ZEIT ONLINE: Ihre Beispiele laufen alle darauf hinaus, dass Deutschland Wachstum und Arbeit global teilen und die Bürger ihren Konsumstil ändern müssten. Mit solchen Zielen ist noch kein Politiker durchgedrungen. Was kann da erst recht eine eher machtlose Enquetekommission ausrichten?
Töpfer: Sie kann durchaus Einfluss ausüben. Bei der Klimapolitik haben wir erlebt, wie so ein Gremium Politik prägen kann – schon dadurch, dass es Öffentlichkeit schafft. Wenn man etwas verändern will, dann hilft es, wenn die Problemlagen unbezweifelbar verstanden sind. Gewiss, auch dann werden die Menschen nicht gleich freudig jubeln: Ja, gern, wir lagern Teile unserer Produktion in andere Länder aus. Aber wir können uns auch nicht bequem auf die Position zurückziehen, dass unser Exportüberschuss von 350 Milliarden Dollar so großartig sei.
ZEIT ONLINE: Neben der Agrar- und Handelspolitik nannten Mitglieder Ihrer Initiative auch noch eine unzulängliche Klimapolitik, die Finanzmärkte oder Waffenexporte als mögliche Ursachen der Fluchtursachen. Was muss sich da ändern?
Töpfer: Das alles sind Themenfelder, die in einer Enquetekommission beraten werden sollen. Wie, das wollen wir auf keinen Fall neunmalklug vorwegnehmen. Das werden deren Mitglieder entscheiden.
ZEIT ONLINE: Diese Themenfelder berühren jedenfalls allesamt erhebliche ökonomische Interessen. Sind gegen die Agrar-, Energie- oder Waffenlobby nicht ganz andere Hebel gefragt als ein Beratungsgremium?
Töpfer: Wenn wir in einer Demokratie etwas durchsetzen wollen, dann brauchen wir dafür breite Zustimmung in der Bevölkerung. Mit einer Enquetekommission bringt das gesamte Parlament, in gemeinsamer Arbeit mit Experten und Vertretern der Zivilgesellschaft, die Debatte so voran, dass daraus ein breit verankertes Handeln der Regierung hervorgehen kann. Wir sollten jetzt unbedingt den Antrieb nutzen, den die reale Erfahrung mit Flüchtlingen in der Gesellschaft eröffnet hat. Den Deutschen ist endgültig bewusst geworden: Wir stehen wirklich in der Globalisierung. Dagegen wollen sich einige Länder abschotten. Das ist die falsche Strategie. Dadurch werden die Probleme nicht gelöst, sondern weiter verschärft.
ZEIT ONLINE: Viele werden aber sagen: Wieso sind wir schuld – und nicht viel eher jene Potentaten, die im Südsudan, in Somalia, Syrien, dem Jemen oder Nigeria Kriege führen und ihre Bevölkerung hungern und leiden lassen?
Töpfer: Natürlich: Gute Regierungsführung, die zwingend notwendig ist, gehört sicher in die Enquetekommission.
ZEIT ONLINE: Sie haben Ihren Vorschlag Parteien und Fraktionen unterbreitet. Wie haben die reagiert?
Töpfer: Ich freue mich, dass fast alle Parteien schriftlich oder mündlich substanziell geantwortet haben. Aber die Idee kommt am besten voran, wenn möglichst viele Bürger ihre Kandidaten jetzt im Wahlkampf darauf ansprechen.
Kommentare
"Töpfer: Wir können uns nicht über die Fluchtbewegungen erregen – aber dabei gleichzeitig unbekümmert einen Wohlstand genießen, der nur möglich ist, weil wir die Ressourcen anderer Länder nutzen."
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"Nur" deshalb ist Wohlstand möglich?
Könnte sich man nicht zumindest auf einem "auch" einigen?
Warum ist nur diese mea culpa Mentalität so verbreitet?
Ja klar die umfangreichen Ressourcen Afrikas und ganz besonders die aus Somalia und Eritrea sichern unseren Wohlstand der war gut...................
Wir müssen wohl beides machen: In Afrika investieren _und_ die Grenzen weitgehend schließen. Unsere Lebensweise bzw. die dazu bestehenden Handelsbedingungen ändern _und_ uns gegen illegale Migration abschotten.
Ein Potentialausgleich, hier zwischen armen und reichen Weltgegenden, kann plötzlich geschehen als Kurzschluss, mit Gewalt, politischen Krisen, Toten auf Migrationsrouten - oder allmählich, über Kontrolle an der Potentialgrenze _und_ Angleichung der Potentiale.
Man kann in Afrika investieren wie man möchte.
Ich kann da morgen früh mit Milliarden von Euros hingehen, Schulen bauen, Aufklärung betreiben, Brunnen bauen, etc.
Aber wenn übermorgen der Dorfälteste/Kirchenälteste/Glaubensführende/Sonstiger kommt und den Menschen erzählt sie kommen in die Hölle wenn sie z.B. verhüten oder dass Frauen gebären sollten und nicht in die Schule gehören, dann nützt das nichts.
Afrika ist reich an allen Ressourcen:
Wasser
Metalle
Ackerland
Energie
Öl
Gas
Arbeitskräfte
Es fehlt an einem: BILDUNG.
Und solange diverse "Institutionen" ( in der Regel Religionen ) Bildung und Aufklärung verhindern, braucht man nicht einen Cent dort investieren.
Absolut unsinning.
Da braucht man keine neue Kommission, da muss man Erfahrungen und Wissen von Menschen nutzen, die genau diese Entwicklungen vorher gesagt haben und von vielen klugen Köpfen aus Wissenschaft und Wirtschaft unterstützt wurden in ihrer Meinung. Scholl-Latour ist nur einer von ihnen. Muss man das Rad nochmal und nochmal erfinden? Bis diese Kommission mal zu einem Ergebnis kommt, das deckungsgleich mit diesen früheren Erkenntnissen ist, haben sich die 200 Mio Menschen bereits durch Italien gewickelt...
Gesunder Menschenverstand, gute Beobachtungsgabe der Vorgänge und bißchen Verstand reichen bereits aus. Man schaue nur gute Reportagen, die die ARD nach 22:00 bringt. Bis die Kommission ihre nötigen Gelder gestellt und genehmigt bekommen hat, stehen die 200 Mio vor der Tür. Wie weltfremd diese ganze Liga ist! Und alles wird zerredet, zerforscht, zerdiskutiert, bis nix mehr zu machen ist, weil man vor lauter Profiolierungssucht die fundierten Wissensquellen vergißt und übersieht.
"mal eben kurz die Welt retten" von M. Vahlefeld schlüsselt in puncto Bevölkerungsdichte und -Wachstum, -Entwicklung und Ressource ganz gut auf, warum sich hunderttausende Menschen auf den Weg machen.
" Wie verschlechtern unsere Politik und unser Wirtschaften die Lebensbedingungen in Afrika, Asien oder Südamerika so, dass die junge Bevölkerung ihre Heimat verlassen muss? "
Vielleicht kann eine Kommission da ein paar Feinheiten rausbekommen, aber in groben Zügen sind die Ursachen seit langem bekannt. Nur abstellen kann oder will man die Ursachen nicht. Das wäre entgegen der Interessen des Großkapitals.
Eine weitere Ursache ist die, dass die "junge Bevölkerung" einfach zahlenmäßig zu groß ist.
Ansonsten geht die Traumtänzerei dieses älteren Herrn schon sehr weit. "Abgrenzung" wird die einzige Strategie sein um nicht auf das Niveau dieser Länder abzusinken. Das hilft denen auch nicht.
Mir ist wirklich völlig unklar was unsere Politik/Industrie für die Verhältnisse in Somalia,Eritrea,Malis und Südsudan kann.