Antrittsbesuch bei der Bundeskanzlerin. Am Sonntag wird Chinas neuer Ministerpräsident Li Keqiang in Berlin mit Angela Merkel zusammentreffen. Die beiden kennen einander bereits, denn Li hatte als Vizepremier fünf Jahre Zeit, sich auf das Amt des Regierungschefs vorzubereiten. Im März dieses Jahres hat ihn der Nationale Volkskongress in Peking zum Nachfolger von Wen Jiabao gewählt, zu dem die Kanzlerin ein belastbares Vertrauensverhältnis aufgebaut hatte.
In China richten sich auf den neuen, 57 Jahre alten Ministerpräsidenten große Hoffnungen. 1978, als sich nach dem Ende der Kulturrevolution die Tore von Chinas Hochschulen wieder öffneten, gehörte Li Keqiang zu den 81 Auserwählten, die an der Peking-Universität Jura studieren durften. Nie zuvor und nie danach waren die Zulassungsprüfungen strenger, denn eine ganze Generation, die in den Wirren der Kulturrevolution zur Arbeit aufs Land geschickt worden war, drängte zurück in die Städte und dürstete nach akademischer Ausbildung.
Es war die Zeit, in der Deng Xiaoping das Land auf Reformkurs brachte. Deng wollte eine wirtschaftliche Modernisierung. Vielen jungen Chinesen war das nicht genug, sie riefen nach politischen Veränderungen. In Peking versammelten sich 1978 die Studenten an der Mauer der Demokratie, auf die unerschrockene Oppositionelle Wandzeitungen mit Forderungen nach politischen Reformen klebten. Auch im Freundeskreis Li Keqiangs wurde leidenschaftlich über eine Demokratisierung Chinas diskutiert. Li selbst, intelligent, ehrgeizig und arbeitsam, hielt sich bedeckt. Auch er dachte liberal, aber vor allem war er linientreu. Seine Freunde sahen ihn schon damals auf dem politischen Weg nach oben.
Sein Mentor war Exparteichef Hu Jintao
Und so kam es. In den achtziger Jahren war Li Keqiang Sekretär der Kommunistischen Jugendliga an der Universität Peking und sah mit an, wie mancher Kommilitone nach dem Massaker am Platz des Himmlischen Friedens ins Gefängnis geworfen wurde oder ins Exil floh. Bis heute aber, da Li zum Premierminister aufgestiegen ist, glaubt mancher Weggefährte von damals, Li strebe eine politische Modernisierung Chinas an.
Natürlich hat er sich auf dem Weg nach oben angepasst. Als Gouverneur der Provinz Henan half er, einen Aids-Skandal um gespendetes Blut zu vertuschen. Tausende arme Bauern infizierten sich mit dem Virus; Bürgerrechtler, die den Skandal aufklären wollten, wurden brutal verfolgt.
Lis Karriere tat das keinen Abbruch. Im Gegenteil. Er ging von Henan als Parteisekretär in die Provinz Liaoning. 1997 wurde er Mitglied im Zentralkomitee, 2007 stieg er in den engsten Führungszirkel der KP auf, den Ständigen Ausschuss des Politbüros. Sein Mentor war der damalige Parteichef Hu Jintao. Hinter dessen Nachfolger, dem neuen KP-Chef Xi Jinping, ist Li heute die Nummer zwei in der kommunistischen Hierarchie.
Beim Führungswechsel in China, der in zwei Etappen verlief – Parteitag im November zur Wahl der neuen KP-Spitze und Volkskongress im März zur Wahl der neuen Regierung – , rivalisierten zwei Fraktionen miteinander. Xi Jinping gehört zu den sogenannten Prinzlingen, den Nachkommen früherer Parteigrößen, die sich der Förderung des ehemaligen Parteichefs Jiang Zemin erfreuen. Li Keqiang gehört zu den ehemaligen Aktivisten der Jugendliga um Hu Jintao.
Kommentare
Das muss nichts heißen...
"Jurist und Ökonom – nie hat ein besser ausgebildeter Premier an der Spitze der Regierung in Peking gestanden." Das hat nicht viel zu bedeuten. Die KPCh hat fast 78 Mio Mitglieder, fast so viel wir Deutschland Einwohner. Der Kurs der Partei = des Landes, wird er allein nicht großartig beeinflussen können. Warum auch? Es gibt kaum eine Gruppierung, die so gefestigt ist wie diese Partei. Da ist denen das Fordern von Menschenrechten(von außen) nicht mehr wert als ein müdes Lächeln. Das weiß die KP. Der "Westen" ist ohne China am Ende. Auch das weiß die KP. Jede Forderung von außen wird ignoriert. Das liegt schon im Selbstverständnis der faktisch unumschränkt herrschenden KP.
"Hoffnungen" richten sich auf ihn...
da klingt fast so als wäre China in der Krise - lustige typisch Deutsche Sicht, aber falsch, wir sind diejenigen die Kriseln, China wächst und wächst - und die Politik ist dank dem rapide steigenden Wohlstand irgendwie immer mehr von aussen als von innen in der Kritik - fast als würde man China und den Chinesen nicht gönnen, dass sie endlich wieder vorne mitspielen....
Den längeren Atem
Es war nicht China, die Erfolg monetär zu messen angefangen haben. Das waren schon wir. Was mich immer wieder fasziniert ist der Umstand, dass ein sozialistisches Land den besseren Kapitalismus macht. Das muss doch Olaf Henkel zur Verzweiflung bringen. Dieser ewig beschworene Zusammenhang, dass Demokratie eine direkte Folge von kapitalistischer Wirtschaftsweise sei - gibt's eigentlich einen noch besseren.
Und noch eins: statistischer Wohlstand muss nicht einen Wohlstand des Volkes bedeuten.
Aber mich interessiert, wie lange es die Chinesen noch im ewigen Smog aushalten. Auch wenn Herr Li der bislang best ausgebildetste Premier ist, er ist leider nur Jurist und Ökonom, eine verhängnisvolle Kombination. Geisteswissenschaft und der Drang, immer Recht haben zu wollen.
Wie lange kann man noch gleich den Atem anhalten?
Wie bei der Papstwahl
Woher kommt eigentlich diese immer wieder kehrende Illusion, die nächste chinesische Regierung werde mehr tun für Meinungsfreiheit und Menschenrechte als die letzte? Es ist doch extrem unwahrscheinlich, dass es in einem indoktrinierten Ein-Parteien-System einer nach ganz oben schafft, der diesem System die Grundlagen entziehen will. Und trotzdem hofft auch bei jeder neuen Papstwahl jeder auf Veränderung, obwohl das Konklave nach zwei stockkonservativen Päpsten praktisch nur noch aus Konservativen besteht.
Wieso erwarten wir bei Veränderung immer automatisch Verbesserung?
Wie beim Kreuzzug
Woher kommt eigentlich diese imer wieder kehrende Illusion, Meinungsfreiheit und Menschenrechte sind für jedes Land und jede Gesellschaft ein Schritt in die richtige Richtung? Es ist doch sehr unwahrscheinlich, dass in einem Land, in dem Armut das wesentlichste Problem ist, diese den Tod bedeuten kann - und welches gerade das größte Wohlstandswachstum der Geschichte produziert diese Dinge etwas anderes tun können als das Wachstum zu bremsen...