Vier Millionen Kameras überwachen die Menschen auf Großbritanniens Straßen auf Schritt und Tritt. Doch zur Aufklärung von Straftaten tragen sie nur in einem von 1000 Fällen bei. Denn die aufgenommenen Szenen schauen sich selten kompetente Beamte an, berichtet die britische Zeitung Daily Telegraph. "CCTV" (Closed Circuit Television) sei vor allem deshalb ineffizient, weil die Aufnahmen oft gar nicht gesichtet oder nur von ungeschultem Personal bearbeitet würden. Das geht laut Telegraph aus einem internen Bericht hervor, den die britische Polizei aufgrund des Informationsfreiheitsgesetzes veröffentlichen musste.
Jedes Jahr gebe es inzwischen rund 100 Beschwerden aus der Bevölkerung darüber, dass die Polizei vorhandene Aufnahmen nicht nutze, um Verdächtige zu identifizieren und festzunehmen. Das generell hohe Vertrauen und die Erwartungen der Bürger in CCTV seien enttäuscht worden, schreibt der Verfasser des Berichts, Ermittler Mick Neville. Den Londonern werde regelmäßig gesagt, dass sie 300 Mal am Tag von Kameras erfasst würden – doch nach einer Straftat erkläre die Polizei oft, die Kameras seien nicht eingeschaltet gewesen.
Kriminalkommissar Michael McNally, der den Bericht in Auftrag gab, gestand ein, es gebe "einige Sorgen" darüber, wie CCTV genutzt werde. Seit seiner Einführung im Jahr 1996 hat das System landesweit 500 Millionen Pfund gekostet, inzwischen kommt eine Kamera auf 14 Briten. Geld, das lieber für mehr Streifenpolizisten und bessere Straßenbeleuchtung ausgegeben werden sollte, wie die Bürgerinitiative Liberty fordert.
Eine andere Studie des britischen Innenministeriums aus diesem Jahr hatte bereits ergeben, dass die Überwachungskameras zwar wirksam Diebstähle auf Parkplätzen verhinderten, sonstige Kriminalität aber nicht senken könnten.
David Davis von der Conservative Party forderte im Telegraph, der Bericht solle ein "lange überfälliges Umdenken" darüber auslösen, wofür das Innenministerium die Gelder für die Kriminalitätsprävention ausgebe. Er kritisierte, dass die Eingriffe in die Privatsphäre zu groß seien, während es kaum einen Effekt auf die Sicherheit gäbe.
Kriminalität trotz Überwachung ist jedoch kein ausschließlich britisches Problem: In der Berliner U-Bahn gab es nach der Einführung von Videokameras sogar mehr Zwischenfälle als zuvor. Diese Tatsache passte den Berliner Verkehrsbetrieben nicht ins Konzept, behaupteten sie doch, das Pilotprojekt auf drei U-Bahnlinien habe sich bewährt. Die Humanistische Union erzwang jedoch 2007 die Offenlegung eines internen BVG-Berichts, und so kam heraus, dass die Kameras keineswegs abschreckten. Außerdem waren nur in etwa 25 von mehreren tausend Fällen überhaupt brauchbare Bilder der Täter entstanden. Vor allem die Graffitisprayer würden die Kameras in ihre Aktionen "einplanen", heißt es im Bericht.
Eine geradezu paradoxe Wirkung fürchtet in England Eamonn Butler, Direktor des neoliberalen Adam-Smith-Instituts. Der Boom von Überwachungskameras könne für Terroristen sogar ein Ansporn sein, da sie so per Video ihre Taten noch "bewerben" könnten, sagt er.
Kommentare
war absehbar.
wenn 15 kameras hängen, die zu 15 bildschirmen führen, hinter denen zwei wachhabende sitzen, dann bekommen sie die straftaten auf den ersten drei monitoren nicht mit, weil das poppende pärchen auf monitor 11 sie ablenkt.
ins blaue geschossen und nicht ganz ernst gemeint, doch habe ich das mulmige gefühl, daß es daran liegen könnte.
Auch wenn der Inhalt der Meldung ein alter Hut ist, ...
man kann es gar nicht oft genug wiederholen.
Kameras helfen nicht gegen Kriminalität, sie dokumentieren sie lediglich!
Studien und und Beobachtungen gibt es schon zu Hauf, aber wayne interessiert's? Unsere Verantwortlichen in Berlin und den Landesregierungen scheinbar nicht. Auf einer Sommertagung des ULD in SH, ich glaube im Jahr 2006, hat der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar mal seine Erfahrungen mit der Kameraüberwachung am Berliner Hbf geschildert. Vor 60 Monitoeren saß kein einziger, wirklich nicht ein einziger, Polizist. Dafür sei bei der Bundespolizei, Schäubles Truppe, kein Personal vorhanden. Seit Jahren werden Stellen abgebaut und im Gegenzug verspricht uns die Elite in Berlin die Schaffung einer gefühlten Sicherheit. Schau nur mal einer in's Wahlprogramm der CDU, oder höre einer auf die Äußerungen Merkels. Auch dass es bei der punktuellen Überwachung zur Abwanderung kriminellen Treibens in nicht überwachte Bereiche kommt, wird schön verschwiegen. Wie geschrieben, dafür gibt es genügend Studien. Da lieber versprechen wir 140 Mio für neue Überwachungstechnik. Tapfere Kameras, die sich heldenhaft auf den Verbrecher stürzen und das Opfer liebevoll nach Hause begleiten....
Benötigt die Polizei auf die konventionelle Ermitllungsweise 48 - 72 Stunden, den Mörder eines Opfers zu identifizieren, so schafft sie es mit Kameraüberwachung vielleicht in 24 Stunden. Das tote Opfer wird's freuen. Die U-Bahn-Anschläge von London sind der beste Beweis. Haben toll geholfen, die tausenden Kameras. Aber wer weiß, vielleicht diskutieren wir ja in ein, zwei Jaheren den Einsatz der Videoüberwachung gegen Parksünder? Wäre ja nicht das erste Mal, dass Überwachungstechnik bei uns zweckentfremdet werden soll, wo die Daten doch einmal vorhanden sind. Schöne Grüße von der Mautbrücke. Denk doch mal einer an die Kinder!1!11
Demnächst ist Wahl, denkt daran, wenn ihr euer Kreuz macht. Gefühlte Sicherheit hilf euch genauso wenig wie leere Versprechungen.
Ach ja, am 12.September 2009 ist um 15 Uhr in Berlin wieder Demozeit, "Freiheit statt Angst - Stoppt den Überwachungswahn!. Um zahlreiche Teilnahme wird gebeten, Danke.
> http://www.vorratsdatensp...
"Dafür sei bei der
"Dafür sei bei der Bundespolizei, Schäubles Truppe, kein Personal vorhanden."
Kein Wunder, müssen diese doch schließlich Razzien in Bordellen vorbereiten...
"Auch dass es bei der punktuellen Überwachung zur Abwanderung kriminellen Treibens in nicht überwachte Bereiche kommt, wird schön verschwiegen."
Die gleiche Logik wie bei den KiPo-Sperren: wenn das Verbrechen nicht mehr auf einem öffentlichen Platz geschieht...wer will den Satz weiterdenken?
"Lieber versprechen wir 140 Mio für neue Überwachungstechnik."
Haben wir hier jemanden, der ausrechnen kann, wie viele Monatsgehältern entsprechender Polizisten dies entspricht? Nur, um mal rauszufinden, in welchem Maßstab hier in immobile Strukturen ohne weitergehenden Nutzen investiert wird?
"Benötigt die Polizei auf die konventionelle Ermitllungsweise 48 - 72 Stunden, den Mörder eines Opfers zu identifizieren, so schafft sie es mit Kameraüberwachung vielleicht in 24 Stunden."
Nicht unterschätzen: das sind 2-3mal so viele aufgeklärte Verbrechen pro Zeit...jetzt brauchen wir nur noch die Kapazitäten an Richtern, um die Fälle zu bearbeiten.
"Demnächst ist Wahl, denkt daran, wenn ihr euer Kreuz macht. Gefühlte Sicherheit hilft euch genauso wenig wie leere Versprechungen."
Ganz ehrlich: MIR hilft gefühlte Sicherheit enorm: ich fühle mich nämlich auch ohne Kameras etc. sicher genug, um nicht auf die Sicherheitspropaganda der Union reinzufallen. Das ist die andere, in meinen Augen positive Version der "gefühlten Sicherheit".
-----------------------------------------------------------------------------------------------------
There always seems to be something great in the personality of a great leader.
Sadly history has shown that great folly will suffice.
sehr wohl sinnvoll...
...allerdings nicht, um kriminalität zu verhindern, sondern um die normalbevölkerung zu überwachen und für mini-vergehen (auf den boden spucken, papierl wegwerfen, hundi macht kacki) strafen zu kassieren.
ansonsten: super artikel! endlich alle argumente gegen kamerawahn auf einmal: sollte in die schulbücher kommen.
Überraschung?!
Mit Verlaub, diese Entwicklung wurde bereits seid Jahren von Kritikern aufgezeigt. Dazu war keine Wahrsagerei nötig, sondern schlichte Logik. Es ist absolut nichts neues. Nur grobe Fahrlässigkeit seitens der Medien und versteckte Lobby-Interessen aus den Reihen der Politik haben dies möglich gemacht.
Und genauso läuft es mit unseren heimischen "Sicherheitsprojekten": Vorratsdatenspeicherung, Netz-Zensur, Bundestrojaner, Maut Überwachung, Bankdaten für die USA, Afganistan Krieg, Nutzung von Foltergefängnissen, etc.
Alles realer Wahnsinn, die klassischen Medien machen es möglich. Wenn kritisch berichtet wird, dann grundsätzlich erst nachdem das Gesetz beschlossen wurde (man will ja keine Politiker verunsichern) oder wie jetzt erst 5 Jahre nachdem alles bereits gelaufen ist.
Ich finde es beschämend derart lahme Artikel in der Zeit zu finden. Etwas mehr biss und vor allem Tiefe wäre bei diesen Bürgerrechtskritischen Themen durchaus angebracht.