EU-Parlamentspräsident Martin Schulz hat sich dafür ausgesprochen, weiter mit der Türkei über einen EU-Beitritt zu verhandeln. In einem Interview mit der Rheinischen Post sagte er, eine EU-Beitrittsperspektive bleibe "selbstverständlich" bestehen. Allerdings sehe er angesichts der türkischen Innen- und Außenpolitik "keine Möglichkeit für einen zeitnahen Beitritt". Ähnlich hatten sich zuvor andere EU-Politiker, darunter Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, geäußert, nachdem vor allem Österreich einen Abbruch der Verhandlungen gefordert hatte.
Zwar gebe es Äußerungen, "wonach es mit den Verhandlungen doch nun mal gut sein solle oder diese ohnehin nicht zum Ziel führten", sagte Schulz. Aber weil die Entscheidung für die EU-Beitrittsverhandlungen einstimmig erteilt worden sei, müsse auch deren Abbruch einstimmig erfolgen. "Und das wird es nicht geben." Über die Gespräche könne man mit der Türkei über Themen wie Pressefreiheit oder Rechtsstaatlichkeit verhandeln.
Vor einigen Wochen hatte der EU-Botschafter der Türkei, Selim Yenel, in einem Interview gesagt, er wolle bis zum Jahr 2023 der Union beigetreten sein. In dem Jahr feiert die Türkei ihr hundertjähriges Bestehen. "Es wäre die Krönung für mein Land, dann Mitglied der Europäischen Union zu sein", sagte Yenel. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hingegen sagte, die Türkei sei derzeit "weder beitrittsbereit noch beitrittsfähig". Dennoch wäre es ein "schwerwiegender diplomatischer Fehler", die Gespräche zu beenden.
Die Mehrheit der EU-Staaten lehnt bislang ab, die Verhandlungen abzubrechen. Zuletzt hatte das Österreich gefordert, als Reaktion auf die Entwicklungen in der Türkei nach dem Putschversuch am 15. Juli. Seither sind die Beziehungen zwischen der Türkei und der EU angespannt. Kritiker werfen dem Präsidenten der Türkei, Recep Tayyip Erdoğan, vor, beim Vorgehen gegen mutmaßliche Putschisten Menschenrechte zu verletzen und sich nicht an rechtsstaatliche Standards zu halten. Erdoğan hingegen kritisiert, dass sich der Westen angesichts des versuchten Militärputsches nicht deutlich genug mit der Türkei solidarisiert habe.
Kommentare
Wahrscheinlich muss man ,,Diplomat" sein, um sowas zu verstehen.
Es wird mit der Türkei doch schon seit Ewigkeiten verhandelt und wirklich vorwärts gekommen ist man nicht.
Erst hat man die Türken lange hingehalten, jetzt nach dem Putsch nutzt die wütende, türkische Regierung, um möglichst in einem Aufwasch sämtliche Kritiker aus Presse, NGOs, Polizei, Justiz, Militär, Volk und überhaupt alle, die sie als ,,Feinde" betrachtet, auszuschalten.
Mit einer solchen Türkei, die zudem fest davon überzeugt scheint, dass alle nach ihrer Pfeife tanzen müssten, muss man nicht mehr über einen EU-Beitritt verhandeln.
Das Projekt ist gescheitert.
Man sollte es bei vernünftiger Nachbarschaft belassen, fertig.
"Aber weil die Entscheidung für die EU-Beitrittsverhandlungen einstimmig erteilt worden sei, müsse auch deren Abbruch einstimmig erfolgen. "Und das wird es nicht geben. ""
Eher friert in hundert Jahren die Hölle zu, hätte er noch hinzufügen können. Aber klingt schon so, wie ich mir Brüssel vorstelle, einmal gefasste Beschlüsse nur mit 100%-Mehrheit wieder rückgängig machen zu können.
Nebenbei - stimmt das denn überhaupt so?
Man weiß ja bei Brüssler Beschlüssen nie so genau, was gemeint ist - einstimmig.
Die Parlamente aller Mitgliedsstaaten? die Kommission? die Regierungschefs? (das EU-Parlament lass ich lieber mal weg, das hat eh nichts zu sagen)
Und könnte Malta Beitrittsverhandlungen mit der Türkei für alle Ewigkeit erzwingen?
ch weiss auch nicht, warum ich bei der Nachricht ein ungutes Bauchgefühl habe.
" ch weiss auch nicht, warum ich bei der Nachricht ein ungutes Bauchgefühl habe."
Wir brauchen endlich eine Regierung in Deutschland, die das Ansinnen der Türkei in die EU aufgenommen zuwerfen, konsequent ausschließt. Dann hat sich dieses Thema endlich erledigt.
Vielleicht zerfällt die EU ja auch vorher.
Man sieht ja, wohin es führt, wenn man die Türkei an der unverbindlichen langen Leine der Beitrittsperspektive gehalten hat.
Sie wendet sich ab und gegebenenfalls denjenigen zu, die es nicht allzu genau mit den Menschenrechten nehmen. Islamverliebten Autokraten wie Erdogan kann so etwas nur recht sein.
Deswegen ist es langfristig hochvernünftig. der Türkei diese Perspektive glaubhaft zu bieten. Sie wäre so ein exzellentes Bindeglied zwischen Orient und Okzident und müsste sich wieder mehr an westlichen Werten messen lassen.
Die Gegner eines Beitritts, die Abgrenzer, Nationalisten und EU-Feinde wollen natürlich genau das nicht. Die Türkei kommt ihnen als Exempel, dass die ganze EU zum Teufel gehen soll, gerade recht.
Denn EU, wenn überhaupt, ist für sie nur ein Europa identischer Stärken und Werte.
Aber genau so funktioniert eine Solidargemeinschaft nicht. Das muss man denjenigen, für die Solidarität maximal ein Fremdwort im Duden ist, offensichtlich immer wieder erklären.
Meistens zwecklos allerdings. Zu verhärtet das Weltbild. Zu angstbeladen die Tatsache, man müsse sich im Leben mit Menschen anderer Normen auseinandersetzen müssen...
„Denn EU, wenn überhaupt, ist für sie nur ein Europa identischer Stärken und Werte.
Aber genau so funktioniert eine Solidargemeinschaft nicht. Das muss man denjenigen, für die Solidarität maximal ein Fremdwort im Duden ist, offensichtlich immer wieder erklären.“
In was genau wollen pluralistische Gesellschaften Menschen eigentlich integrieren? Schließlich sind Pluralismus und Multikulturalismus selbst keine Kultur, sondern das Ergebnis sozialer Ausdifferenzierungen. In welche der vielen Lebenswelten und Kulturmilieus sollen Einwanderer sich eigentlich einleben?
Schultz würde wohl am liebsten auch mit dem Iran, Irak oder Aserbaidschan über einen Beitritt verhandeln. Merkt der Mann eigentlich gar nichts mehr? Die Zeiten der Überdehnung sind vorbei. Ein islamisches Land mit dieser Bevölkerungsstärke in der EU - warum tritt die EU nicht gleich der Arabischen Liga bei?
Er ist halt von der SPD...