Ich arbeite seit zehn Jahren bei einem Versicherungsunternehmen im Innendienst. Auch bei uns macht sich die schlechte Wirtschaftslage bemerkbar. Dementsprechend sinkt die Stimmung in unserer Abteilung parallel mit dem Aktienindex! Seit ein paar Wochen allerdings provozieren sich die Kollegen regelrecht und beleidigen sich gegenseitig. In einer Sitzung, in der die Stimmung wieder sehr aggressiv war, ist unserem Abteilungsleiter der Kragen geplatzt. Er meinte, wenn die Provokationen und Beleidigungen nicht aufhören, hagelt es fristlose Kündigungen. Geht das so einfach?
fragt Sabine Kastener
Sehr geehrte Frau Kastener,
Wer sich am Arbeitsplatz provozieren lässt, lebt gefährlich, denn auf Beleidigungen kann am Ende tatsächlich die fristlose Kündigung folgen.
Wir Juristen sagen: „Eine Beleidigung ist juristisch die nach außen gerichtete Kundgabe der Nichtachtung eines anderen.“ Sie umfasst drei Varianten: man äußert ein beleidigendes Werturteil gegenüber dem Betroffenen; man beschimpft den Betroffenen gegenüber Dritten; man behauptet ehrenrührige Tatsachen gegenüber Dritten.
Grobe Beleidigungen des Arbeitgebers, seiner Vertreter oder anderer Kollegen sind immer als Gründe zur fristlosen Kündigung geeignet. Dabei kommt es jedoch auf viele Faktoren an. Vor allem ist von Bedeutung, ob sich die Handlungsweise des betroffenen Mitarbeiters nachhaltig auf das Betriebsklima auswirkt und die Autorität des Angesprochenen untergräbt. Auch wird der Bildungsstand des Beleidigenden berücksichtigt sowie seine psychische Situation.
Außerdem ist von Bedeutung, ob die Beleidigung während der Arbeit ausgesprochen wurde oder nicht. Denn wer einen anderen während der Arbeitszeit beleidigt, erzielt eine ganz andere Wirkung, als wenn er es in der Freizeit tut.
Zudem werden schriftliche und mündliche Beleidigungen unterschiedlich bewertet. Schriftliche Ausrutscher wiegen schwerer als mündliche, denn wer etwas aufschreibt, denkt in der Regel länger darüber nach und kalkuliert die Wirkung seiner Worte. Mündliche Beleidigungen haben oft auch vor Gericht das Problem, dass sie schwer zu beweisen sind.
Zwei Beispiele:
Eine Bürokraft klagte gegen ihren Arbeitgeber, der ihr wegen grober Beleidigung fristlos gekündigt hatte. Die Frau hatte ihre Vorgesetzte als „blöde Kuh“ beschimpft. Das Landesarbeitsgericht Berlin (Aktenzeichen: 15 Sa 1222/05) erklärte die Kündigung – wie auch die erste Instanz – für unwirksam, da unter den Mitarbeitern ein rauer Umgangston üblich sei, und sie überdies durch die Vorgesetzte provoziert wurde. Für die Richter wäre eine Abmahnung ausreichend gewesen.
Kommentare
Beleidigung durch die Chefin
Es wurde hier der Fall dargestellt, dass ein Arbeitnehmer den/die Chef/in beleidigt und was dies dann für arbeitsrechtliche Konsequenzen haben kann. Mit der Realität der Arbeitswelt hat dieser Fall wenig zu tun.
In Wahrheit läuft es nämlich im Alltag des Arbeitslebens genau umgekehrt: Arbeitnehmer werden von ihren Chefs/Chefinnen beleidigt. Und die unten haben keine Möglichkeit, sich gegen diese Demütigungen zu wehren.
Zum Beispiel mein Fall:
Meine Chefin hat mich als "Schwein" bezeichnet. Vor versammelter Mannschaft. Weil mir ein kleiner Fehler passiert war. Sie ist eine sehr autoritäre und unbeliebte Person.
Wäre es umgekehrt, hätte also ich sie als Schwein bezeichnet, gäbe es arbeitsrechtliche Folgen gegen mich. Ohne jede "Gnade".
Aber welche Möglichkeiten habe ich als Arbeitnehmer, meine Ehre und Würde gegenüber dieser beleidigenden Chefin zu schützen? Auf jeden Fall keine arbeitsrechtlichen. Oder soll ich etwa kündigen? Meinen Arbeitsplatz aufs Spiel setzen? Auf die Arbeitsagentur gehen? HarzIV beantragen?
Ich habe meinen ganzen Mut zusammengenommen und meine Chefin bei der Staatsanwaltschaft wegen Beleidigung angezeigt. Und was ist dabei herausgekommen? Die Frau Staatsanwältin und die Frau Oberstaatsanwältin nahmen die Klage nicht an, weil sie der Meinung waren, es bestünde kein "öffentliches Interesse". Scheinbar zählt die Ehre und Würde eines kleinen Arbeitnehmers nichts.
Dabei hatte ich SCHRIFTLICHE ZEUGENAUSSAGEN von Seiten der Kolleginnen.
So viel zum Thema Gleichheit vor dem Gesetz. Manche sind eben gleicher als die anderen.
Hharry
Beleidigung ist kein Offizialdelikt
"Die Frau Staatsanwältin und die Frau Oberstaatsanwältin nahmen die Klage nicht an, weil sie der Meinung waren, es bestünde kein "öffentliches Interesse". Scheinbar zählt die Ehre und Würde eines kleinen Arbeitnehmers nichts."
Rein strafrechtlich zählt Ihre Ehre und Würde nicht weniger, als die Ihrer Chefin. Wäre der Fall umgekehrt, dass Sie sie beleidigt hätten, hätten die Staatsanwältinen genauso reagiert.
Sie können selbst die Klage wegen Beleidigung erheben, aber dann müssen Sie damit rechnen, dass Ihnen aus sonstigen Gründen gekündigt wird (gestörtes Arbeitsklima o.Ä)---unabhängig davon, ob Sie im Strafprozess Recht bekommen oder nicht. Nur, wenn Sie Recht bekommen, können Sie eine Abfindung erwarten.
Ein schmaler Grad also. Hm, ist der "breiter" als 10°?
Wer frech wird fliegt,
nur der Schlecker nicht.
@ Hharry 2v2
Komisch, dass die Anzeige nicht angenommen wurde.
Meine Anzeige per Fax nach Hannover wurde zumindest bestätigt.
Naja, bei einem so offensichtlichen Fall (steht immer noch online, Screenshot mit im Fax, Identiät über IP ist auch kein Problem, wenn es nicht gerade Holger Voss ist), ist wohl nicht mal ein Prozess nötig, ein Strafbefehl können die da auch so verschicken.
Wenn die ablehnen, kann ein Anwalt evtl. noch Druck machen.
Gerade bei Zeugenaussagen ist ein Ablehnen evtl. sogar ein Vergehen im Amt.
Auch wenn es 5 Jahre her ist, wenn das regelmäßig vorkommt, sollte eine Art "Tagebuch" darüber geführt werden. Wie bei Lärmbelästigung.
Und dann sollte man endlich mal kündigen.
Nach der Kündigung und erhalt des Arbeitszeugnis kann man dann ja eine richtig miese Bewertung bei Yelp, GoLocal, Klicktel etc. reinsetzen. Inkl. ausführlicher Schilderung des Charakters der Chefin mit ihrem Klarnamen! Das ist absolut legal!
Und es wäre echte Zivilcourage. An einer Lichterkette teilnehmen ist in Relation dazu keine "Zivilcourage".
Man, nach so einer Beleidgung inkl. Bestätigung durch die Kollegen sollte man ohne jegliche Sperrfrist beim Arbeitsamt kündigen können. Denn auch wenn man selbst gekündigt hat, "Selbstverschuldet" ist es nicht!
Interessant wäre noch, ob die Kollegen die einem die Beleidigung bezeugen dafür rechtmäßig abgemahnt oder entlassen werden könnten. Schließlich können Arbeitgeber auch entlassen werden, wenn Sie eine Straftat etc. Vergehen der Firma melden.