Washington, London und Paris sind nun überzeugt davon, dass das Assad-Regime am 21. August etwa 300 Menschen mit Kampfgas umgebracht hat. Eine "Antwort" stehe "kurz bevor", glaubt Senator Bob Corker, der auf seine Gespräche mit Regierungsvertretern am Wochenende verweist.
Das Weiße Haus selber wollte nur noch absolut sichergehen, dass die Regierungstruppen das Massaker angerichtet haben und nicht die Rebellen, die ein natürliches Interesse daran haben, den Westen in einen Krieg gegen Assad zu ziehen.
War es Assad, dann gäbe es keine moralischen Zweifel mehr. Gas
ist zwar nicht die "effizienteste", aber gemeinste Waffe, weil
sie seit Ende des Ersten Weltkrieges nur gegen Hilflose eingesetzt
worden ist, die nicht in gleicher Münze zurückzahlen können.
Zuletzt hat Saddam Hussein 5.000 kurdische Zivilisten – seine eigenen Bürger – 1988 in der irakischen Stadt Halabdscha mit Nervengas ermordet.
Und doch sollte Krieg nicht nur ein moralischer Reflex, sondern
auch wohlbedacht sein, darf die Wut nicht das strategische Denken
überwältigen.
Der geplante Angriff ist vorweg eine Strafaktion. Er soll nur zwei Tage lang dauern. Im östlichen Mittelmeer haben die USA vier Zerstörer mit Raketen aufkreuzen lassen. Jeder könnte bis zu 90 Marschflugkörper vom Typ Tomahawk abschießen. Womöglich sollen auch Bomber aus den USA ein- und gleich wieder zurückfliegen. Das wäre ein "chirurgischer Eingriff", eine eher symbolische Aktion.
Was dann?
Auch ein perfekter Tomahawk-Schlag kann nicht das gewaltige
C-Waffen-Arsenal des Regimes zerstören; es ist zu weit verstreut
und gut versteckt. Überdies sollten die USA es auch nicht wollen,
flöge dann doch das grausige Gift in die Luft, das schon
milligrammweise den Tod durch die Haut bringen kann.
Unterstellen wir
aber, die USA könnten dem Diktator die C-Waffen aus der Hand
schlagen. Leider machen die nur einen Bruchteil seines
Vernichtungspotenzials aus. Wer also das strategische Ziel des Regimesturzes verwirklichen und
dazu die humanitäre Krise wenigstens mildern will, kann es nicht bei
symbolischen Schlägen belassen, bei einer Bestrafung.
Das Assad-Regime kämpft auf Leben und Tod; seit fast drei Jahren zeigt es eine unheimliche Fähigkeit, auch die fürchterlichsten Schläge wegzustecken. Folglich gebietet die kalte strategische Logik: entweder richtig oder gar nicht. Richtig bedeutete einen wochen-, monatelangen Luftkrieg, der Assads Kriegsmacht dezimiert. Es bedeutet eine No-Fly- und eine No-Move-Zone.
Damit nicht genug. Ein Eingriff müsste noch drei weitere Ziele erreichen. Es muss die richtige Seite gewinnen. Also weder Al-Kaida, noch die einheimische Terrorbrigade Al-Nusra, die in ihren Gebieten ein Schreckensregiment errichtet haben, das dem von Assad nicht nachsteht. Der Krieg müsste ein Maß an Stabilität herstellen, das die Konflikte zwischen den Ethnien und Religionen eindämmt. Und er muss verhindern, dass der Binnenkrieg zum internationalen wird.
Der Zwei-Tage-Luftkrieg, der vielleicht schon in dieser Woche
beginnt, kann keines dieser Ziele verwirklichen. Er wäre gut für
das schlechte Gewissen des Westens, der zwei Jahre lang nur die Hände
gerungen hat.
Nur: Bomber befrieden nicht, erst recht nicht in einem
Bürgerkrieg, in dem es grundsätzlich keine Verhandlungslösung gibt.
Das beste Ergebnis ist noch die Teilung wie auf dem Balkan. Ansonsten
gewinnt der eine oder der andere, um dann grausame Rache an den
Verlierern zu nehmen.
Marschflugkörper können auch nicht die
Schutzverantwortung übernehmen; die fordert eine unbefristete
Militärpräsenz, die der Westen wie in Afghanistan und im Irak nicht
durchhält. So weit wollen wir nicht denken in unserem gerechten
Zorn, also wird der Befehl erteilt: "Feuer frei!"
Chris Harmer, ein früherer Planer für die U.S. Navy, bleibt skeptisch: "Taktische Schläge ohne strategisches Konzept sind gewöhnlich sinnlos und meistens zweckwidrig."
Kommentare
Katze aus dem Sack
Der Artikel liest sich ja ganz vernünftig. Nur, dass er unterschlägt, dass Saddam Hussein Gas im Krieg gegen den Iran eingesetzt hat, was damals den Westen nicht sonderlich gestört hat, weil es eben gegen Iran verwendet wurde. Dann lässt der Autor aber doch die Katze aus dem Sack, die Teilung Syriens, weil eine Verhandlungslösung, die noch nicht einmal versucht wurde, angeblich unmöglich ist. Tatsächlich geht es um die Zerstörung Syriens, auch wenn sich der Autor vielleicht nur in einem Nebensatz verplappert hat. Mit einer Teilung Syriens könnte die Achse Hizbollah-Iran gebrochen werden, so die Rechnung der Strategen. Ruhe wird es dennoch nicht geben.
Genau das dachte ich auch, als ich diesen Halbsatz las
und hier wird die Strategie dazu aufgezeigt:
http://globalresearch.ca/...
In Syrien ...
... kann es erst Frieden geben können, wenn die Industrienationen die Abhängigkeit vom Erdöl überwinden.
Wolf Niese; Berlin; 46 Jahre
Stahlbauschlosser
Syrien beliefert Deutschland mit max. 2%-Anteil
an gesamtdeutschen Ölimporten. Das Land ist KEIN Global Player im Öl- und Gasgeschäft, sonst wäre die milit. Intervention wie in Lybien längst erfolgt...
Bei Syrien geht es allein um die Russen am Mittelmeer und Iraner (im ganzen Nahen Osten).
Entfernt. Bitte verfassen Sie differenzierte Kommentare. Danke, die Redaktion/ls
Daran störe ich mich auch gewaltig...
...und auch an einigen anderen Formulierungen.
"Das Assad-Regime kämpft auf Leben und Tod; seit fast drei Jahren zeigt es eine unheimliche Fähigkeit, auch die fürchterlichsten Schläge wegzustecken. "
Unheimlich? Warum nicht gleich geheimnisvolle oder mysteriöse Fähigkeit?
Natürlich ist das hier ein Kommentar, aber warum muß man zu solchen Formulierungen greifen um ängste vor dem syrischen Regime zu wecken?
Praktisch ist auch mal wieder, wie nonchalant die Frage ignoriert wird das es keinen Beleg dafür gibt, das es überhaupt das Assad Regime war.
"Der Krieg müsste ein Maß an Stabilität herstellen, das die Konflikte zwischen den Ethnien und Religionen eindämmt."
Hat das irgendwann mal im Nahenosten geklappt? Krieg könnte theoretisch stabilität bringen?
Das schlimmste von allem aber, ist das es gar nicht mehr um moralische Fragen geht, sondern nur noch um die frage der praktischen Durchfürbarkeit.
Über 100.000 Menschen sind bis heuer gestorben. Ein grausamer aber überschaubarer C-Waffen Einsatz bringt aufeinmal eine Dynamik ins Spiel, die man vorher nicht erlebt hat.
Auch die Flüchtlinge interesiert irgendwie niemand! Der "gute" Westen mit dem bestreben die Menscheit von einem grausamen Tyrannen zu befreien, vergießt einfach die Menschen, die vor dem Bürgerkrieg geflohen sind.
Wo ist hier das schlechte Gewissen des Westens Herr Joffe und der dazugehöhrige Kommentar? Wo sind hier Moral und Ethik?
MfG
Kompromiss
Die Aktion ist ein Kompromiss, die USA muessen etwas tun, damit Obama nicht das Gesicht verliert und damit den anderen " bösen" Mächten die Gelegnheit bieten Ähnliches anzustellen.
Andererseits geht Obama mit Marschflugkörpern das geringste Risiko ein, da sich kein Fusssoldat auf Syrisches Gebiet begeben muss.
Was wird das Ergebnis sein? Es knallt an einigen Ecken heftig und die USA haben wieder mal gezeigt, wir können wenn wir wollen, aber wie auch der Artikel richtig beschreibt, es gibt keine sichtbare Strategie. Die Welt, allen voran die USA reagieren, es gibt aber kein bewusstes Agieren.
Das Problem ist vieldiskutiert, die Situation in Syrien scheint von aussen nicht lösbar.
Strategie
" aber wie auch der Artikel richtig beschreibt, es gibt keine sichtbare Strategie. Die Welt, allen voran die USA reagieren, es gibt aber kein bewusstes Agieren."
Nur weil Herr Joffe das schreibt, müssen Sie ihm das doch nicht glauben! Obwohl er eine Strategie in Abrede stellt, hat er sie doch verraten: Die Zerstörung und Aufteilung Syriens. Dafür darf gar keine Seite gewinnen. Es geht doch nur um die Schwächung Assads, der zur Zeit die Oberhand gewinnt. Bei ihm sind die Giftgasbestände besser aufgehoben als bei den westlichen "Verbündeten". Das wissen auch die Amerikaner. Das Ergebnis ist die perverseste aller Strategien: Das Schüren eines Bürgerkriegs bis zur entgültigen Zerstörung des Landes. Man sollte seine "Freunde" eben niemals unterschätzen.