Als der Kleinbus am Samstagabend kurz nach 22 Uhr auf dem Minsker Ost-Busbahnhof einbiegt, wird er sogleich von Jubelchören umschlossen. "Zhywe Belarus!" – "Es lebe Belarus!" Die Schlachtrufe der belarussischen Opposition hallen durch den Minsker Nachthimmel. "Es lebe Belarus!", gibt Nikolai Statkewitsch mit erhobener Faust zurück, kaum dem Kleinbus entstiegen.
Am Samstagabend wurden der ehemalige oppositionelle Präsidentschaftskandidat Statkewitsch sowie fünf weitere politische Gefangene überraschend aus der Haft entlassen. Statkewitsch selbst – der "Mandela von Belarus" – gab sich bei seiner Ankunft gut gelaunt und kämpferisch. Spekulationen, er könnte nach seiner Freilassung – wie auch andere Oppositionelle vor ihm – Belarus verlassen, schlug er sogleich in den Wind. "Ich habe im Gefängnis vielleicht zwei, drei Tage Englisch gelernt, dann habe ich es gelassen", scherzte Statkewitsch vor den Journalisten. "Ich werde weiterkämpfen, um Belarus zu einem freien und normalen Land zu machen!"
Erst knapp drei Stunden zuvor hatte sich die Meldung über die Freilassung Statkewitschs verbreitet – wohl auch, um größere Menschenansammlungen zu vermeiden. Statkewitsch war einer der Anführer der Massenproteste im Dezember 2010, als in Minsk Tausende Menschen gegen mutmaßliche Wahlfälschung bei den Präsidentschaftswahlen protestierten. Statkewitsch war selbst als Kandidat der proeuropäischen Kräfte angetreten. Er wurde am Wahlabend festgenommen und später wegen "Organisation von Massenunruhen" zu sechs Jahren Haft verurteilt. Erst vor wenigen Tagen, am 12. August, hatte er seinen fünften Geburtstag in Folge im Gefängnis gefeiert. Wie jedes Jahr hatten Anhänger vor den Gefängnistoren in Mahiljau ein Feuerwerk zu seinen Ehren veranstaltet. "Ich konnte es nicht sehen, aber hören", so Statkewitsch bei seiner Freilassung in Minsk. "Ich habe ständig eure Unterstützung gespürt."
Amnestie wird als Zugeständnis an den Westen gesehen
Die Freude über die Freilassung ist unter den Mitstreitern freilich grenzenlos. "Genau mit diesem Menschen verbinden die Belarussen ihre Hoffnungen auf eine Veränderung im Land", so der Koordinator von European Belarus, Dmitri Bondarenko. Ein wirkliches Tauwetter sei das aber freilich nicht, sind sich Experten und Mitstreiter einig – wenngleich die Amnestie durchweg als ein Zugeständnis an den Westen gesehen wird, der immer wieder die Freilassung der politischen Gefangenen gefordert hatte.
Am 11. Oktober finden in Belarus Präsidentschaftswahlen statt, und der Sieger steht heute schon fest: Alexander Lukaschenko. "Im Gegenzug wird die belarussische Führung verlangen, dass das Wahlergebnis im Herbst anerkannt und die Sanktionen durch den Westen eingestellt werden", schreibt dazu der Politikbeobachter Andrej Fedorow.
"Lukaschenko spekuliert darauf, an westliches Geld zu gelangen, wobei dieses Geld nicht eingesetzt wird, um die Wirtschaft, sondern nur das eigene Regime zu retten", so der ehemalige Diplomat und Oppositionelle Andrej Sannikow, der selbst nach den Protesten 2010 für mehrere Monate inhaftiert wurde. Tatsächlich ist Belarus zu einem Nebenschauplatz der russischen Wirtschaftskrise geworden: Russland ist für Belarus mit Abstand der wichtigste Handelspartner, infolge der russischen Krise sind die Auftragsbücher allerdings leer. Der belarussische Rubel, der "unglückliche kleine Bruder Russlands", wie ihn Bloomberg zuletzt nannte, hat massiv an Wert verloren. Zehn Prozent hat der russische Rubel bereits seit Anfang August an Wert eingebüßt, im Vergleich zum Vorjahr sind es sogar 70 Prozent.
Kommentare
wenngleich die Amnestie durchweg als ein Zugeständnis an den Wes
"wenngleich die Amnestie durchweg als ein Zugeständnis an den Westen gesehen wird, der immer wieder die Freilassung der politischen Gefangenen gefordert hatte".
Die EU sollte aufören, sich in die inneren Angelegenheiten einer demokratisch gewählten Regierung einzumischen.
Stattdessen sollte die EU mal Vorschläge zur Lösung der eigenen Probleme machen.
Mord, Folter, Unterdrückung...
-Zitat- Recep, 1.
"Die EU sollte aufören, sich in die inneren Angelegenheiten einer demokratisch gewählten Regierung einzumischen."
Kann es sein. dass Sie nicht wirklich eine Ahnung haben was Sie hier für einen Unsinn reden.
Alexander Lukaschenko ist definitiv durch Manipulation,
Wahlfälschung an die Macht gekommen!
Er ist was er ist:
Ein Despot, ein Diktator, ein schwer Krimineller...
Er hat Oppositionelle mundtot gemacht...
Politische Gegner und kritische Pressevertreter eingesperrt...
Mehrere Politiker, Oppositionelle und Journalisten verschwanden spurlos...
Um nur ein paar seiner kriminellen Machenschaften zu nennen...
Das sollte Mr.Obama aucht tun
und den Dissidenten Mannings freilassen sowie die Verfolgung der Dissidenten Snowdon und Assange einstellen.
Assange ist kein US-Dissident, weil australischer Staatsbüger.
Manning sitzt wohl ggw. wieder in Isolationshaft, weil er im Knast "verbotene Schriften" (u.a. den Senatsbericht über Folterei) gelesen und in der Kantine mit Krümeln geworfen haben soll...kein Scherz.
auch die
belarussische Bevölkerung ist gelähmt. Der Großteil will keinen Wandel und würde selbst ohne Wahlfälschung zu über 60% Lukaschenko wählen. Weil es keine Alternative gibt in einem Land, welche die Opposition faktisch nicht zuläßt.
Interessant, wie die Diktatorenfans
im Forum reflexhaft Lukaschenko beispringen.
(Putin ist gerade nicht Thema...)
Die Begnadigung von Mikalaj Statkjewitsch ist eine so durchsichtige Aktion, daß wohl nur die dämlichsten Leute auf sowas reinfallen. Bis letzte Woche Donnerstag hätten die "Oppositionsparteien" jeweils 100 000 Unterschriften zur Wahlzulassung beibringen müssen. Geht aus dem Knast nur schlecht.
Wer sowas auch nur ansatzweise verteidigt oder mit Verweis auf (durchaus vorhandene) demokratische Defizite des Westens relativiert, hat von Demokratie offensichtlich nichts, aber auch gar nichts, verstanden.
Guter Kommentar im DLF heute morgen dazu:
http://www.deutschlandfun...
Mal nachdenken
>>Bis letzte Woche Donnerstag hätten die "Oppositionsparteien" jeweils 100 000 Unterschriften zur Wahlzulassung beibringen müssen. Geht aus dem Knast nur schlecht.<<
Ist da nicht die Rede von "Parteien"?
Seit wann besteht eine Partei aus einer Person?
Sollte das so sein, dann hieße das, das ein Diktator einen Möchtegerndiktator hinter Gitter gebracht hätte.