16 Wissenschaftler der Universität Göttingen sollen Publikationslisten gefälscht haben, um Millionen an Fördermitteln für ihre Forschung zu erschleichen. Diese Meldung verursachte am Wochenende in der deutschen Wissenschaftsszene Aufsehen. Am Montag gestand die Uni ein, dass ihre Wissenschaftler tatsächlich einen Antrag auf die Fortsetzung eines mit mehreren Millionen Euro dotierten Sonderforschungsbereiches manipuliert haben. "Die Universität bedauert, dass durch einzelne ihrer Mitglieder die Regeln guter wissenschaftlicher Praxis durch Falschangaben verletzt wurden", erklärte Präsident Kurt von Figura. Die 16 Forscher müssen sich jetzt vor einer Untersuchungskommission der Universität verantworten. Auch die Staatsanwaltschaft ermittelt.
Bei einem Graduiertenkolleg, das von der gleichen Forschergruppe geleitet wird, prüft die Uni derzeit ebenfalls, ob die Wissenschaftler für einen Antrag Publikationslisten fälschten. Womöglich haben die Forscher zudem Fördergelder für andere Aufgaben abgezweigt. Auch das untersucht eine Unikommission.
Stein des Anstoßes sind Vorgänge rund um den Sonderforschungsbereich (SFB) 552. Seit dem Jahr 2000 untersuchen Göttinger Biologen und Ökonomen im Rahmen dieses Projekts, wie sich der Regenwald in Indonesien durch Klimawandel und Eingriffe von Menschen ändert. Zweimal hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) die Förderung des Vorhabens bereits verlängert. In diesem Jahr beantragten die Forscher eine weitere Finanzierung in Höhe von 8,6 Millionen Euro für die kommenden drei Jahre.
Um die Qualität des Vorhabens zu begutachten, reisten im Februar DFG-Gutachter nach Göttingen. Sie prüften dabei auch die Publikationen, die aus dem SFB hervorgehen. Neben den veröffentlichten Werken sollten die Forscher auch Manuskripte angeben, die sie bereits bei Verlagen eingereicht haben, die aber noch nicht gedruckt sind. "Relativ schnell" sei den Gutachtern aufgefallen, dass mit der Liste der eingereichten Manuskripte etwas nicht stimme, hieß es gestern sowohl aus der DFG als auch aus Göttingen. Bei vier Titeln sei in Wahrheit nicht ein einziger Satz zu Papier gebracht worden. Bei vielen anderen "war der Arbeitsfortschritt in der Realität deutlich geringer als angegeben", hieß es unisono. Bei den 16 Wissenschaftlern handele es sich um Professoren und Post-Doktoranden. Insgesamt arbeiten 50 Forscher in dem Sonderforschungsbereich.
Göttingens Präsident Kurt von Figura erklärte, die Uni gehe von "16 Einzelfällen" aus. Was kann das bedeuten? Frisierten die Wissenschaftler unabhängig voneinander ihre eigenen Publikationslisten? Oder gingen sie gemeinsam vor? Zu hören war gestern, dass Forscher sich wohl durchaus zusammentaten. Bei vielen der beanstandeten Titel waren mehrere Forscher als Ko-Autoren angegeben.
Kommentare
Banker, Manger und Wissenschaftler
Passt doch gut zu diesem Artikel:
Die Anzahl der Publikationen war/ist eben wichtiger als die Arbeit/ das Projekt selbst.
nicht ganz korrekt
nicht die pure anzahl, sondern die "wertigkeit" (=kumulierte impact punkte) der publikationen ist entscheidend. und mit junk science kommt man eher selten durch den review-prozess bei nature/science/cell/PNAS etc. (wenn man etwas wirklich neues macht ist's aber auch nicht gerade einfacher ...)
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Essentially, all models are wrong, but some are useful. george e.p. box
Wenn die 50 Wissenschaftler nun mangels Geld
nichts mehr für den Regenwald tun können, schlage ich vor, dass Zumwinkel sich der Sache annimmt - ganz so schlau wie die 50 zusammen ist er ja vielleicht nicht, aber dafür hat er auch 20 Millionen zur Verfügung stat der beantragten 8,6.
Find's nicht weiter tragisch...
Schade, dass die Wissenschaftler aufgeflogen sind - an sich hätte ich es ihnen gegönnt, mit dem ,,Erschleichen der Fördermillionen" durchzukommen, zumal die Anforderungen für Fördergelder manchmal wirklich zweifelhaft sind und das Geld ja hier einem guten Zwecke zugedacht war.
Fälschung ?
Ich wüßte gern genauer, wie die Publikationslisten denn nun wirklich ausgesehen haben. Es ist doch gang und gäbe, auf Publikationslisten Manuskripte anzugeben, die noch nicht erschienen sind. Ein Manuskript, daß vom Journal schon akzeptiert ist, wird als "in press" angegeben, eines, daß erst eingereicht wurde, als "submitted", eines, an dem erst gearbeitet wird, als "in preparation" usw. Bei letzterem wird es dann wirklich etwas esoterisch. Aber ein Gutachter erkennt doch so etwas und weiß, was er davon zu halten hat. Die Göttinger werden doch wohl nicht nicht exisiterende Artikel als angeblich in namhaften Zeitschriften erschienen angegeben haben. Ein Gutachter (der ja Fachmann auf demselben Gebiet sein sollte), kennt doch die Artikel in "Nature", "Science" und die in den spezielleren Zeitschriften aus der "ersten Reihe", die in dem Feld wichtig sind. Und ein erschwindelter Artikel im "Journal of Irrelevant Results" bringt doch für den Antrag sowieso keine Punkte.
Ich vermute, daß die Bezeichnung "Fälschung" hier etwas zu hart ist. Ich nehme an, es handelt sich um eine "Beschönigung".
Und noch ein Rat an die DFG: Wenn sie nur halb so viel Tam-Tam auf die Kontrolle der Verwendung der Mittel und die Abschlußberichterstattung verwenden würde wie auf die Beantragung, würde das enorm zur Glaubwürdigkeit in der Wissenschaft und Effektivität der Förderung beitragen. Im Moment ist es doch so: Zeige dich bei der Beantragung von deiner besten Seite, beeindrucke die Gutachter (die auch wirklich gewissenhaft arbeiten, nach meiner Erfahrung jedenfalls) und mache dann mit dem Geld, worauf du wirklich Lust hast. In den Abschlußbericht schreibst du rein, was schon im Antrag stand (nur jetzt als "erledigt"). Für den Antrag werden internationale Koryphäen eingeladen, die alles auf Herz und Nieren prüfen, der Abschlußbericht wird vom Praktikanten abgeheftet.