Das geplante Freihandelsabkommen mit den USA, die Transatlantische
Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP), erregt die Gemüter. Kritiker
sagen, sie höhle Rechtsstaat und Demokratie aus, senke europäische Verbraucher-
und Datenschutzstandards und werde in aller Heimlichkeit ausgehandelt. Die Petitionsplattform Campact hat bereits fast eine halbe Million Unterschriften für einen
Verhandlungstopp gesammelt.
Auch Martin Schulz und Jean-Claude Juncker kritisieren die mangelnde Offenheit der Verhandlungen und die möglichen Senkungen europäischer Standards. Mit ihnen würde es keine "Chlorhühnchen" geben, betonten beide Kandidaten bei der TV-Debatte in der vergangenen Woche. Dennoch sprechen sich beide prinzipiell für das Abkommen aus.
Im Falle einer erfolgreichen Vereinbarung des Freihandels zwischen Europa und den USA würde jeder Europäer jährlich über rund 545 Euro mehr Kaufkraft verfügen argumentierte Juncker während des Duells. In einem Beitrag für den britischen Guardian schrieb Schulz, dass jede britische Familie jährlich 500 Pfund (rund 611 Euro) mehr in der Tasche hätte. Doch woher kommen diese Zahlen?
Juncker und Schulz scheinen sich auf eine im März 2013 veröffentlichte Studie des Centre for Economic Policy Research (CEPR) zu berufen. Im Auftrag der EU-Kommission untersuchte das Londoner Forschungsinstitut die möglichen Auswirkungen des Abkommens auf die europäische Wirtschaft. Dabei kamen die Ökonomen zu dem Ergebnis, dass eine umfassende transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft das europäische Bruttoinlandsprodukt um 119 Milliarden Euro steigern könnte. Einer vierköpfigen Familie stünden der Untersuchung zufolge dann durchschnittlich rund 545 Euro pro Jahr mehr zur Verfügung.
Mit der Behauptung, dass dieser Betrag jedem einzelnen Europäer zur Verfügung stünde, übertreibt Juncker den wirtschaftlichen Nutzen sehr deutlich. Sein Kontrahent Schulz rundet zwar etwas auf, zitiert die CEPR-Studie aber in etwa richtig.
Allerdings handelt es sich bei den 545 Euro pro Familie und Jahr um einen Durchschnittswert. Wie sich das Geld regional innerhalb von Europa und innerhalb verschiedener sozialen Schichten verteilt, bleibt offen. Außerdem würde der wirtschaftliche Nutzen erst im Jahr 2027 erreicht, also nachdem das Abkommen zehn Jahre in Kraft ist. Unabhängig davon ist aber auch der Durchschnittswert mit Vorsicht zu genießen.
"Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen" soll Mark Twain einmal gesagt haben. Die Untersuchung des CEPR beruht auf einer computergestützten Simulation der Weltwirtschaft mit der sich die Folgen des Freihandelsabkommen modellieren lassen. Derartige Simulationen haben allerdings ihre Grenzen. Außerdem zeigt ein genauerer Blick auf die Ergebnisse der Studie, dass Schulz' Aussage auf einem sehr optimistischen Szenario beruht.
In ihrer Studie entwickelt
das CEPR verschiedene Szenarien, sie hängen davon ab, wie umfassend der Freihandel beschlossen wird. Nur eine vollständige Abschaffung von Zöllen, der Abbau von 25 Prozent der
nichttarifären Handelshemmnisse für Waren und Dienstleistungen sowie der Abbau
der Hälfte aller Restriktionen im öffentlichen Beschaffungswesen hätten den
angegebenen Effekt. Ob sich ein derart optimistisches Szenario politisch
durchsetzen lässt, ist jedoch fraglich.
Kommentare
Das bringt nur Nachteile !
Man informiere sich über TTIP. Firmen werden solch massiven Rechte eingeräumt dass der Bürger nix mehr zu melden hat.
Nebenbei werden US Regelungen auch hier gültig, z.B. Fracking und Gen Food.
Langfristig ...
... bringt das Freihandelsabkommen nicht 600 € sondern kostet uns unschätzbar viel: insbesondere eine Auflockerung der Arbeitnehmerrechte, eine Missachtung des Umweltschutzes und eine außenpolitische Isolation durch die starke Anbindung an die USA.
http://stallman.org/image...
die Heimat der Demokratie...LOL
Na, das wird ja wieder eine tolle Wahl.
Beide Spitzenkandidaten befürworten das Freihandelsabkommen mit den USA..
So macht Demokratie Spaß :D
Das ist wirklich bitter
wenn man sich überlegt das es Konservative und Sozialdemokraten sind die andere Parteien als Populisten bezeichnen und jetzt versuchen Stimmung für dieses, nachweislich schreckliche, Abkommen.
Die Gründe sind vielfältig und schon offen benannt worden. Im Fernsehen unzähligen Zeitungsartikeln und vor allem auch in den Kommentarbereichen der großen Zeitungen im Netz und Social Media. Dieses Abkommen ist ein Abkommen, dass sowohl der Bevölkerung in den USA als auch in Europa schadet. In Europa sind die Folgen für die Demokratien in den jeweiligen Ländern aber um einiges schlimmer.
Wir begehen damit den unumkehrbaren Schritt in ein Oligarchie/Konzernokratie.
Wenn hier die Linken und Grünen (die in Europa dagegen stehen) nicht alles tun um die Bürger zu mobilisieren werde ich schwer enttäuscht sein. Sobald etwas Größeres stattfinden würde, konkret gegen das Freihandelsabkommen, wäre ich sofort dabei auf der Strasse.
Ich erwarte auch von Personen des öffentlichen Lebens (ja auch Journalisten) noch klarerer Positionierung gegen das Freihandelsabkommen. So oft macht sich die Presse gemein mit verschiedensten Sachen. Hier wäre es mal angebracht. Dieses Abkommen schadet 99% der Bevölkerung auf beiden Kontinenten.
Unterschreiben
Wie jetzt - es sind immer noch nicht 500 000??
Alle andern warten auf ihre Überweisung der 545 Euronen?
Chlorhühnchen sind Ihnen egal, da Vegetarier (wie ich)?
Wenn aber dem eigenen Parlament in Zukunft auf vielen Gebieten die Hände an das Abkommen gebunden sind und wir von unseren Steuergeldern hohe Strafen zahlen müssen (also quasi rücküberweisen), dann gibt es Katzenjammer.
Niemand bestreitet, dass es große Vorteile für internationale Konzerne geben wird. Nur welchen Menschen wird das helfen?
Ein Abkommen, von dem ich bisher lediglich weiß, daß es Firmen
vor irgendwelchen Geheimgerichten Klagemöglichkeiten gegen Staaten einräumt (dieses alberne Chlorhühnchen ist ein echter Witz, als wäre das das schlimmste und die Zeit beteiligt sich an dieser Volksverdummung..).
Diese Freihandelsabkommen ist so auf jeden Fall abzulehnen. Erst wenn es keinerlei Klagemöglichkeiten denn die vor einem normalen Gericht gibt, kann man überhaupt weiter darüber nachdenken, es umzusetzten.
Nur meine persönliche Meinung.