ZEIT ONLINE: Herr Eckart, überrascht Sie der Bericht des Roten Kreuzes, nachdem amerikanische Ärzte in Guantánamo aktiv an Folter beteiligt waren?
Wolfgang U. Eckart: Überhaupt nicht. Folter gehört zur Tradition der USA im Umgang mit ihren Gefangenen in Terrorkriegen. In den CIA-Ausbildungslagern in Mittelamerika wurden in den sechziger Jahren sogar Ausbildungshandbücher zur Folter verteilt, die nach dem Vietnam-Krieg aktualisiert wurden. Darin steht, wie man von Gefangenen Informationen abpressen kann. Aus der jüngsten Vergangenheit kennt man die Folterskandale im irakischen Abu-Ghraib-Gefängnis, und schon das wenige, was aus dem Gefangenenlager Guantánamo auf Kuba bekannt ist, belehrt uns eines Schlechteren.
ZEIT ONLINE: Ist Folter etwa spezifisch amerikanisch?
Wolfgang U. Eckart: Aus vielen Demokratien gibt es Hinweise, dass sie dort bisweilen immer noch von Polizei oder Militär angewandt wird – etwa in Südamerika oder in Israel. Man darf nicht vergessen: Folter ist in den meisten nicht-demokratischen Ländern gängige Praxis. Die Geschichte der Folter ist alt. Sichere Zeugnisse liegen bereits aus der römischen Kaiserzeit vor, in der zum Beispiel auf dem Equuleus, einer strickleiterartigen Vorrichtung, der Körper des armen Opfers gestreckt, gepeitscht, gebrannt und gedrosselt wurde. Gleichzeitig war das Foltern auch immer schon geächtet. Die Kritik an ihr ist so alt wie die Folter selbst. Schon in der Antike und im Mittelalter gab es Menschen, die sich kritisch damit auseinander gesetzt haben. Sonst wüssten wir heute nicht so viel darüber.
ZEIT ONLINE: Neben den jetzt ins Blickfeld geratenen Ärzten haben sich auch andere Menschen – zum Beispiel die CIA-Mitarbeiter in Guantánamo – der Folter schuldig gemacht. Muss man hier mit zweierlei Maß messen, weil Ärzte der Ethik in besonderer Weise verpflichtet sind?
Wolfgang U. Eckart: Um gut und nachhaltig zu foltern, benötigt man immer einen Arzt. Folter macht nämlich nur Sinn, wenn man sie fortsetzen und steigern kann und das Opfer nicht sofort tötet. In der frühen Neuzeit waren die Folterknechte oft selbst medizinisch geschult. Sie konnten die Knochen selbst wieder einrenken, um sie später erneut auszurenken. Je subtiler die Methoden der Folter sind – etwa durch den Einsatz von Drogen – desto eher braucht man Mediziner, die sich damit auskennen.
Immerhin können Mediziner Opfer mitunter am Leben halten, die sonst sofort – ohne medizinische Betreuung – sterben oder verbluten würden. Etwa indem sie auf lebenswichtige Organe hinweisen.
Kommentare
Folter darf Niemals als Selbstverständlich Angesehen werden
In diesem Interwiev wird nur die Moralische verfehlung eines Arztes dargestellt der sich im Recht fühlt und die Handlungen auf Höhere macht reduziert.
Vielleicht wird ja jetzt mein Kommentar zum Rot Kreuz Bericht jetzt ein wenig anders gesehen. Und was der Fachmann hier mitteilt erschliesst sich einem beim Studium der Geschichte sogar ab den zweiten Weltkrieg. Franco, die griechische Militärherrschaft, bis in die 1970iger wurde da gefoltert.
"Es kann sein, dass manche Mediziner später mal foltern müssen, sagt er und ich sage, je mehr sie auf sich gestellt sind, um so schwerer wird es für sie sein zu widerstehen.
Obama würde es nicht Folter nennen.
Die Entscheidung darüber, was Folter und was noch eine legale Verhörmethode ist, wurde im Senat von Demokraten und Republikanern gleichermaßen festgelegt. Dabei fragte man sich: wenn ein Terrorist Wissen über einen Anschlag etc. hat, der Dutzende - oder wie bei 9/11 Tausende - Menschen töten könnte, wie weit kann man beim Verhör gehen. Was ist noch legal? Die Grenze wurde bei Methoden wie "Waterboarding" gezogen. Wenn man z.B. an den Finalen Rettungsschuss denkt, bei dem alleine eine Person in Lebensgefahr sein muss, damit er freigegeben werden kann bzw. bei akuter Gefahr natürlich auch von dem Polizisten eigenmächtig beschlossen werden kann, dann setzt sich diese Methode vielleicht auch für den größten Amerika-Hasser in eine Perspektive.
Demokraten und Republikaner haben also dort die Grenze zur Illegalität, also zur Folter gezogen.
Also wurde in Guantanamo nicht gefoltert - auch wenn das "Menschenrechtsorganisationen" naturgemäß anders sehen (müssen).
Und dass nicht gefoltert wurde, müsste auch Obama - wenn er ehrlich ist, so sagen.
Schlüsse aus Ihrer Aussage
Somit wurde in Nazi-Deutschland auch nicht gefoltert (wenn wir davon ausgehen, dass dort diese Praktiken als normale Verhörmethoden angeordnet wurden)?
Man merkt, ich stimme Ihnen nicht zu, kann es nicht. Es gibt eine UN-Konvention (UN-Antifolterkonvention), in der beschrieben ist, was Folter bedeutet.
Interessant in diesem Zusammenhang ist IMHO, dass Folter in Deutschland mittelbar legalisiert werden soll: die Aussagen von Gefangenen, die aus Folterländern stammen, sollen als Geständnisse bernommen werden, wenn es keinen Beweis für eine Folter gibt - für fehlenden Beweise werden diese Länder schon aus Eigennutz sorgen...
Pornographie
Das Foto, hundertausendfach reproduziert, ist Pornographie und sollte entsprechend behandelt werden. Die 'Haeftlinge' in dem Käfig sitzen nicht, sondern wurden in diese Position gezwungen, mit Handschellen, Gasmaske und Mundschutz. Zur Erinnerung: auf Kuba herrschen das ganze Jahr über etwa 32 Grad bei 80 Luftfeuchtigkeit.
Das Foto eignet sich übrigens nicht dazu, das Thema Folter oder politische Folter zu illustrieren. Es beschreibt einen Akt reiner Erniedrigung.
Dieses Foto, andere aus Guantanamo und der Abu Guraib Skandal haben die Reputation der USA als Demokratie nachhaltig beschädigt. Der Krieg gegen den Terror (von Secretary of State Hillary Clinton vor der Afghanistan Konferenz in Den Haag letzte Woche für beendet erklärt) wurde von G. W. Bush übrigens verloren, als die Ereignisse in Abu Guraib bekannt wurden. Was mit zum Teil homosexuellen Erniedrigungen angerichtet wurde, läßt sich im 'Westen' nur schwer erklären. Ein frühes direkt auf Abu Guraib zurückzuführendes Opfer war übrigens Nicholas Berg vor genau 5 Jahren.