Wirtschaftsbeziehungen, Menschenrechte, der Krieg in Syrien: Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) wollte bei seinem Besuch in Teheran nicht nur die deutsch-iranische Zusammenarbeit im Wirtschaftssektor vorantreiben, sondern auch politisch Einfluss nehmen. Damit hat er jedoch die iranische Regierung verärgert. Anders als bei seinem ersten Teheranbesuch im Juli 2015 gab es keine
Treffen mit Präsident Hassan Ruhani oder mit Außenminister Mohammed Dschawad Sarif. Dann wurde auch noch überraschend ein für den heutigen Dienstag geplantes Treffen mit Parlamentspräsident Ali Laridschani abgesagt. In Gabriels Delegation wurde diese Absage als Affront gewertet.
Laridschanis Bruder Sadegh, der Leiter der Justiz ist, hatte Gabriels Besuch zuvor bereits scharf kritisiert. "Wenn ich an der Stelle der ehrenwerten Regierung oder des Außenministers wäre, hätte ich solch einer Person nicht erlaubt, ins Land zu kommen", sagte Sadegh Laridschani laut der Nachrichtenseite Mizanonline.
Offiziell gab es keine Begründung für die Absage Laridschanis. Jedoch wird vermutet, dass ein Spiegel-Interview Gabriels kurz vor seiner Abreise der Grund ist. Der Minister hatte darin gefordert, Teheran solle das Existenzrecht Israels anerkennen: "Ein normales, freundschaftliches Verhältnis zu Deutschland wird erst dann möglich sein", sagte der Minister in dem Interview.
Nach der Absage des Treffens besuchte Gabriel am Dienstagmorgen stattdessen das Nationalmuseum in Teheran sowie den Golestanpalast – die während der Kadscharen-Dynastie errichtete Schah-Residenz im Stadtzentrum. Unterdessen versuchte der iranische Regierungssprecher, die Aufregung herunterzuspielen. "Herr Gabriel respektiert sowohl das iranische Volk als auch die Regierung, und das Ziel seiner Reise war der Ausbau der bilateralen Beziehungen", sagte Sprecher Mohammed Bagher Nobacht. Politische Äußerungen Gabriels vor dem Besuch waren nach Einschätzung des Iraners für das deutsche Publikum gedacht.
Für den Iran ist Israel Erzfeind Nummer eins. Seit über 37 Jahren erkennt die Regierung in Teheran daher auch das Existenzrecht Israels nicht an. "Jedes Land, das uns solch eine Bedingung stellt, ist mit der (politischen) Kultur des Irans nicht ganz vertraut", sagte Nobacht nach Angaben der Nachrichtenagentur ISNA. Der Iran werde diese und andere Bedingungen niemals akzeptieren.
Iran ist enttäuscht von wirtschaftlicher Zusammenarbeit
Gabriel war in Begleitung einer großen deutschen Wirtschaftsdelegation in den Iran gereist, um sich für die Stärkung der Handelsbeziehungen einzusetzen. Trotz noch bestehender Probleme in Finanzierungsfragen sei "die deutsche Wirtschaft sehr interessiert" am Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen und "die Iraner auch", sagte Gabriel. Er hob hervor, dass es im deutschen Interesse liege, die wirtschaftlichen Beziehungen zum Iran auszubauen, um Ruhani zu stärken. Der Präsident muss sich im kommenden Jahr der Wiederwahl stellen, was die Gegner seiner Öffnungspolitik verhindern wollen.
Am Montagabend wurde Gabriel überraschend auch von Vizepräsident Mohammad Bagher Nobacht empfangen, der als enger Vertrauter von Ruhani gilt. Nach dem Gespräch sagte Gabriel, nach dem Abschluss des Atomabkommens müsse sich "jetzt auch das Leben der Menschen im Land" verbessern.
Mit dem Inkrafttreten des Atomabkommens im Januar waren die im Zuge des Atomkonflikts verhängten internationalen Finanz- und Handelssanktionen aufgehoben worden. Allerdings ist die iranische Seite enttäuscht, dass die wirtschaftliche Erholung nicht schneller vorangeht. Mit als Grund dafür gilt, dass viele europäische Banken Geschäfte mit dem Iran aus Sorge vor weiterhin bestehenden US-Sanktionen meiden.
Kommentare
""Jedes Land, das uns solch eine Bedingung stellt, ist mit der (politischen) Kultur des Irans nicht ganz vertraut", "
Tja, und jedes Land, das auf Aussagen wie die Gabriels derartig mimosenhaft reagiert, ist nicht mit der politischen Kultur Deutschlands vertraut.
Haha, das ist so genial irrational. Das Schlimme an der Sache ist, dass Gabriel vollkommen recht hat: Man erkennt die Existenz eines jeden Volkes an. So einfach ist das.
Es ist unglaublich zu lesen, dass so etwas als ein Angriff auf die politische Kultur des Irans verstanden wird.
Wenn tatsächlich die "Forderung" Gabriels, dass der Iran das Existenzrecht Israels anerkennen solle, zu der Missstimmung führte, so muss Deutschland sein Verhältnis zum Iran wohl wirklich überdenken. "Ein normales, freundschaftliches Verhältnis [des Iran] zu Deutschland wird erst dann möglich sein", sagte der Minister in dem Interview, und das sollte auch die grundsätzliche Position der gesamten Bundesregierung sein. Allerdings gehört wohl die Haltung zu Israel auch der arabischen Länder auf den Prüfstand.
Das Problem ist eher die drängelnde Wirtschafts-Lobby im Handgepäck, die sich wenig für europäische Werte, deutsche Normen oder eine angenehme Geopolitik interessiert, sondern nur für Absatzmärkte, Rendite und Boni. Der schwierige Spagat sitzt weniger zwischen Deutschland und dem Iran, sondern zwischen der deutschen Politik und der deutschen Wirtschaft ... mal wieder.
Die chronisch Beleidigten bei der Arbeit. Und das ist die Elite...
Jetzt sagt der Sigi einmal etwas, worüber Konsens herrscht.
Immer bekommt er eine auf die Rübe. Nur Zuhause ist es schöner.
Aber mal im Ernst:
Der Iran hat eine gebildete und freundliche Bevölkerung. Der Iran wird nur innerhalb von partnerschaftlichen Beziehungen seine Isolation überwinden. Das gilt auch im Zusammenhang mit Israel. Gabriel hat eine schlichte Tatsache ausgesprochen.
Was, außer religiösem Fanatismus, ist schlimm daran?
Die Jahre brutaler britischer und amerikanischer Kardinalfehler (wegen Rockefeller) müssen überwunden werden. Brücken sollten gebaut werden.
So recht Gabriel damit hat, er ist nun einmal eher der Polterer, der mit dem Hintern einreißt, was er vorher aufgebaut hat.
Das ist wahr. Positiv ist allerdings zu vermerken, dass Gabriel von seinen ausländischen Gesprächspartnern im Gegensatz zu Merkel nicht als Wurm wahrgenommen wird, auf dem man nach Belieben herumtrampeln kann.