Das Schengener Abkommen gehört zu den großen Errungenschaften der Europäischen Integration. Seit Mitte der neunziger Jahre steht der Begriff für die Abschaffung der Personenkontrollen an den Binnengrenzen und damit für Reisefreiheit und ein "Europa ohne Schranken".
Wegen der Flüchtlingskrise setzen allerdings immer mehr der 26 Schengen-Staaten die Regelung aus. Kontrollen werden durchgeführt, Zäune errichtet. Zuletzt kündigten Österreich und Schweden an, die Einreise stärker überwachen zu wollen. Wie vertragen sich diese Maßnahmen mit europäischem Recht?
Grundsätzlich sind die Schengen-Regeln weniger streng, als man meinen könnte. Laut Artikel 21 des gemeinsamen Grenzkodex (PDF) ist die Überprüfung von Personen nach wie vor ohne Weiteres möglich, solange die Maßnahmen "nicht die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen" haben. Punktuelle Überprüfungen hinter den Übergängen, vor allem als Mittel gegen grenzüberschreitende Kriminalität, waren deswegen auch vor der Flüchtlingskrise Alltag. Doch selbst echte Grenzkontrollen sind im Falle einer "Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit" laut der Vereinbarung möglich. Eine solche Ausnahme soll in der Regel aber nur für zehn Tage gelten und kann maximal auf zwei Monate ausgeweitet werden.
Übersicht: Grenzkontrollen im Schengen-Raum
In der Flüchtlingskrise setzen zahlreiche europäische Staaten auf Kontrollen und Zäune.
Darüber hinaus haben die Länder die Möglichkeit, ihre Grenzen während Großveranstaltungen zu kontrollieren. Auch für solche Fälle gilt eine
kurze Begrenzung von in der Regel maximal 30 Tagen. Zuletzt kündigte etwa
Frankreich einen solchen Schritt für die Ende November in Paris
stattfindende UN-Klimakonferenz an. Deutschland hatte Schengen auf dieser Grundlage im Juni zum G7-Gipfel im bayerischen Schloss Elmau ausgesetzt.
Arabischer Frühling brachte neue Ausnahme
In vielen Mitgliedstaaten haben die Maßnahmen allerdings
einen Charakter, der über diese ursprünglichen Ausnahmen hinausgeht. Bestes Beispiel
ist Ungarn, das im Sommer zunächst mit einem Zaun
die Grenze zu Serbien abriegelte, mittlerweile aber auch feste Anlagen an den
Übergängen zu den Schengen-Mitgliedern Slowenien und Rumänien errichtet
hat. Dass die Maßnahmen innerhalb der genannten kurzen Zeiträume zurückgenommen werden, ist nicht absehbar.
Doch selbst dieses Vorgehen ist nicht im Grundsatz ohne rechtliche Grundlage. 2013 einigten sich die Schengen-Länder, die EU-Kommission und das Europäische Parlament vor dem Hintergrund des Arabischen Frühlings auf eine weitere Ausnahme. Wegen der vielen Flüchtlinge aus Nordafrika dürfen die Grenzen seitdem für einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren kontrolliert werden. Auf die zugrunde liegende "Notfallklausel" hatte insbesondere Deutschland gedrängt. Voraussetzung ist eine Erlaubnis der europäischen Staats- und Regierungschefs, die bisher allerdings von keinem Land beantragt wurde.
Kommentare
Und ist das nach EU-Recht überhaupt erlaubt?
Diese Frage hätte -- angesicht der Geschehnisse der vergangenen Monate -- schon zu manch anderer Gelegenheit gestellt werden müssen...
Wie der Artikel berichtet "Auf die zugrunde liegende "Notfallklausel" hatte insbesondere Deutschland gedrängt. "
Kommen ein paar tausend - Notfall. Kommen 10.000 am Tag - willkommen!
Ich finde es schade, dass es zu Grenzkontrollen innerhalb der Union kommt. Wieso kann man nicht in einem gemeinsamen Einsatz wenigstens die Außengrenze sichern? Mit Zäunen, Patrouillen etc. Was Frontex gerade macht, ist ja alles schön für die Kamera. Aber in der Tat ist es nur Beihilfe für eine komfortable illegale Einreise in die EU. Da freut sich mancher Schlepper über neue Kunden.
Jetzt wo die meisten Aufnahmeländer überfordert sind und die anderen sich weigern, kommt man nicht drum herum, die Balkanroute-Reisenden in den Lebanon fahren.
Richtig. Man könnte die Aussengrenzen sichern, dort könnte man auch massivere Absperrungen errichten. Die Übergänge lässt man offen, damit die Menschen passieren können, man hat aber im Falle eines Falles die Möglichkeit, regulierend einzugreifen, wenn keine weiteren Menschen mehr aufgenommen werden können.
Ich sehe da überhaupt kein Problem. Frau Merkel hat ja auch einfach das Dubblin-Abkommen außer Kraft gesetzt. Also kann doch eh jeder machen was er will. Und nach meiner Wahrnehmung leidet Europa durch die Flüchtlingsströme unter einer Notsituation. Da ist alles richtig was hilft.
Die Bundesregierung hat Dublin nicht außer Kraft gesetzt, sondern das Selbsteintrittsrecht von Dublin III (Artikel 17) angewendet.
„In Europa werden in der Flüchtlingskrise immer mehr Grenzen kontrolliert, wie unsere Kartei zeigt. Und ist das nach EU-Recht überhaupt erlaubt? „
Also wen die EU die Sicherung der Nationalgrenzen verbietet bleibt einem souveränen Staat nur der sofortige Austritt aus dieser EU übrig. Danke schön an BK Merkel, sie zerstört nicht nur unser Deutschland sondern noch die EU. Ihre Auftragsgeber jenseits des großen Meeres werden ihr dankbar sein.
Sie haben das Prinzip Schengen offenbar nicht verstanden. So gesehen müssen alle Länder, die sich dem Schengenverfahren unterworfen haben aus der EU austreten.
Also alle!
Nachdenken hilft gelegentlich.