Die britische Regierung hat auf die Ankündigung von Wikileaks reagiert, eine große Zahl diplomatischer US-Geheimdokumente zu veröffentlichen. In einer sogenannten Defence Notice (D-Notice) wurde führenden Pressevertretern des Landes geraten, bei der Berichterstattung darüber Vorsicht walten zu lassen.
Man bitte die Journalisten, Rücksprache mit Regierungsvertretern zu halten, bevor sie Berichte über bestimmte Aspekte der US-Dokumente veröffentlichten, heißt es in britischen Medien. In einem britischen Blog wurde auch der Wortlaut der D-Notice veröffentlicht, in der vor Gefahren für britische Bürger im Falle unkoordinierter Veröffentlichungen gewarnt wird.
Die Defence Notices haben als ein Mittel der freiwilligen Selbstzensur in Großbritannien eine lange Tradition. Herausgegeben werden die kurzen Meldungen vom Defence, Press and Broadcasting Advisory Committee (DPBAC). Das Gremium setzt sich aus Staatssekretären des Verteidigungs-, Außen- und Innenministeriums und führenden Pressevertretern zusammen.
Eingebunden in das Meldesystem sind alle überregionalen und regionalen Zeitungen, Agenturen, Radios und Fernsehanstalten in Großbritannien. Im Normalfall verzichten Journalisten in ihrer Berichterstattung auf Informationen, die vom DPBAC als gefährlich eingestuft werden.
Tun sie es nicht, hat es aber keine direkten Konsequenzen. Die Meldungen des DPBAC sind rechtlich nicht bindend, werden aber als eine dringliche Empfehlung verstanden.
Das System wurde 1912 eingeführt und diente zunächst der Abwehr gegnerischer Geheimdienste. In den offiziellen Richtlinien heißt es, dass D-Notices die Veröffentlichung von Informationen verhindern sollen, die die nationale Sicherheit gefährden. Unterteilt sind die Warnmeldungen in fünf verschiedene Bereiche von Militäroperationen über geheime Infrastruktur bis hin zur Inneren Sicherheit. Die nun ausgegebene Warnung bezieht sich laut Wikileaks auf Punkt eins und Punkt fünf der Liste.
Das heißt, dass die Dokumente, die voraussichtlich am Sonntag geleakt werden, Informationen über Verteidigungspläne, militärische Kapazitäten, Alarmbereitschaft oder Geheimdienste enthalten.
Kommentare
"geleakt" ist herrlich.... NT
NT
Inwiewiet betrifft diese Aufforderung eigentlich die gesamte
Presse der westlichen Welt, also auch die deutsche Presse? Wird unser Presserat auch eine ähnliche Empfehlung rausgeben? Ich meine, in Zeiten des Internets dürfte es doch für die Bürger Großbritanniens ein leichtes sein, einfach mal beim ´Nachbar´ mitzulesen.
Ich bin gespannt auf den Umgang mit den kommenden Wikileaks-Veröffentlichungen hier bei Zeit-Online.
Umgang der Presse
Spiegel Online hatte - offensichtlich aus Versehen - einen Text veröffentlicht, in dem beschrieben ist, wie sie mit dem Material umgehen, das sie vorab erhalten haben: sie werden nur ausgewählte Dokumente veröffentlichen, um Personen nicht zu gefährden.
Wir haben das Material noch nicht gesehen und wissen nicht, was alles darin steht. Wenn es verfügbar ist, werden wir entscheiden, wie wir damit umgehen.
Was finden Sie? Muss Transparenz absolut sein oder soll sie Rücksicht nehmen in manchen Fällen?
Beste Grüße
Kai Biermann
Wir haben gelogen und betrogen..
aber sagt es bitte nicht weiter.
Umgangssprachlich: Denen geht der Arsch auf Grundeis..
Nun wird es doch erst recht spannend was die Enthüllungen zu Tage bringen.
Haben die keine Berater oder ist es Panik?
Differenziert
Ich sehe das etwas differenzierter! Man kann auch mal zu seiner Frau sagen, daß man den Nachbarn für einen Idioten hält. Es ist aber nicht sonderlich friedensstiftend das dem Nachbarn auch mitzuteilen. So ist es auch nicht sinnvoll ungefiltert diplomatische Informationen zu veröffentlichen. Was dabei raus kommt, wenn ein paar lächerliche Karrikaturen in Dänischen Zeitungen von ein paar religiös umnebelten Spinnern lange nach der Veröffentlichung gesehen werden haben wir bereits erlebt. Alles ins Internet stellen kann jeder, daß Wikileaks auch veantwortlich handelt, müssen sie erst noch beweisen.
Im übrigen dürften gerade die jeweiligen Bündnispartner der
USA mit besonderer Spannung auf die Wikileaks-Veröffentlichungen warten; also auch Deutschland.
Bestimmt sitzen gerade ein paar Neugierige im Bundeskanzleramt am Computer und warten auf den Showdown!