Reformer und moderate Konservative liegen bei der iranischen Parlamentswahl laut Medienberichten in Führung. Wie erste Teilergebnisse der Parlamentswahl zeigten, wird keine der drei politischen Fraktionen eine alleinige Mehrheit in der 290 Sitze zählenden Versammlung gewinnen. Reformisten, die nach größeren demokratischen Änderungen streben, sind demnach auf dem Weg, so stark abzuschneiden wie seit 2004 nicht mehr.
Offizielle Vertreter gaben bislang noch keine vorläufigen Ergebnisse bekannt. Die Auszählung dauert an und es kann Tage dauern, bis ein offizielles Ergebnis fest steht. Das Votum gilt als richtungsweisend, weil es Auswirkungen auf den Reformkurs von Präsident Hassan Ruhani und eines Tages auch auf einen Nachfolger des konservativen Staatsoberhaupts Ajatollah Ali Chamenei haben könnte
Nach Angaben des iranischen Innenministeriums haben 33 von 55 Millionen wahlberechtigten Iranern an der Parlamentswahl teilgenommen. Damit lag die Wahlbeteiligung bei 60 Prozent und konnte die vom Innenministerium erhofften 70 Prozent nicht erreichen. Beobachter glauben, dass die Reformer um Ruhani von der hohen Wahlbeteiligung profitieren werden. Die Ergebnisse aus den Großstädten, besonders der Hauptstadt Teheran, seien noch nicht bekannt, sagte Ministeriumssprecher Hussein-Ali Amiri. In einigen Städten werde es aber zu einer Stichwahl kommen, weil die Kandidaten nicht die erforderlichen 25 Prozent der Stimmen erhalten haben.
Die Wahl des Parlaments und des mächtigen geistlichen Expertenrates war die erste im Iran seit dem Abschluss des Atomabkommens mit dem Westen im Juli 2015. Die Wahllokale sollten am Freitag eigentlich um 18 Uhr schließen, blieben aber wegen des hohen Andrangs fast sechs Stunden länger geöffnet.
Expertenrat wählt obersten geistlichen Führer
Die Teilergebnisse aus rund 50 kleineren Städten zeigten, dass die Reformer und ihre moderaten Verbündeten vor den Konservativen und den Hardlinern führten. In der Hauptstadt Teheran bestätigten Vertreter von drei unterschiedlichen Distrikten, dass Reformisten deutlich vor ihren Rivalen führten. Das Lager der Hardliner besteht weitgehend aus Anhängern von Ruhanis Vorgänger Mahmud Ahmadinedschad. Um diese Fraktion zu übertrumpfen, haben sich die Reformer mit den moderaten Konservativen verbündet.
Die Wahlberechtigten konnten unter 6.200 Kandidaten auswählen. Der Expertenrat hat 88 Mitglieder und wählt den obersten geistlichen Führer des Landes aus. Das Amt hat derzeit Ajatollah Ali Chamenei inne. Aufgrund des Alters des 76-Jährigen gilt es als durchaus möglich, dass der Expertenrat während seiner nächsten Amtsperiode über einen Nachfolger beraten muss.
Kommentare
Die Hoffnungsfunken im Iran und für das iranische Volk erstrahlen derzeit Stück für Stück heller. Es scheint, als hätten die Menschen die internationale Isolation satt.
Hier wird ein richtiger Weg beschritten. Ein Weg, der viele Abzweigungen kennt. Doch die Iraner werden sich vorsehen müssen: Es gibt auch Abzweigungen, die in die Irre führen. Oder zurück in die Isolation...wenn nicht gar noch schlimmeres.
Denn so einfach werden die Hardliner wohl nicht kapitulieren...
Hoffnungsfroh stimmt mich, dass es wohl in der Provinz eine deutliche Tendenz zu den Reformern gibt.
Der ländliche Bereich wählt traditionell eher reaktionär. Das ist im Iran nicht anders als in Deutschland.
War unter dem progressiven Ex-Präsidenten Chatami alles schonmal ähnlich. Letztlich wurde er aber von den Hardlinern ausgebremst.
Bleibt zu hoffen, dass Ruhani diesmal die Chance nutzen kann. Dazu muss er aber entschlossen den Kampf mit den religiösen Machthabern durchziehen.
Wie stellen Sie sich eigene dich Hassan Rohani vor?
"Dazu muss er aber entschlossen den Kampf mit den religiösen Machthabern durchziehen."
Hassan Rohani
"ist ein iranischer Politiker und ein schiitischer Mudschtahid (Rechtsgelehrter) mit dem religiösen Titel Hodschatoleslam."
https://de.wikipedia.org/...
Mich verwirrt dieser Beitrag. Hieß es nicht vor einigen Wochen, der Wächterrat hätte so gut wie keine Reformer zur Parlamentswahl zugelassen ? Wie können Reformer jetzt plötzlich so viele Mandate haben ?
Es stand ja zu erwarten, dass man wieder dem Wächterrat die Sache in die Schuhe schieben will.
Auch unter "Reformer" Rohani sind Hinrichtungen nicht zurückgegangen, die Kerker nicht geleert worden. Immerhin kann man im Westen so weiter ein ruhiges Gewissen haben: http://www.theeuropean.de...
Die Wahlen bleiben, dem iranischen System geschuldet eine Farce.
Das liegt aber nicht an Hassan Ruhani, sondern an dem System. Ruhani verspricht Wandel, doch er weiß, dass er, wenn er zu schnell und zu offensichtlich gegen die Ayatollah vorgeht, ebenso enden wird, wie die anderen hoffnungsvollen iranischen Reformer der Neunziger und Nuller-Jahre.
Der Wandel im Iran wird viele Jahre dauern, doch dass er kommen wird, war klar, mit dem Tag der Unterzeichnung des Atom-Abkommens. Der Westen - nun Handelspartner - taugt nicht mehr als Feindbild und die Islamische Republik ist schon längst heillos zerstritten mit anderen islamischen (sunnitischen) Staaten.
Der Lebensstandard wird infolge des Endes der Sanktionen schnell stark steigen und aus der Geschichte wissen wir, dass steigender Lebensstandard auch mehr gesellschaftliche Antizipation bedeutet.
Die Menschen werden sich mehr am Westen orientieren und in einigen Jahren wird der Iran eine starke Demokratie sein.
Das ist ein Prozess; das Stichwort lautet Evolution statt Revolution. Lieber ein jahrelanger aber friedlicher Wandel, als Umsturz, Revolution und Reaktion.