Der Ramadan hat begonnen, für die Muslime ist er emotional ähnlich bedeutend wie Weihnachten für Christen. Und diesmal könnte der Fastenmonat ein historisches Datum werden – als Höhepunkt einer Tragödie. Es zeichnet sich ab, dass Syrien in einen Bürgerkrieg schlittert, dass der Clan von Staatschef Baschar al-Assad mit immer härteren Militärschlägen versucht, seine Macht zu retten und noch mehr Empörung hervorruft. Gerade im Ramadan, so ist zu befürchten, könnte sich die Spirale der Gewalt noch schneller drehen. In einem Land, das wie kaum ein anderes in der arabischen Welt eine geostrategische Bedeutung hat. Kann sich der Westen da raushalten?
Versinkt Syrien im Chaos, ist der Nahe Osten weit stärker betroffen als im Fall Libyen. Wird Syrien zunehmend instabil, strahlt die Eskalation auf Libanon aus, auf Israel, auf die Türkei und auch auf den Iran. Die im Libanon mitregierende Hisbollah, ein hochgerüsteter Staat im Staate und erklärter Feind Israels, wird von Syrien und dem Iran unterstützt, mit Geld und Waffen. Jede Schwächung Assads gefährdet die Machtposition der Hisbollah . Wie wird sie reagieren?
Die Hisbollah hat demonstriert, dass sie sich im Libanon nichts sagen lässt. Sie ist auch nicht bereit, sich Vorwürfen zu stellen, im Interesse Syriens an der Ermordung von Ex-Premiers Rafik al Hariri im Februar 2005 mitgewirkt zu haben. Stolz verweist die Hisbollah auf ihren Widerstand im Sommerkrieg 2006 gegen Israel und droht mit ihrem wieder tausende Raketen umfassenden Waffenarsenal. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der wankende Assad die Hisbollah in ein Abenteuer gegen Israel schicken könnte , um antiisraelische Ressentiments in Syrien zu mobilisieren, die Volk und Regime einen sollen. Ein Indiz ist, dass im Frühsommer palästinensische Demonstranten von Syrien und Libanon aus israelische Grenzanlagen stürmten – wahrscheinlich ein Manöver Assads zur Ablenkung vom internen Aufruhr. Viele starben.
Ein Schlag gegen "die Juden" wäre auch im Interesse des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad, der schon lange Israels Vernichtung propagiert. Zumal die Proteste in Syrien an die abgewürgten Unruhen im Iran nach Ahmadinedschads Wiederwahl erinnern. Ein Erfolg der Demonstranten in Syrien würde auch die Opposition in Iran ermutigen.
Der Westen, so scheint es, kann bisher nur zuschauen, wie Assads Schergen das eigene Volk massakrieren. Für eine militärische Operation fehlen der Wille, das Mandat und die nötigen Kräfte. Der Bundesnachrichtendienst sieht kaum Chancen auf einen "Regime Change". Doch kann es im Interesse des Westens sein, die Eskalation in Syrien und die Gefahr für die Region hinzunehmen? Vielleicht wäre eine Antwort im Nahen Osten, wo alles mit allem zusammenhängt, über Libyen zu erlangen. Würde die Nato entschieden gegen Gadhafi vorgehen, wäre das auch ein starkes Signal in Richtung Syrien. Zumindest sollte der Westen nicht darauf verzichten, Assad mit einer militärischen Option drohen zu können. Um ihn wenigstens von einem Abenteuer gegen Israel abzuhalten.
Kommentare
Die verkehrt herum fallende Dominokette
Solche Empfehlungen - von der Ferne und aus dem warmen Sessel heraus gemacht - haben schon hinsichtlich Libyen völlig daneben gelegen.
Libyen war von der ersten Minute an ein Bürgerkrieg, in den einseitig seitens der NATO eingegriffen wurde.
(Wie anders ist seit jeher ein Bürgerkrieg definiert als das eine bewaffnete Gruppe gegen die/den Machthaber aufsteht?)
Die Erfahrung lehrt: Eine aufgereihte Dominokette kann auch zur verkehrten Seite hin umfallen.
Für eine militärische Operation fehlen
der Wille,
das Mandat,
die nötigen Kräfte,
und die Rohstoffvorkommen...
"... Rohstoffvorkommen"
Man ist es echt müde, dauernd diese Verschwörungstheorien über sich ergehen lassen zu müssen.
Wenn ein autoritäres Unrechtsregime Panzer gegen das eigene Volk auffahren lässt und Kundgebungen für Freiheit und Demokratie von Scharfschützen "auflösen" lässt,
dann muss die internationale Gemeinschaft eingreifen.
Modernen Menschen ist es dabei völlig egal, ob dieser Staat "Rohstoffvorkommen" hat oder nicht, sie sind es den dort lebenden Menschen einfach schuldig.
Das, wovon Sie reden, sind Hardliner-Argumente aus der politischen Steinzeit ewiggestriger Nationalisten, die immer dann, wenn es um die Unterstützung von Demokratiebestrebungen geht, in eine Art Pseudopazifismus verfallen.
Der Westen, der Westen
Warum muß "der Westen" denn für alle Unrechtsregime das Korrektiv sein? Wir können und wollen einfach nicht überall sein. Es schreibt sich immer so bequem aus dem Speckgürtel der Welt...
Die arabische Welt sollte hier mal zeigen wie moralisch sie ist. Ist sie aber nicht, siehe Hungersnot in Somalia.
Wenn wir eingreifen können wir nur verlieren in diesem Konflikt Alewiten vs Sunniten. Was ist mit der Türkei, den Golfstaaten oder Saudi-Arabien? Warum handeln die nicht?
Ein Handeln kann man von Ländern wie Norwegen, Spanien und Italien wohl kaum verlangen
Das wissen wir nicht!
"Was ist mit der Türkei, den Golfstaaten oder Saudi-Arabien? Warum handeln die nicht?"
Wir wissen nicht, ob und wie sie handeln - ich zumindest weiß es nicht, hoffe aber darauf, daß sie es tun und mir nur die genauen Informationen dazu fehlen.
Immer dieses Fordern von Krieg
Einigen selbst ernannten Intellektuellen scheint nicht klar zu sein, dass man Menschenrechtsverletzungen nicht durch Menschenrechtsverletzungen bekämpft.
Weiterhin fehlt natürlich der wichtigste Kriegsgrund, Ressourcen.
Die Geschichte der Durchsetzung.....
....von Menschenrechten und Demokratie ist eine Geschichte der Gewalt. Natürlich gibt ein Machthaber sein Land und seine Einkommen nicht ab, wenn er nicht muss. Warum sollte er?
Das bedeutet nicht, dass jeder Umsturz und jede Einführung besserer Sicherheit der Bevölkerung vor Übergriffen der Regierungen höchste Gewalt braucht. Manchmal, wie in Ägypten es offenbar der Fall war, kann man durch Druck von außen die Mächtigen bewegen. Oft ist dies nicht so. In Deutschland funktionierte es nicht. In Libyen auch nicht.
Will man die Häufigkeit der Notwendigkeit militärischen Schutzes von Bevölkerungen vor ihren Regierenden verringern, so bedarf es einer allgemeinen Ordnung. Es könnte bspw Diktaturen verunmöglicht werden handel zu treiben und ihren Anhängern zu reisen. Dazu wäre aber ein Konsens weltweit notwendig. Das sieht man an Iran. Das sieht man in krasser Weise nun in Syrien. Selbst wenn der Diktator die Bevölkerung mit militärischen Mitteln und grauenhafter Gewalt das Volk daran hindert eine neue Regierung zu schaffen, gibt es Länder, die das gut heißen. Selbst Leute, die die Rechte hier genießen, die die Dortigen haben wollen, sperrt man sich dagegen ihnen zu helfen.