Fischer will kommende Woche in New York deutschen Anspruch
auf ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat anmeldenDie Bundesregierung hat in aller Stille eine Allianz mit Brasilien, Japan und
Indien geschmiedet, um für die vier Länder je einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat
durchzusetzen. Bundesaußenminister und Vizekanzler Joschka
Fischer will am Rande der UN-Generalversammlung in New York in der
kommenden Woche den deutschen Anspruch anmelden, wie die ZEIT aus
Regierungskreisen erfahren hat.Nach der ZEIT vorliegenden Informationen haben sich die vier Länder darauf
verständigt, einander gegenseitig bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche auf
dauerhafte Vertretungen im wichtigsten UN-Gremium zu unterstützen. Am
kommenden Dienstag wollen Fischer sowie Brasiliens Präsident Lula, Japans
Premier Koizumi und Indiens Ministerpräsident Singh in New York ihr
gemeinsames Vorhaben verkünden.Fischer hat nach Informationen der ZEIT den Vorstoß vorbereitet, indem er in
den vergangenen Wochen die deutschen Botschafter in aller Welt mit
Demarchen in die Außenministerien ihrer Gastländer geschickt hatte. Begleitet
wurden die Botschafter dabei jeweils von ihren französischen Kollegen.
Frankreich ist neben den USA, China, Russland und Großbritannien schon
heute ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat.Die Bundesregierung hatte Deutschland seit längerer Zeit als Kandidat für einen
Sitz ins Gespräch gebracht, ihren Anspruch aber bisher nicht offiziell
angemeldet.BDI- Chef Rogowski fordert Ausstieg der Firmen
aus sozialer Sicherung
Nach Ansicht des
Bundesverbandes der Deutschen Industrie
(BDI) sollten
sich die Firmen in Deutschland aus der Mitfinanzierung der sozialen
Sicherungssysteme wie Arbeitslosengeld oder Krankenversicherung
verabschieden. "Unternehmen sollen Arbeit schaffen, während die
Beschäftigten die soziale Sicherung und das Gesundheitssystem selbst
finanzieren", fordert BDI-Präsident Michael Rogowski in der ZEIT. "Die primäre
Verantwortung der Unternehmen liegt nun einmal nicht in der Sozialfürsorge",
fügt er hinzu. Rogowski erinnert aber daran, dass die Unternehmer "in den
Betrieben auch fürsorgliche Verpflichtungen gegenüber den Mitarbeitern
haben".
In der Energiepolitik erneuert der BDI-Präsident den Vorwurf an Umweltminister
Jürgen Trittin, dessen Politik treibe den Energiepreis in die Höhe
treibe. "Trittins Energiepolitik läuft auf eine Deindustrialisierung hinaus." Was
die Energiepreise vor allem treibe, so der BDI-Chef, sei die Folge von
Energieeinspeisegesetz, Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz, Erneuerbare-Ener-giengesetz
und Ökosteuer. "Oder kurz: Es ist Minister Trittin. Diese
Bundesregierung hat kein taugliches Konzept für Energiepolitik."Bundesregierung lässt sich Zeit mit EnergiegipfelDie Bundesregierung hat keine große Eile mit dem vergangene Woche von
Wirtschaftsminister Wolfgang Clement angekündigten Energiegipfel.
Bundeskanzler Gerhard Schröder will Versorgungsunternehmen und
Verbrauchervertreter erst dann ins Kanzleramt einladen, wenn tatsächlich mit
einer Senkung der Energiepreise zu rechnen ist, wie die ZEIT erfuhr.Clement hatte vergangene Woche einen Energiegipfel angekündigt, bei dem es
um die drastische Energieverteuerung gehen soll. Er hatte die Konzerne bereits
aufgefordert, auf angekündigte Preiserhöhungen bei Strom und Gas zu
verzichten. Nun wurde erst einmal Clements Staatssekretär Georg Wilhelm
Adamowitsch vorgeschaltet, um mit Industrievertretern Daten und Fakten zu
klären, berichtet die ZEIT.
Helmut Schmidt:
Die EU braucht Pause vor weiteren Beitritten
Die Europäische Union braucht eine "Pause, ehe weitere Beitritte in Betracht"
kommen, schreibt der ZEIT-Mitherausgeber Helmut Schmidt in der ZEIT über
die Erweiterungspläne der EU. "Zunächst müssen die bestehenden
institutionellen, ökonomischen und politischen Defizite bewältigt werden." Er
warnt: "Ein Scheitern der EU oder eine Schrumpfung zu einer bloßen
Freihandelszone ist nicht mehr undenkbar."Der ehemalige Bundeskanzler äußert sich zur Frage einer möglichen
Überdehnung der Union drei Wochen, bevor die EU-Kommission ihren
Fortschrittsbericht über den Beitrittskandidaten Türkei vorstellen will. Schmidt
zeigt sich jedoch zugleich zuversichtlich, dass sich – trotz der schon
vollzogenen Erweiterung der EU auf 25 Mitglieder – in der täglichen Praxis "ein
innerer Kern" herausbilden werde. Dieser werde "mit Sicherheit Frankreich und
Deutschland umfassen und wahrscheinlich auch die anderen Gründungsstaaten
Italien, Holland, Belgien und Luxemburg."Deutsche Helfer erwägen Abzug aus dem IrakNach der Entführung zweier italienischer Helferinnen im Irak fühlen sich auch
die Mitarbeiter der deutschen Hilfsorganisationen zunehmend bedroht. Fünf
Deutsche sind derzeit im Irak im Einsatz. Wie die ZEIT berichtet, erwägen
einige von ihnen das Land zu verlassen, sollte sich die Sicherheitslage weiter
verschlechtern.
Vor allem in Bagdad sei die Stimmung nach der Verschleppung der
italienischen Helferinnen angespannt, berichtet Frank McAreavey von der
Hilfsorganisation
Help
. "Fünf Tage lang haben wir das Haus nicht verlassen",
sagt der Deutsche. Nun wagen sich die Helfer wieder in die Vororte. "Wir
können uns ja nicht ewig verkriechen."
Neben den zwei Helfern in Bagdad sind drei weitere Deutsche nahe Mossul und
im kurdisch-arabischen Grenzgebiet tätig. "Immer wieder werden wir von
Bewohnern darauf hingewiesen, welche Straßen und Dörfer wir am besten
meiden sollen", sagt Annette Müller von der Organisation
arche noVa
: "Um kein
unnötiges Risiko einzugehen, kündigen wir unsere Besuche nun nicht mehr an."
Theaterregisseur Ostermeier:
Jugend wird zum Angstbegriff
"Wenn ein Ideal von Jugend und Dynamik und Flexibilität zu einem
gesellschaftlichen Ideal wird und nicht nur einige Nischen betrifft, wenn es sich
bis in die städtischen Verkehrsbetriebe ausbreitet, ist die Jugend oder der
Jugendwahn nicht nur ein Konstrukt oder eine Erfindung. Dann sind wir mit der
Tatsache konfrontiert, dass für die meisten Bürger ab 35 oder 40 die
Gesellschaft nichts mehr zur Verfügung stellt", kritisiert der Theater-Regisseur
und Leiter der
Berliner Schaubühne
Thomas Ostermeier in der ZEIT den
Jugendwahn in unserer Gesellschaft.
Ostermeier, heute 36, einst der junge Wilde des deutschen Theaters, sagt:
"Jugend wird zu einem Angstbegriff. Das sieht man schon an dem Wort
Jugendwahn, das allein negativ besetzt ist. Jugend wird zum Verteidigungsbegriff
einer älteren Generation, die Angst davor hat, ihre Pfründen zu
verlieren – und deshalb der Gesellschaft das Attest ausstellt, dass sie sich in
einem Wahn befindet." Nicht selten sind das die gleichen Leute, die vor kurzem
Teil einer jungen Generation waren und sich jetzt in einem Rückzugsgefecht
befinden, "intelligente Leute, die merken, dass dieses Ticket Jugend abläuft".
Künast weist Kritik am Gentechnikgesetz zurück //
Merkel verlangt grundlegende Überarbeitung der Pläne
In der ZEIT hat Verbraucherschutzministerin Renate Künast die massive Kritik
am neuen Gentechnikgesetz zurückgewiesen. Das Vorhaben folge den
europäischen Richtlinien und behindere die Forschung nicht, erklärt die
Politikerin von Bündnis90/Die Grünen. Das Gesetz wird am 22. September
2004 letztmalig im Vermittlungsausschuss von Bund und Ländern beraten."Es gibt keine massive Kritik vonseiten der EU. Brüsseler Beamte stellen nur
die bei einem solchen Notifizierungsverfahren üblichen Fragen","sagt die
Ministerin und kritisiert ihrerseits die Genforscher: "Sie sollten bedenken, ob
ihre eigenen Äußerungen nicht dazu beitragen, den Forschungsstandort
Deutschland herunterzureden. Mit solchen Stimmungsdebatten tun sich die
Forscher keinen Gefallen."Ihren politischen Gegnern bescheinigt sie: "Die Opposition betreibt hier wie in
fast allen Bereichen Fundamentalopposition und Blockadepolitik."Dem hält die CDU-Vorsitzende Angela Merkel in der ZEIT entgegen: "Statt gute
Rahmenbedingungen für die Grüne Gentechnik zu schaffen, hemmt das Gesetz
durch Bürokratie und abschreckende Haftungsregeln regelrecht Forschung und
Innovation in unserem Land." Zu Recht sähen die Verbände darin eher ein
"Gentechnikverhinderungsgesetz". Ihre Partei verlange eine "grundlegende
Überarbeitung des rot-grünen Gesetzesvorhabens", um die Forschung zu
erleichtern und Arbeitsplätze in dieser Zukunftsbranche zu sichern.
Flick Collection:
Künstler mischen sich in die Debatte ein
In die Debatte über die Ausstellung der umstrittenen
Flick Collection
, die kommende
Woche in Berlin eröffnet, mischen sich nun erstmals auch die Künstler ein. In einer
Umfrage der ZEIT sagt der Maler Gerhard Richter: "Da wird mit Namen gepokert, da
werden Werte und Qualitäten behauptet, und eigentlich wird nur gezeigt, wie leicht und wie
schnell es heute geht, eine so genannte hochkarätige Sammlung hinzuklotzen. Mit etwas
Geld kann das fast jeder."
Der Aktionskünstler Hans Haacke kritisiert vor allem Flicks Umgang mit seiner
Familiengeschichte. "Es ist Sklavenarbeit, die seine Sammlung mitfinanziert hat", sagt er im
Hinblick auf Flicks Großvater, der in der Nazi-Zeit zehntausende Zwangsarbeiter
ausbeutete. "Die mit Steuergeldern unterhaltenen Institutionen in Berlin bieten sich nun –
anscheinend ohne Hemmungen – als Geldwaschanlage an."Moralische Bedenken äußert ebenfalls der Videokünstler Marcel Odenbach: "Mich stört an
dieser Sammlung vor allem, dass sie ein Steuerflüchtling aufgebaut hat, der nun in Berlin
groß gefeiert wird. Und dass sich dieser Steuerflüchtling über Jahrzehnte nicht darum
geschert hat, woher sein Vermögen stammt und was aus den Zwangsarbeitern seines
Großvaters geworden ist. Nun aber will er plötzlich den pompösen Auftritt."Auch der Fotograf Thomas Struth äußert Kritik: "Wenn Herr Flick sagt, dass er mit der
Präsentation der Kunst die Geschichte seiner Familie aufhellen will, fühle ich mich
vereinnahmt." So wie viele andere Künstler, hält es auch Struth für unverständlich, dass
Flick nicht in den Ausgleichfonds für Zwangsarbeiter eingezahlt hat.Andere Künstler verteidigen das Verhalten Flicks: "Das viel größere Problem ist ja eh der
deutsche Staat, der sich mit der Kunst schmücken will, um jeden Preis – und dabei völlig
vergisst, nach der Vergangenheit zu fragen", sagt der belgische Künstler Luc Tuymans. Der
Fotograf Wolfgang Tillmans merkt an: "Ich finde die Art und Weise, wie dieser Sammler
angegriffen wird, übertrieben und scheinheilig. Er wird zum Sündenbock gemacht, nur weil
es leichter ist, alle Schuld auf seine Person zu projizieren, als sich mit dem Elend und
Unrecht von heute zu beschäftigen."
ZEIT-Umfrage:
Lebenserfahrung stärker honorieren
Fast die Hälfte der Deutschen spricht sich dafür aus, die Berufs- und Lebenserfahrung
älterer Menschen stärker zu honorieren. Das ergab eine repräsentative
Umfrage von
infratest dimap
im Auftrag der ZEIT. Demnach vertraten
49 Prozent der Befragten die Ansicht, dass die Berufs- und Lebenserfahrung
der Älteren nicht genug honoriert werde. Nur 27 Prozent halten die
gegenwärtige Wertschätzung für angemessen. Selbst in der Altersgruppe der
14- bis 29-Jährigen ist mehr als ein Drittel der Meinung, dass die Leistungen
älterer und erfahrener Arbeitnehmer im Berufsleben zu niedrig bewertet
werden. In der Altersgruppe der 30- bis 49-Jährigen stimmt sogar fast jeder
zweite dieser Aussage zu, bei den 50- bis 64-Jährigen sogar 60 Prozent.
Die überwältigende Mehrheit der Deutschen hat keine Angst davor, von einem
Jüngeren aus dem Job gedrängt zu werden: 74 Prozent machen sich darüber
keine Sorgen. 23 Prozent sagen, sie hätten Angst davor.Die Umfrage zeigt auch, dass sich viele Ältere in bezug auf das eigene Äußere
offenbar gern etwas vormachen: 72 Prozent der Befragten gehen davon aus,
dass sie jünger aussehen, als sie sind – bei Frauen waren es sogar 73 Prozent.
Diese Frage wurde nur an über 65jährige gestellt.
Chef von Scholz&Friends:
Werbung muss sich von Fixierung
auf die Jugend lösen
Der Umgang mit dem Alter in der Werbung ändert sich nach Ansicht des
Vorstandsvorsitzenden der Werbeagentur
Scholz&Friends
, Sebastian Turner.
"Der Typus des tatterigen Alten verschwindet – endlich!", sagt Turner der ZEIT.
Er fügt hinzu: "Die Alten sind als Zielgruppe so wichtig geworden, dass sie
wenigstens nicht mehr als Deppen vorgeführt werden."
Die Werbung werde sich von ihrer Fixierung auf die Jugend lösen müssen,
erklärt Turner: "Aber Sie werden das kaum erkennen, denn die Werbung für die
Alten wird jünger werden."Die Zielgruppen lassen sich nach Ansicht von Turner nicht mehr nach
Generationen einteilen: "Seit 1968 hören die Leute auf, alt zu werden. Sie leben
heute nicht mehr das Alter ihrer Altersgruppe, sondern des Milieus, das sie sich
ausgesucht haben."
Elitenforscher Hartmann:
ZVS besser als Auswahlverfahren
Der Darmstädter Elitenforscher Michael Hartmann, 52, hält die
Zentralstelle für
die Vergabe von Studienplätzen
(ZVS) für gerechter als universitätsinterne
Auswahlverfahren. "Was die soziale Zusammensetzung angeht, ist sie weniger
selektiv als ein Auswahlverfahren an der Universität", sagt Hartmann in der
ZEIT. "Bei einem Auswahlverfahren spielen persönliche Vorlieben und Sympathien
der Professoren eine entscheidende Rolle."
An deutschen Universitäten setzen sich Auswahlverfahren mehr und mehr
durch. Bei solchen Verfahren würden "Bewerber aus bürgerlichen Familien
gegenüber Arbeiterkindern eindeutig bevorzugt". Hartmann: "In Auswahlverfahren
wird zudem oft Wissen abgeprüft, das in der Regel nur in
bürgerlichen Familien vorhanden ist."Der Soziologe plädiert dafür, für alle ein Schnupperstudium von zwei
Semestern einzuführen: "Da könnten die Studenten aus bildungsfernen
Familien, die das Universitätsmilieu erst einmal kennen lernen müssen und
länger brauchen, um die Spielregeln zu begreifen, das Handicap ihrer Herkunft
zumindest teilweise wettmachen."Michael Hartmann ist Autor des Buches: "Der Mythos von den Leistungseliten"
Versöhnung zwischen Wien und Berlin:
Beide Regierungen zum Neujahrskonzert
Die Regierungen Österreichs und Deutschland wollen zum Jahreswechsel, fünf
Jahre nach dem Streit um die Beteiligung von Jörg Haiders rechtspopulistischer
FPÖ an der neuen Regierung in Wien und die EU-"Sanktionen" gegen Öster-
reich, ein besonderes Zeichen für die Wiederherstellung freundschaftlicher
Beziehungen setzen. Nach Informationen der ZEIT hat Bundeskanzler Schröder
eine Einladung seines christdemokratischen Wiener Kollegen Wolfgang
Schüssel an die gesamte Bundesregierung angenommen, gemeinsam mit dem
österreichischen Kabinett das traditionelle Neujahrskonzert in Wien zu
besuchen. An diesen ungewöhnlichen gemeinsamen Auftritt der beiden
Regierungen bei dem vom Fernsehen weltweit ausgestrahlten Musikereignis
soll sich ein gemeinsames Essen anschließen.Ob es am Neujahrstag 2005 in Wien allerdings zu einer echten "Plenarsitzung"
von deutschen Rotgrünen und österreichischen Schwarzblauen kommen wird,
ist fraglich. Schröder, der sein Kabinett über diesen möglichen Neujahrsausflug
am heutigen Mittwoch unterrichten will, hat Schüssel bereits darauf vorbereitet,
dass er auf Grund anderer privater Pläne seiner Minister vermutlich nicht mit
vollzähliger Mannschaft anreisen könne. Es sei daher möglich, so Schröder zu
Schüssel, dass nur "ein gemeinsamer Kabinettsausschuss" zustande komme.Für Rückfragen stehen Ihnen Elke Bunse oder Iljane Weiß, ZEIT-Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, (Tel. 040/3280-217, Fax: 040/3280-558, e-mail: bunse@zeit.de bzw. weiß@zeit.de) gern zur Verfügung.
Aktuell: Aus der ZEIT 39/2004
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