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Eigentlich müsste inzwischen fast jeder Mensch davon gehört haben: Der französische Präsidentschaftskandidat Emmanuel Macron soll heimlich schwul sein. So hieß es in einem Artikel auf der prorussischen Propagandaseite Sputnik am 4. Februar. Es war der Ausgangspunkt für eine weltumspannende Verbreitung dieser Falschnachricht. In den darauffolgenden Tagen nehmen mehr als 17.000 TV-Beiträge, Artikel, Blogeinträge und Posts auf Twitter und Facebook darauf Bezug.
Die Zahl der Beiträge ist ein guter Indikator dafür, wie viel Einfluss eine Fake-News auf die politische Debatte eines Landes im Wahlkampf haben kann. Denn viele Beiträge zu dem Thema waren auf Französisch. Macron musste Stellung beziehen. Einige Tage gehörte das Gerücht zu den wichtigsten politischen Themen in Frankreich. Ein Höhepunkt war zwar am 7. Februar erreicht, aber die Debatte reißt bis heute nicht ab.
Wie sich die Falschmeldung verbreitet hat
Das Macron-Gerücht erreicht alle Medien und sozialen Netzwerke. Hier die Anzahl der Beiträge pro Tag
Die Zahl der Beiträge vermittelt aber auch einen Eindruck davon, wie viel Energie, Zeit und Aufmerksamkeit in die Aufarbeitung einer einzigen Fake-News fließen kann, manchmal fließen muss, um das Thema beiseite zu räumen, um eine Behauptung zu neutralisieren. Diese Zeit, Energie und Aufmerksamkeit steht dann nicht mehr zur Verfügung, um sich den anstehenden Problemen eines Landes zu widmen oder die Frage auszufechten, wer der nächste französische Präsident werden sollte – und warum.
In den Umfragen führt derzeit die Rechtspopulistin Marine Le Pen vom Front National. Weil sie aber weit davon entfernt ist, im ersten Wahlgang am 23. April die Mehrheit zu bekommen, wird es Anfang Mai eine Stichwahl geben, in der der zweitplatzierte Kandidat gegen Le Pen antritt. Dieser hat, weil er wahrscheinlich viele Stimmen der unterlegenen, bürgerlichen und sozialistischen Kandidaten auf sich ziehen kann, gute Aussichten, am Ende zu triumphieren. Noch ist offen, wer das sein wird. Mal liegt der konservative Kandidat François Fillon vorne, mal der frühere Finanzminister Emmanuel Macron, der proeuropäisch und liberal-bürgerlich ist. Aber erst muss er sich neben anderen Angriffen eben zusätzlich mit dem Gerücht auseinandersetzen, er führe eine Scheinehe mit seiner 24 Jahre älteren Frau und sei in Wahrheit homosexuell.
Die Verbreitung des Gerüchts teilt sich deutlich in zwei Phasen. Erste Twitterposts tauchen im vergangenen Mai auf. Im Verlauf des vergangenen Jahres wird das Thema gelegentlich wieder aufgegriffen, oft von Accounts, die dem rechtspopulistischen Front National zuzurechnen sind. Sie entfalten aber keine Wirkung. Die Sache ebbt ab. Bis Nicolas Dhuicq, ein konservativer Abgeordneter des französischen Parlaments, der prorussischen Propagandaseite Sputnik ein Interview gibt. Er erklärt darin in Bezug auf Macron: "Eine sehr wohlhabende Gay-Lobby steht hinter ihm. Das sagt alles." Was der Parlamentarier damit meint, ist offensichtlich: Macron sei schwul. Der Artikel erscheint am 4. Februar mittags um kurz nach zwölf Uhr. Es ist der Ausgangspunkt unserer Grafik. Man kann auch sagen, erst ab diesem Zeitpunkt ist das Gerücht wirklich in der Welt.
Eine Fake-News geht um die Welt
Geografische Verteilung der Beiträge, die auf den Ursprungsartikel bei "Sputnik" verlinken
Außer in Frankreich beschäftigen sich besonders viele Beiträge in den USA, der Türkei und in Russland mit dem Thema. Das zeigen Daten, die das Unternehmen Unicepta für DIE ZEIT und ZEIT ONLINE erhoben und ausgewertet hat. Unicepta ist eine Media Intelligence Company mit Sitz in Köln, ihre weltweit 700 Mitarbeiter beobachten und analysieren Debatten im Netz und in traditionellen Medien. Um die Grafik richtig einzuordnen, muss man wissen, dass sie nur die Onlinebeiträge abbildet. Und dass sie nur jene Beiträge zeigt, die sich direkt auf den Ausgangsartikel auf Sputnik beziehen und einen Link einfügen.
Kommentare
"Eigentlich müsste inzwischen fast jeder Mensch davon gehört haben: Der französische Präsidentschaftskandidat Emmanuel Macron soll heimlich schwul sein. "
Bis eben wusste ich davon nichts.
Da haben die 17.000 Bezüge nicht gereicht.
Beim 17.001. von ZON dann.
Relevant wird die Meldung dadurch aber auch nicht.
Es ging auch nicht darum zu sagen das das Gerücht existiert, sondern darum offenzulegen wie die Propaganda der Russen funktioniert.
Grundsätzlich guter Beitrag, der eine Schwäche hat: es heißt zu oft "russisch" ohne nähere Bestimmung. Was ist damit gemeint? Die russische Kultur im Sinne eines Kulturkampfes? Die Bevölkerung Russlands? Russische Wirtschaftsinteressen? Oder imperiale Interessen des Kreml bzw. präziser der dort derzeit handelnden Personen?
Auch wenn man die Ansicht teilt, dass derzeit aus Russland zahlreiche Initiativen kommen, die einem friedlichen und gedeihlichen Zusammenleben nicht förderlich sind und auch wenn man den Kreml als Ursprung einiger oder vieler dieser Initiativen vermutet oder gar beweisen kann, sollte man doch vermeiden die russische Bevölkerung und Kultur mit abzuwerten. Das hilft nicht, wenn an anderer Stelle wieder andere Zeiten angebrochen sein werden.
Würde eher mal hinterfragen, was daran so schlimm wäre, wenn es so wäre?
Wenn seine sexuelle Ausrichtung tatsächlich einen Einfluss auf das Wahlergebnis haben sollte, dann hat Europa/Frankreich andere Probleme als Fake News.
Wenn seine sexuelle Ausrichtung tatsächlich einen Einfluss auf das Wahlergebnis haben sollte, dann hat Europa/Frankreich andere Probleme als Fake News.
Könnte man meinen, aber wer sich das Forum unter dem "Pro bathroom bill" Edikt von Trump anschaut kann meinen in einem der "fly over staates" vulgo "bible belt zu sein.
Meine Hoffnung ist das die kat.net fans eine Facebook Gruppe gegründet haben und Alarm bei solchen Artikeln auslösen. Oder die evangelikalen die in der AfD sind. . .
Na ja dann warten wir mal darauf wann die ersten kommen und uns erzählen:
- die Medien des Westens lügen genauso
- Fake News gibt es nicht
- wir werden bald alle zensiert und unterdrückt
- alternative Medien sind wichtig auch wenn ihre Lügen offenkundig sind
- usw. usf.
Die Russenpropaganda scheint wohl die Pest dieses und des nächsten Jahrzehnts zu sein.
Würden manche Leute einfach mehr denken beim Thema RT und Sputnik, hätten wir im Westen ein Problem weniger, aber Leichtgläubige und Blinde gab es schon immer leider.
So ist es - ohne die menschliche Dummheit hätten solche Strategien wenig Erfolg. Aber die ist eine Konstante, auf die man sich verlassen kann...
Jaja die üblichen Gut und Böse -- Schablonen, die Sie gleich vorwegnehmen wollen.
Und dann ideologische Auswürfe wie
>Die Russenpropaganda scheint wohl die Pest dieses und des nächsten Jahrzehnts zu sein.
bringen. Sie suchen sich halt auch nur Leichtgläubige und Blinde.
Ich wusste noch gar nicht, dass sich die Russenpropaganda ausschließlich an Menschen mit Durchblick wendet.
Oh, da hab ich wohl getroffen.
Das habe ich auch nicht behauptet.
Daneben getroffen. Aber vielleicht versuchen Sie ja mal damit, es besser als die russischen Medien zu machen. Das würde Ihr Glaubenwürdigkeit ungemein erhöhen.
P.S. Bevor Sie wieder loslegen: Mit besser meine ich explizit NICHT, noch derbere dummdreiste Sprüche zu bringen.
Ach wenn sie nur erkennen könnten wie egal mir ihre persönlichen Angriffe und Mutmaßungen sind.
Was Sie wirklich zur Perfektion betreiben, ist, in denselben Satz einen Vorwurf zu formulieren dem Sie dabei gleichzeitig selbst gerecht werden.
Klar meine Entgegnung muss Ihnen egal sein, sonst müssten ja noch über sich selbst reflektieren, gottbewahre! Einen schönen Tag noch !
Ihr Grossvater ist immernoch in Argentien?
Ja da neben.
Genau, Leichtgläubige und Blinde gibt es massenweise, beispielsweise Sie.
Haben Sie denn den Originalartikel gecheckt? War ja nun leicht, wurde ja (Lob) sogar verlinkt. https://sputniknews.com/anal…
Dort lese ich dann, nach einem Zitat eines französischen Parlamentariers über die Unterstützung für Macron durch die Schwulenlobby:
"In November 2016, Macron publicly denied a persistent rumor that he's secretly gay and living a "double life.""
Sie hingegen glauben offenbar der Zeit, die schreibt:
"auf einer russischen Website steht, der französische Präsidentschaftskandidat Emmanuel Macron sei schwul"
Also, nochmal ganz langsam: Nein, auf der russischen Webseite steht, dass der französische Präsidentschaftskandidat das Gerücht, er sei schwul, zurückgewiesen hat.