Jürgen Fenske ist unruhig. Der Vorstandschef der Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) läuft im Kölner Ratsaal auf und ab. Er ist 20 Minuten zu früh und der erste Mann im Raum. Immer wieder blickt er zur Besuchertribüne, hinauf zu den Kameras und Reportern. In den nächsten Stunden, das scheint er selbst zu wissen, wird viel von ihm erwartet. Der Kölner Stadtrat findet zu einer Sondersitzung wegen des eingestürzten Stadtarchivs zusammen, und Fenske muss aufklären.
Ein 17-Jähriger ist bei dem Unglück in der vergangenen Woche ums Leben gekommen, nach dem zweiten Vermissten wird noch immer gesucht. 60 Personen haben kein Zuhause mehr. Sie leben in Notunterkünften, Hotels oder bei Verwandten. Sie haben ihr Hab und Gut verloren. Von dem kostbaren Archivgut konnte bisher nach Angaben der Stadt nur etwa 20 Prozent gerettet werden.
Bis heute weiß niemand, warum das Stadtarchiv überhaupt einstürzte. Eigentlich wollten sich die KVB dazu nicht mehr äußern, um so nach eigenen Angaben die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zu erleichtern. Doch die Geheimhalte-Taktik heizte die Spekulationen um Fehler beim U-Bahn-Bau erst richtig an. Fast täglich gelangten neue Vorwürfe an die Öffentlichkeit: ignorierte Warnungen wegen Rissen in Gebäude-Kellern, ausgeschlagene Expertenempfehlungen zu weiteren Gutachten, fehlende Bodenproben nach dem Tunnelbau und Probleme mit dem Grundwasser im U-Bahn-Schacht.
Zu diesen Vorwürfen soll der KVB-Chef nun Stellung nehmen. Die Wahrheit soll er sagen. Nach Beileidsbekundungen für die Opfer des Unglücks flüchtet Fenske sich aber in mehrdeutige Aussagen. Man habe alle "notwendigen Gutachten" erstellen lassen, sagt er. Weitere Gutachten seien nicht erforderlich gewesen. "Die Baufirmen haben keine Probleme gemeldet", sagt er zu den Grundwasser-Vorwürfen und gibt damit die Krisenparole seines Unternehmens vor: "Die KVB konnten keine Kenntnis von Problemen haben."
Das sehen die Baufirmen freilich anders. Egal ob Bilfinger Berger, Wayss + Freytag oder Züblin – jedes der beteiligten Unternehmen verwies in der vergangenen Woche auf die Verantwortung der KVB. Die kennt Vorstandschef Fenske auch. Er gibt zu, dass sein Unternehmen an vielen Stellen des U-Bahn-Projekts für die Bauüberwachung zuständig ist. Unter anderem auch am Waidmarkt, dem Ort des Unglücks. Wer wobei genau wen kontrollieren muss, lässt er im Unklaren. Nur der Staatsanwalt wird das wohl noch aufdecken können.
Viel mehr zu den Ursachen sagen die Verkehrsbetriebe auch an diesem Tag nicht. "Ich gebe zu, dass ich nicht bei jedem Punkt absolut fit bin", sagt Fenske, der erst Anfang Januar als KVB-Chef nach Köln kam. Um das Projekt insgesamt nicht zu gefährden, will er nun weitere Gutachten erstellen lassen, den Grundwasserpegel viermal täglich messen und manche Bauarbeiten vorübergehend einstellen. Vor allem an den Streckenabschnitten, wo Erde ausgehoben oder gebohrt wird. Sicherheitsverstärkende Betonfundamente sollen auch in den nächsten Tagen gegossen werden.
Kommentare
Lokale Berichterstattung
Die lokale Berichterstattung fällt anders aus. Die Auseinandersetzung unter Wahlkampfgesichtspunkten wird als sehr zurückhaltend beurteilt. (Filz- und Klüngelargumente bereits einbezogen).
Vielleicht steht die Ursache aber wirklich noch nicht fest, trotz Beteiligung der Politik. Ohne Politik geht so ein Bauvorhaben sowieso nicht. Ist die dann immer schuld, wenn es es ein Unglück gibt? Eine Bauausführung gibt es schließlich auch noch.
Allerdings am Umgang mit der Situation kann man wohl Kritik üben. Ich denke, es liegt am Schock über das Geschehene, an "nur" 2 zu Tode gekommenen Menschen und der geübten Gleichgültigkeit gegenüber Gebäudeschäden und deren Nachteile für die Bewohner. Ausserdem der Gleichgültigkeit gegenüber dem Inhalt des zusammengestürzten Gebäudes, welcher nur bei Festveranstaltungen mit entsprechender Beleuchtung eine Wichtigkeit erfährt.
"Lokale Berichterstattung..."
Lieber TDU, Sie wundern sich, dass die "Auseinandersetzung unter Wahlkampfgesichtspunkten" als "sehr zurückhaltend beurteilt" wird...?
Nun, das ist insofern kein Wunder, als das es eine freie Presse in Köln nicht gibt. Köln hat ein Pressemonopol. Der Verlag Du Mont hat alle ehemals freien Zeitungen einkassiert und besitzt große Anteile an lokalen Rundfunk- und Fernsehsendern (Radio Köln, Center TV, etc.)... Da Mr. Du Mont (dessen Verlegerfamilie nach dem 2. Weltkrig von den Alliierten eigentlich keine Lizenz erhalten sollte weil sein Blättchen"Kölnische Zeitung" stramm auf brauner Parteilinie lag) selbst seine Finger tief (da wo´s schmutzig wird) im Baugeschäft (Oppenheim-Esch-Fond) und damit zwangsläufig in der Kommunalpolitik hat, dürfte die Berichterstattung seiner Presseprodukte mit äußerster Vorsicht zu genießen sein...
Lesen Sie besser "die Zeit" und vergessen Sie Kölner Lokalzeitungen..
Nun, wie mein Vorkommentator
schon bemerkte:
"Vielleicht steht die Ursache aber wirklich noch nicht fest"
aber so zu tun, als gab es nicht einen Hinweis auf solche etwaige Szenarien, das halte ich an sich für die eigentliche Lüge.
Im Zuge der Bauarbeiten war es in den vergangenen Jahren immer wieder zu Rissen und anderen Veränderungen an Gebäuden (die Risse waren breiter als der Daumen eines Sumo-Ringers) entlang der ca. 4 Kilometer langen U-Bahn-Trasse gekommen.
Bereits 2004 hatte der Turm der St. Johann Baptist Kirche (ebenfalls Severinstraße) sich um dramatische 70 Zentimeter geneigt und musste aufwendig stabilisiert werden.
Selbst wenn sich bei einem auf der Wiese gebauten Einfamilienhaus Setzungsrisse zeigen, weiss selbst der einfache Maurer, auch ohne Studium in Statik, das mit der Bodenplatte, de facto dem Untergrund was im Argen ist.
Und das wollen Statiker oder Spezialisten nicht bemerkt haben, seit nunmehr 5 Jahren nach diesen Ereignissen (denn es kamen noch mehr hinzu)?
Wers glaubt...
Klar
In meinem Satz, die haben den Bürger und sich selbst an die Schäden gewöhnt. Die Standsicherheit des Gebäudes war aber nicht das Problem.
Keiner will schuld sein
Bei einer solchen Katastrophe ist es immer sehr schwer, eine oder mehrere Ursachen exakt zu benennen. Meist ist es ein Zusammenspiel von mehreren Komponenten, die hier zu nennen wären, U-Bahnbau und schlechter Bauuntergrund sind sicher nicht wegzudiskutieren, aber ein Argument habe ich noch nicht gehört:
Das Material in derartigen Archiven hat ein enormes Gewicht.
Wer hat die Baustatik des Gebäudes mit dem Gewicht des untergebrachten Archivmaterials abgeglichen und war dies rein baurechtlich zu verantworten? Wer besitzt hierzu Daten und in welchem Beamtenbüro sitzen die Verantwortlichen, die solche Fragen beantworten können?
Das Gewicht des Bauwerks wurde bei den Berechnungen berücksichtigt.
Kölner Stadtrat mit nur 3 Parteien....
diesen Eindruck vermittelt zumindest dieser Beitrag. Es gab aber noch eine Wortmeldung der Fraktion Pro Köln, die ich persönlich sehr gut fand. Bedeutet Journalismus, Parteien die in den Redaktionen nicht genehm sind, einfach zu verschweigen? Schade.
Gewohnheit
Ist schon Gewohnheit. Ein Argument von denen übernommen, und man ist Nazi. Nicht nur im Stadtrat (bsp. Moscheebau), sondern auch im Privatleben. Da die also nichts zu bestimmen haben, vergisst man, dass die da sind. Deren grundsätzliche Auffassungen teile ich nicht, aber ein Dankeschön für die Erinnerung.