außerhalb der USA die juristischen Einspruchsmöglichkeiten zu verweigern, und sprach empört über Versuche Bushs, die Verfahren wegen eventueller Rechtsbrüche durch Staatsbedienstete zu verhindern, indem er für sie das "executive privilege" beanspruchte. In der Praxis bedeutet das die Verhinderung von Gerichtsverfahren, weil sie Staatsgeheimnisse bedrohen würden, die einen höheren Rang im nationalen Interesse einnehmen.
Seit Obama Präsident ist, sind die Signale doppeldeutig. Er stoppte die umstrittenen Verfahren gegen Terrorangeklagte vor Militärtribunalen in Guantánamo. Er ordnete die Ausarbeitung eines Plans an, wie das Gefängnis innerhalb eines Jahres geschlossen werden könnte. Am vergangenen Freitag durfte mit dem britischen Staatsbürger Binyam Mohammed der erste Guantánamo-Gefangene seit Obamas Amtsantritt den Komplex auf dem kubanischen US-Stützpunkt verlassen. Er wurde an britische Behörden übergeben. Die USA hatten ihm vorgeworfen, er plane einen Anschlag mit einer radioaktiven "schmutzigen Bombe", kamen aber schon im Oktober zum Schluss, dass sie keine ausreichenden Beweise haben.
Ähnlichkeiten mit Bush
In den jüngsten Tagen häufen sich jedoch Hinweise, dass Obamas Anti-Terror-Politik am Ende Bush-ähnlicher ausfallen könnte als erwartet. An seinem zweiten Amtstag hatte der neue Präsident einen Sachbericht über die Zustände in Guantánamo in Auftrag gegeben. Offiziell soll er in dieser Woche bekannt gemacht werden. Nach Informationen der "New York Times" kommt der Bericht zu dem Schluss, die Haftbedingungen stünden im Einklang mit den Genfer Konventionen. Und er legt die Warnung nahe, bei einer Schließung Guantánamos und der Verlegung der Insassen in andere Gefängnisse könnten sich ihre Lebensverhältnisse verschlechtern.
Autor des Berichts ist Admiral Patrick Walsh, Vizechef der Navy-Operationen, in deren Verantwortungsbereich der Marinestützpunkt Guantánamo fällt. In dem Report geht Walsh Vorwürfen von Menschenrechtsverletzungen nach wie Einzelhaft oder Zwangsernährung von Gefangenen im Hungerstreik und macht Vorschläge für praktische Verbesserungen im Alltag, voran erleichterte Begegnung und Kommunikation der Insassen. Auffallend ist die Wortwahl. Wo Guantánamo-Kritiker von Isolationshaft reden, formuliert der Bericht, die Gefangenen seien "in Zellen mit Einzelbelegung" untergebracht. Sie hätten in der Regel die Gelegenheit zu einer Stunde Kommunikation mit anderen Insassen.
Kritik von Menschenrechtsorganisationen
Der Bericht stößt bei Bürgerrechtsorganisationen auf Misstrauen. Rechtsanwältin Gitanjali Gutierrez, die Gefangene vertritt, sagt, seit dem Regierungswechsel habe es keine Verbesserungen in Guantánamo gegeben. Andere argwöhnen, Obamas Regierung bereite eine Debatte vor, die zur längeren Beibehaltung Guantánamos führen solle.
Kommentare
Trickkiste
Der Begriff Wahlkampfrhetorik sollte ja noch hinreichend aus der Hessenwahl bekannt sein. Es konnte doch niemand ernsthaft glauben, dass Obama ein Hausmittel gegen die Realität erfunden hat.
Weils so schön ist, weise ich auch mal auf die Kennedyvergleiche hin, in der Vorwahlzeit. Unter dem gings in Vietnam ja erst richtig zur Sache.
Wenn denn schon die Idee, eine sog. "schmutzige Bombe"...
...herzustellen, ein Grund ist, Menschen zu verhaften, sie unter grässlichsten Bedingungen zu entwürdigen, dann frage ich mich doch, weshalb Amerikaner, die DU-Ammunition verschiessen, ebenso wie Israelis und Engländer nicht wegen Freisetzung schmutziger Bömbchen bestraft werden.
DU steht für "Depleted Uranium", also abgereichertes Uran mit dem die Geschosse dieser Munition extra zwecks Erhöhung ihrer Durchschlagskraft gehärtet werden.
Im Kosovo, im Irak, im Libanonkrieg, im jüngsten...noch andauernden...Gazafeldzug wurden solche Geschosse zu Tausenden verwendet. Die damit kontaminierte Umgebung bleibt auf unendlich lange Zeit strahlend zurück. Die teilweise verheerenden Auswirkungen auf z.B. die Kinder derer, die damit kontaminiert wurden, sind zwar umstritten, aber sowohl im Irak, wie auch im Kosovo häufen sich die Geburten missgebildeter Kinder von Müttern die der Strahlung aus dieser Munition ausgestzt wurden.
http://de.wikipedia.org/w...
http://angryscientist.wor...
Bei den Neugeborenen von amerikanischen Veteranen häufen sich die Missbildungen durch verändertes Erbgut.
http://www.newsatelier.de...
Wie katastrophal die Auswirkungen dieser schmutzigen Munition sind, berichtet der deutsche Tropenarzt und Epidemiologe Dr. Siegwart-Horst Günther.
http://gedankeneineskrank...
Die Weltöffentlichkeit sollte an Präsident Obama apellieren, den Einsatz dieser furchtbaren Waffen definitiv zu unterbinden.
Vermutlich
haben es Guantanamo - Häftlinge besser als zu Hause.
Sinneswandel
Vielleicht haben ja Nachrichten aus der echten Welt die Ideale ins Wanken gebracht. Hier ein Zitat aus der NYT:
"Problems have also developed with efforts to rehabilitate former jihadists, some of whom had been imprisoned at Guantánamo. Nine graduates of a Saudi program have been arrested for rejoining terrorist groups, Saudi officials said Monday."
Auch uns sollte dies eine Warnung sein - falls noch jemand meint, wir müßten der Welt moralisch vorangaloppieren und Guantanamo-Häftlinge bei uns unterbringen.
Sinneswandel
Obama ist ja nicht dumm. Er wird sich wohl vorher auch schon Gedanken gemacht haben. Die Gefangenen in den US-Lagern dürften wohl unterschiedlich sein: Unschuldige, die mit dem Terror nichts zu tun haben. Mitläufer. Potentielle Terroristen. Widerstandskämpfer. Terroristen. Anstifter. Etc. Anscheinend ist den US-Behörden aber nicht ganz klar, wer zu welcher Gruppe gehört. Die Akten bzgl. der Gefangenen sind über verschiedene US-Behörden verstreut. Deswegen ja schon das Problem überhaupt klar zu sehen, wen man da alles an Gefangenen hat.
Die Bush-Regierung war anscheinend auch von einer beliebig langen Weiterführung der Lager ohne formelle 'rechtsstaatliche' Anklage ausgegangen. Die zaghaften Versuche mit Sondergerichten zu Urteilen zu kommen hat ja wohl nicht einmal das Militär selbst besonders überzeugt.
Was allerdings klar sein sollte, die USA haben bei keinem Insassen irgendwelche Sympathiepunkte gewinnen können. Warum sollte sich das bei einer Freilassung ändern. Wer ohne 'rechtstaatliche' Feststellung für mehrere Jahre unter harten Bedingungen (inkl. Folter) in einem US-Lager gefangen gehalten wurde, der wird hinterher kein US-Anhänger sein. Anderes zu glauben wäre naiv. Die USA werden den Gefangenen entweder ein ordentliches Verfahren geben. Die freigesprochenen und die vorher schon freigelassenen Gefangenen stellen natürlich eine Gefahr für die USA da. Alleine schon, wenn die Gefangenen nach Hause kommen und ihre Geschichten erzählen.
Da müssen sich die USA schon etwas einfallen lassen. Abfindungen. Etc.
Die USA haben sich da einiges an Problemen aufgehalst (z.B. durch die Geheimlager, Verschleppungen, Folter, Willkürakte, ...) - die Frage ist, ob es da einen Weg heraus gibt...
Falls es durch Obama's Aktionen 'Sicherheitsprobleme' gibt, dann wird er sehr schnell entzaubert sein. Die USA sind ja nicht über Nacht zur Taube geworden. Die Geheimdienste sind immer noch da, der militärisch-industriell-politische Komplex ist immer noch da, die Kriege laufen noch, die Gefängnisse sind noch da, etc.
Wenn wir denn Änderungen sehen werden, dann wird das eher ein Prozess sein, der über einen längeren Zeitraum abläuft. Obama hat für Guantanamo den Zeitraum von einem Jahr bis zur Schliessung genannt. Ich bin gespannt, was die USA in einem Jahr hinbekommen.