Als vor einigen Wochen die Ice Bucket Challenge startete, änderten viele Ukrainer die Spielregeln: Statt sich einen Eimer Eiswasser über den Kopf zu kippen und sich dabei zu filmen, warfen sie korrupte Politiker vor laufender Kamera in Mülleimer. Aus der Internetkampagne zugunsten der ALS-Forschung wurde die Trash Bucket Challenge.
Manche fanden das lustig, andere berechtigter Weise gefährlich. Tatsächlich landete der ein oder andere Volksvertreter, der sich wehrte, mit Gewalt in der Mülltonne. Die Trash Bucket Challenge zeigte aber vor allem, wie stark die Ukrainer fast ein Jahr nach Beginn des Volksaufstands gegen das plutokratische, Moskau-hörige Janukowitsch-Regime ihre eigene Macht einschätzen. Und natürlich, dass das Land dringend neue Volksvertreter braucht, keine für den Mülleimer.
Dafür haben die Ukrainer nun wohl gesorgt, mit dem klaren Votum für proeuropäische und prowestliche Parteien und gegen die bisher das Kiewer Parlament beherrschenden Vertreter der alten, gestürzten Führung. Schon allein die Tatsache, dass es nach dem neuen Präsidenten Petro Poroschenko nun auch ein frei und weitgehend fair gewähltes neues Parlament gibt, ist bemerkenswert.
Was hat dieses Land alles hinter sich: Vor zwei Jahren steuerte es noch direkt in eine Autokratie. Bei der Parlamentswahl 2012 kaufte sich die Regierung von Viktor Janukowitsch ganz offen Stimmen, die Korruption wuchs ähnlich stark wie die Bürgerrechte schwanden. Doch dann starteten die Ukrainer Ende 2013 die zunächst friedliche Revolution auf dem Maidan, Anfang 2014 flüchtete Janukowitsch vor dem Volk.
Die Zivilgesellschaft übernimmt die Macht
Danach annektierte Russland die Krim und entfachte im Osten des Landes einen Krieg, dem bis heute jeden Tag Menschen zum Opfer fallen. Doch trotz oder vielleicht gerade wegen des andauernden russischen Versuchs, das Land zu destabilisieren, geschieht das Gegenteil. Ende Mai wählten die Ukrainer Poroschenko mit nie dagewesener Einigkeit im ersten Wahlgang zum neuen Präsidenten. Nun folgt der Neuanfang im Parlament.
Die Idee der Revolution wird so Realität, Stück für Stück. Der unbändige Mitbestimmungswille der Ukrainer raubt einem als Zuschauer den Atem. Während man in Deutschland an das 25-jährige Jubiläum des Mauerfalls erinnert, zeigen die Ukrainer in der Gegenwart, wie ein Volk seinen Staat von Autokratie auf Demokratie umkrempelt, ohne große Hilfe von außen.
Das Erwachen der Zivilgesellschaft, ihr Interesse am Politischen, die Teilhabe vor allem junger Menschen am Wandel ihres Landes ist überwältigend. Und eine Demonstration in Richtung Moskau und Europa gleichermaßen: Dieses junge Land, das es erst seit 23 Jahren als eigenständigen Staat gibt, behauptet und erneuert sich.
Kommentare
ein Traumergebnis
Alle Demokraten können sich freuen. Proeuropäische Politiker, die das Land reformieren wollen.
Putin wird weiter brüllen: "Alles Faschisten". Aber in Frankreich oder Österreich bekamen Rechtspopulisten mehr Stimmen als in der Ukraine. In Putins Russland sowieso.
Das macht es nicht besser
Wenn in anderen Ländern ebenfalls faschistische Tendenzen existieren, macht dies das Ergebnis in der Ukraine keinesfalls besser. Man muss sich schon wundern, welch illustre Truppe da in die EU will. Dass die EU eine Regierung unterstützt, die in Teilen offen faschistisch ist, stimmt schon nachdenklich.
Wahlen.
Es ist ein fantastisches Ergebnis für die Ukraine. Endlich konnten die Bürger ihren Willen ausdrücken und bekommen nun, was sie sich so sehr wünschen: Demokratie, Europa, Frieden.
Das Beste daran ist aber, dass der russischen Propaganda der Wind aus den Segeln genommen wurde.
Alles Gute an die neue Regierung.
Ich wünschte, dass Sie recht haben,
aber wahrscheinlich bekommen die Bürger der Ukraine weder Demokratie, noch Europa und Frieden.
Fantastisch ...
<<< Es ist ein fantastisches Ergebnis für die Ukraine. Endlich konnten die Bürger ihren Willen ausdrücken und bekommen nun, was sie sich so sehr wünschen: Demokratie, Europa, Frieden. <<<
... eine Wahlbeteiligung knapp über 50%, absolute Mehrheit der künftigen Abgeordneten aus dem kleptokratischen Politestablishment und Oligarchenmarionetten, über 13% der Stimmen an genuin rechtsradikale Parteien, über 30% an teils-nationalistische Parteien, nochmal das gleiche an mehr oder weniger bürgerliche Parteien. Linke Parteien, die den kommenden Ausverkauf der Ukraine auf dem Weg in den (für die Oberschicht) goldenen Westen kritisieren könnten, oder die für Arbeitnehmerrechte eintreten, gibt es faktisch nicht in der neuen Rada.
Tolle Vorraussetzungen für Demokratie, Europa und Frieden!
Aber wenigstens kann Yazenuk nun seine neue große Mauer zu ende bauen und aufrüsten. Das wird die Situation für die Ukrainer enorm verbessern!
Wahl hat dem Feindbild Ukraine das Wasser abgegraben
Zitat: >>> Wahlen.
Es ist ein fantastisches Ergebnis für die Ukraine. Endlich konnten die Bürger ihren Willen ausdrücken und bekommen nun, was sie sich so sehr wünschen: Demokratie, Europa, Frieden.
Das Beste daran ist aber, dass der russischen Propaganda der Wind aus den Segeln genommen wurde.<<<
Genau so ist es, denn die Wahl hat drei wichtige Punkte geradegerückt, die von einem großen Teil aufgeregter Foristen immer wieder gegen die Ukraine in Stellung gebracht wurden:
1. Die Mehrheit der Wähler wollte Janukowitsch tatsächlich loswerden, das sehen wir durch das Mini-Wahlergebnis für seine Partei der Regionen nun bestätigt
2. Die Mehrheit der Ukrainer wählt deutlich pro-europäisch, d.h. sie stimmt für eine politische und wirtschaftliche Annäherung an die EU
3. Die überwältigende Mehrheit der Ukrainer geht selbst jetzt in der Zeit bewaffneter Konflikte nicht rechtsradikalen Parteien auf den Leim
Guter Punkt!
"1. Die Mehrheit der Wähler wollte Janukowitsch tatsächlich loswerden, das sehen wir durch das Mini-Wahlergebnis für seine Partei der Regionen nun bestätigt."
Der alberne russische Faschismusvorwurf verschleiert gelegentlich doch das offensichtliche. Danke für diesen guten Hinweis. Sehr wahr!
nicht ungeduldig werden
Die Ukraine wurde 20 Jahre lang schlecht regiert. In wenigen Monaten lassen sich in diesem von Russland angegriffenen Staat keine Wunder vollbringen. Der Weg zu Rechtsstaat und fester Demokratie wird Jahre brauchen. Aber die Ukraine ist jetzt auf einem guten Weg.
Wie aber sieht es in Russland, Weissrussland, Kasachstan aus ? Die Despotie nimmt zu. Ein Beispiel: Auf der Krim werden die Tartaren ihrer Rechte beraubt, wer ukrainisch spricht, wird diskriminiert.
http://info.arte.tv/de/krimt…
Quatsch Comedy Club
Haben Sie ihren zweiten Absatz überhaupt durch gedacht. Was haben die Tataren auf der Krim mit Kasachstan zu tun. Aber Sie kennen wahrscheinlich Kasachstan nur aus dem Film "Borat". Ein Armutszeugnis für die Allgemeinbildung. Pisa lässt grüßen.
Propaganda entlarvt!
Und einmal mehr wurde das russische Lügenmärchen von den "Faschisten in Kiew" eindrucksvoll entlarvt! Überall dort, wo die "Separatisten" die Wahlen nicht mit Waffengewalt verhindert haben, wurde eindeutig für einen demokratischen, proeuropäischen Kurs gestimmt, was Putin natürlich gar nicht in den Kram passt! Aber die Kreml-Schreiber werden hier und anderorts natürlich trotzdem weitermachen - soviel ist gewiss!
Lügenmärchen, ja klar
"Und einmal mehr wurde das russische Lügenmärchen von den "Faschisten in Kiew" eindrucksvoll entlarvt!"
Haha. Die Partei der Nuland-Marionette Jazenjuk Volksfront hat 21% erzielt. Dort sind Rechtsnationalisten wie Andriy Parubiy und andere strammrechte Milizenführer untergekommen. Die Radikale Partei von Oleh Lyashko und die rechtsextreme Swoboda kommen jeweils aus über 6% und sind in der Rada. Auch die stramm nationalistische Vaterlandspartei der Kampfamazone Timoschenko dürfte es knapp schaffen.
Um genau zu sein sind 2/3 der zukünftigen Abgeordneten in rechtsnationalistischen Sprektrum einzuordnen. Allen gemein ist ihr Russenhass. Nein, jetzt darf Russland erst recht besorgt sein.
Und der Rechte Sektor hat bereits angekündigt in den Untergrund zu gehen und den Konflikt auf seine Art zu lösen in der Ostukraine.