Manchmal wünscht Offizier Florian Rabert sich, die Menschen in Deutschland nähmen sich ein Beispiel am Vietnamkrieg. "Da wurde der Soldat als solcher nie kritisiert, trotz allem Protest gegen die Kriegseinsätze der USA." In Afghanistan, sagt der 32-Jährige, sei die Lage genau andersherum: Die Deutschen interessierten sich kaum für die problematischen Einsätze der Bundeswehr, "aber der Totenschädelskandal oder wie viel Alkohol im Dienst getrunken wird, das wird dann hochstilisiert", sagt Rabert. "Der Job, den die Soldaten tatsächlich da unten machen müssen, wird ignoriert."
Und dieser Job ist hart. Seit acht Jahren ist die Isaf in Afghanistan stationiert. Ob aber ihre mittlerweile 64.000 Soldaten ausreichen, um die Präsidentschaftswahlen am Donnerstag zu sichern, ist fraglich. Die Taliban versuchen mit immer neuen Anschlägen, die Angst zu schüren. Am Erfolg eben dieser Wahlen muss sich der Einsatz aber messen lassen, ist die Mission doch auch damit beauftragt, die staatliche Ordnung in dem Land wiederherzustellen.
Florian Rabert war ein halbes Jahr in Afghanistan stationiert. Weil er nachrichtendienstlich tätig war, möchte er weder seinen richtigen Namen, noch den genauen Zeitpunkt seines Einsatzes in Kabul veröffentlicht sehen. Von seinem Stützpunkt aus habe er täglich die deutschen und englischsprachigen Medien verfolgt – und war erzürnt. Informationen über die tatsächliche Lage in Afghanistan erreichen Deutschland nicht, sagt er. "Dieses bewusste Herunterspielen und Schönreden des Einsatzes durch die Politik, dieses So-Tun, als ob es nur ein bisschen kriselt – das hat mich schon gewurmt", sagt Rabert.
Über die tatsächlichen Zustände an seinem Einsatzort war er schockiert: "Wir wussten zwar, dass es gefährlich werden kann, aber alles in allem war unser Verständnis, dass wir da unten humanitäre Einsätze schützen würden", sagt Rabert. In Kabul angekommen stellte er allerdings fest, dass von Hilfsorganisationen weit und breit nichts mehr zu sehen war. "Was die offiziellen Quellen in Deutschland vermitteln und die Lage am Ort, das waren zwei komplett verschiedene Welten", sagt Rabert.
Rabert findet es "ärgerlich", wenn Politiker in Deutschland die Lage mit Schlagworten wie "bewaffnetes THW" verharmlosen und am Thema vorbeireden. Dadurch habe die Bevölkerung "natürlich auch kein Verständnis für diesen Einsatz – und auch nicht für die Soldaten".
Das hat die Mehrheit der Deutschen tatsächlich nicht. Statt Unterstützung für die Bundeswehr zu zeigen, reagieren die Menschen mit Ablehnung oder im besten Fall mit Desinteresse, das bestätigt eine Untersuchung des Militärsoziologen Heiko Biehl. Soldaten wie Florian Rabert ernten deshalb als Rückkehrer aus dem Krieg, der nicht Krieg heißen darf, keinen Ruhm, sondern müssen sich nicht selten für ihr Soldat-Sein rechtfertigen.
Die Deutschen wollen den Einsatz in Afghanistan mehrheitlich nicht, und auch dass die Bundeswehr sich seit einigen Jahren von einer Verteidigungs- zu einer "Armee im Einsatz“ wandelt, stößt bei vielen Menschen auf Unverständnis. "Schießen und Sterben sind für die Deutsche Öffentlichkeit noch nicht Routine", schreibt der Journalist und Politikwissenschaftler Eric Chauvistré in seinem Buch Wir Gutkrieger. Eine Diskussion über den Wandel der Bundeswehr werde systematisch blockiert, beispielsweise vom Verteidigungsministerium, das die Streitkräfte gern zur Interventionsarmee wandeln will, aber sich aus Furcht vor der Bevölkerung über den Umbau ausschweigt.
Kommentare
Ist auch zu komisch, wenn Menschen die ihr Geld für den Dienst an der Waffe bekommen auf wenig Gegenliebe stoßen.
Wie heißt's so schön, der erste bekommt den Hof, den zweiten die Kirche und den Abfall der Krieg.
Und dank dem Wehrdienst weiss einfach ein Teil der Bevölkerung, dass eben letzteres den "Beruf" wählt.
Nicht zufällig spricht Rabert
von einem Job.
Es ist ein Unterschied, ob man sein Leben und das seiner Lieben mit der Waffe in der Hand verteidigt, oder ob man es als seinen Job versteht, fremde Länder zu überfallen.
Und selbst bei der Verteidigung stellt sich die Frage, wen oder was man da verteidigt. Seine Kultur, seine Gesetzgebung, die nationalen Gebräuche?
Oder die Interessen der 'Eliten', die sich von den Interessen des Eroberers nur in Nuancen unterscheiden?
Macht es so einen großen Unterschied - von Ausnahmen abgesehen - von wem das Volk kujoniert und geschröpft wird?
Die Völker werden doch ohnehin von den globalen Konzernen ausgeblutet, sollen sie jetzt noch kämpfen wie die Irren, um sich ihren Herren auszusuchen?
Kein Wunder
Über die Ablehnung muss man sich nicht wundern. Die Soldaten, mit denen ich gesprochen habe, klangen auch nicht besonders überzeugt von diesem Einsatz. Im Gegenteil, sie gestehen ein, dass es seitens der Politik kein wirkliches Konzept gibt. Selbst diejenigen, die für die Öffentlichkeitsarbeit an die Schulen kommen (nur in die Oberstufen-Klassen selbstverständlich).
Mit den Soldaten an sich habe ich kein Problem. Sind oft auch sehr sympathische darunter, die wirklich offen über diesen Einsatz sprechen.
die ungeliebte Armee
der Artikel hat mich sehr an meine Gefühle erinnert, die ich hatte, vor über 20 Jahren als Wehrpflichtiger bei der Bundeswehr.... man musste sich rechtfertigen Soldat zu sein... war anders als die meisten und tat etwas, das viel für moralisch verwetflich hielten... das ist wohl der Punkt... wir Deutschen können nicht ungezwungen mit unserem Militär umgehen... vielen ist das offensichtlich peinlich, das dieser Staat Streitkräfte unterhält... die offenkundige Notwendigkeit der Existenz von Miltär zur Selbstverteidung und Wahrung der eigenen Ineteressen geht vielen Deutschen eindeutig ab... Man schämt sich lieber fremd für Opa, der in Stlingrad kämpfte, schlimmer noch in Ausschwitz auf einem Wachturm saß.
... schade eigentlich... ich denke, daß die Frauen und Männer unserer Steritkräfte ebenso Anerkennung verdienen wie Polizisten, Feuerwehrleute, oder auch Sanitätspersonal....
... nur hat sich in den letzten 20 Jahren wohl kaum was geändert, die Bundeswehr ist die ungeliebte Truppe geblieben...
schönen Tag noch
Zum Glück!
Dass wir Deutschen nicht "ungezwungen mit unserem Militär umgehen können" weckt in mir die Hoffnung, dass es doch möglich ist, aus unserer Geschichte ein wenig zu lernen. Denn nach den zwei schlimmsten Kriegen in der Menschheitsgeschichte, die unser Land angefangen hat, ist das ja wohl das Mindestmaß an Skepsis gegenüber jedwedem Militarismus in unserem Land! Schon die Wiederbewaffnung war ein großer politischer und moralischer Fehler! Kein Deutscher sollte jemals wieder die Waffe gegen wen auch immer erheben dürfen!
Seis drum - wenn sich die Bundeswehr ans Grundgesetz halten würde und nicht außerhalb der Landesgrenzen Krieg führen würde, wäre es noch zu ertragen. (Denn die Armee ist in fast allen Ländern der Welt immer auch ein wichtiges Sammelbecken für Ausgegrenzte, Arme und Minderbemittelte , so schmerzlich das auch ist...)
Aber sie wird gerade Stück für Stück zu einer reinen Angriffsarmee umgebaut, die seit dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf Exjugoslawien immer neue Aggresionen begeht.
Wahrscheinlich ist das nur
ein Versuch, im aussichtslosen Kampf gegen Taliban-Guerillas Erfahrung zu gewinnen. Denn wenn Bärtige mal schnell ein Gewehr in die Hand nehmen, um zu schießen, dann wieder als harmlose Passanten vorübergehen, ist die Kontrolle machtlos. Dass es sich um hinterhältige und skrupellose Mentalität handelt ist allerdings unumstritten. Vielleicht wäre allein Guerilla-Taktik (verkleidete Schützen) wirksam...
http://kallewestrich.blog...