Obamas Gesundheitsreform ist das Schlimmste, was den USA seit der Sklaverei passiert ist, Homosexualität ist eine freiwillige Entscheidung, Political Correctness ist gefährlich und erinnert an Nazi-Deutschland – solche Parolen kennt man aus dem radikaleren Teil des politischen Spektrums, das die amerikanischen Republikaner ansprechen. Dass ein weltbekannter Mediziner im Ruhestand ohne politische Erfahrung mit solchen Ansichten für Furore sorgt, wenn er eine Nominierung der Partei als Präsidentschaftskandidat für 2016 anstrebt, ist klar. Schon lange wurde Ben Carson unterstellt, sein Ziel sei das Weiße Haus. Inzwischen gilt seine Kandidatur als ausgemacht: Längst heuert er Berater an, hat Millionen an Spenden gesammelt; Anfang Mai will er endgültig entscheiden, ob er sich dem Nominierungswahlkampf stellt.
Die Öffentlichkeit kennt Ben Carson vor allem als Neurochirurgen, der unzählige spektakuläre Operationen zur Trennung siamesischer Zwillingen ausgeführt hat. "Begnadete Hände" soll er haben, so heißt auch seine Bestseller-Autobiografie. 1987 führte er an den Binder-Zwillingen aus Ulm eine der wenigen erfolgreichen Trennungen von am Kopf zusammengewachsenen siamesischen Zwillingen durch. Beide Patienten überlebten den Eingriff. Politisch machte er erst vor zwei Jahren wirklich auf sich aufmerksam.
Anfang 2013 sollte der Neurochirurg eine Rede beim National Prayer Breakfast, einem Bankett für politische Entscheidungsträger in Washington, halten. Niemand erwartete provozierende Äußerungen von Carson, als dieser ans Pult trat. Was folgte, war eine 27-minütige Abrechnung mit der Regierung Obama. Wie im alten Rom herrsche "moralischer Verfall und fiskalpolitische Verantwortungslosigkeit". Mithilfe von Bibelpassagen argumentierte er gegen die progressive Einkommensteuer und wetterte gegen die hohe Staatsverschuldung. Carson entwickelte sich über Nacht zur rechten Galionsfigur der USA. Die konservative Presse feierte ihn. Vor allem der Fernsehender Fox News hofierte den Mediziner, der daraufhin für verschiedene Sendungen regelmäßig das politische Tagesgeschehen aus streng konservativer Perspektive beurteilte.
Der gelebte amerikanische Traum
"Wenn ich für das Amt des Präsidenten kandidiere, dann deshalb, weil ich weiß, was es heißt, in schwierigen Verhältnissen aufzuwachsen. Ich weiß, dass Bildung der Weg aus der Armut ist" – mit diesen Worten stellt sich Carson in einem Internetvideo vor. Bildung soll sein Thema werden im Wahlkampf. Über einen eigenen Fonds hat er nach eigenen Angaben bereits 6.200 Studenten mit Stipendien gefördert.
Den ersten politischen Patzer hat er schon hinter sich. Homosexualität sei eine freie Entscheidung, sagte er vergangene Woche dem amerikanischen Nachrichtensender CNN. Im Internet entstand ein Shitstorm. Sogar US-Vizepräsident Joe Biden kommentierte Carsons Äußerungen. Die Zuneigung der ultrakonservativen Tea-Party-Bewegung, die ihn unterstützt, dürfte Carson dennoch sicher sein.
Ganz nach dem Geschmack der Tea Party präsentiert sich Carson bewusst als Außenseiter. Er kokettiert damit, nie ein politisches Amt bekleidet zu haben. Als Neurochirurg genießt er höchsten Respekt in der Öffentlichkeit. Ex-Präsident George W. Bush überreichte ihm die Presidential Medal of Freedom, seine Autobiografie wurde ein Bestseller. Sogar Hollywood verfilmte sein Leben, die Hauptrolle spielte der bekannte Schauspieler Cuba Gooding Junior.
Mit Barack Obama hat Carson einiges gemeinsam. Wie der US-Präsident gilt er als Musterbeispiel für Schwarze, die es aus schwierigen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen nach oben geschafft haben. Seine Geschichte verkörpert den Amerikanischen Traum schlechthin. Aufgewachsen in den Ghettos von Detroit, wurde er zu einem der berühmtesten Mediziner der Welt. Er erzählt gern, dass seine Mutter ihn täglich in die Bibliothek schickte, um zu lernen, sein Gehirn zu benutzen. Nach seinem Studium wurde er mit 33 Jahren zum jüngsten Chefchirurgen des international renommierten John-Hopkins-Universitätsklinikums in Baltimore. Ähnlich steil war auch die Karriere des jungen Obama.
Carson gilt vielen schwarzen Jugendlichen als Vorbild. Afroamerikanische Eltern geben ihren Kindern dessen Autobiografie, um ihnen zu zeigen, dass auch sie es in Amerika schaffen können.
Kommentare
Regen oder Traufe
Der US-Amerikaner werden also voraissichtlich die Wahl haben zwischen einem Rechtskonservativen und einer Feministin (Clinton).
Anmerkung: Bitte äußern Sie sich sachlich und argumentativ. Die Redaktion/mak
Clinton eine Feministin?
Wäre schön, wenn das so wäre.
Präsidenten sind weiß und männlich, oder werden so im Amt
"1. Weiße Männer gibt es in Amerika nicht mehr?"
Wer sagt das denn? Der total weiße American Sniper hat eines der besten Einspielergebnisse in der Geschichte Hollywoods produziert. Die Farbigen, die Präsident werden sind vermutlich nur noch der Hautfarbe nach Farbige. Und vermutlich wird man solche Aussagen auch für das Geschlecht treffen können. Wenn es eine weibliche amerikanische Präsidentin geben würde, was ich nicht glaube, nach dem was die Demokraten in den letzten Jahren an Politik gemacht haben. Das Amt macht den Inhaber zu etwas das so funktioniert wie ein Mensch in der Position funktionieren muss: weiß, machtbewusst, männlich und kompromisslos.
Zustimmung
"Die Farbigen, die Präsident werden sind vermutlich nur noch der Hautfarbe nach Farbige."
Das ist so zutreffend, dass ich über die Verwendung des Begriffs "Farbige" mal hinwegsehen kann ohne zu schimpfen, aber das Standardvideo gibt's dennoch:
https://www.youtube.com/w...
Wenn er es schafft und wenn er es ernst meint
gute Bildungschancen für alle auch in der republikanischen Partei als wichtigste innenpolitische Aufgabe durchzusetzen, dann hätte er langfristig mehr für soziale Gerechtigkeit erreicht als alle Hilfsprogramme.
Persönlich finde ich ihn unappetitlich. Die Ablehnung staatlicher Fürsorge für die Schwachen sehe ich als Attitüde eines Herrenmenschen, der seine eigenen überragenden Fähigkeiten als Verdienst betrachtet.
Das macht er schon geschickt
es gibt in den USA mehr weiße Rassisten als schwarze Wähler. Es macht keinen Sinn, wenn man Präsident werden will, um die schwarzen Stimmen mit Äußerungen zu polizeilichem Rassismus zu punkten, man würde dort viel weniger Stimmen dazu bekommen als man auf dem rechten Flügel der GOP verlieren würde.
Es ist auch kein wichtiges Thema, denn die Opfer schwarzer Polizeigewalt sind ja meist arm, Unterschicht. Die Polizei dort ist unserer insofern ein wenig vorraus, dass sie bei einem Schwarzen im Anzug am Steuer einer Luxuskarosse nicht das volle Programm auspacken. Und sie erschießen hin und wieder auch unschuldige Weiße, so zum Ausgleich. Möchte jemand Quellen?
Da sind unsere nicht so geschickt, die kassieren schon mal einen Anwalt ein, weil er mit der falschen Hautfarbe einen Brief beim BVerfG einwirft, Dr. David Schneider-Addae-Mensah
Rassisten
Naja, richtige Rassisten würden ihn trotzdem nicht wählen, egal auf welche Seite er sich stellt.