ZEIT ONLINE: In Europa erwartet man viel vom neuen französischen Präsidenten Macron, insbesondere Reformen im Euro-Raum. Es ist die Rede von einem gemeinsamen Euro-Budget und einem Euro-Finanzminister. Was halten Sie von diesen Ideen?
Adriaan Schout: Bevor wir über Lösungen sprechen, sollten wir eine Diagnose stellen und über die Ursachen der Krise reden. Die meisten Probleme des Euro werden als Folge europäischer Defizite und Fehler in der europäischen Architektur dargestellt. Aber das Problem des Euro ist nicht die EU, das Problem sind die Mitgliedstaaten. Eine ganze Reihe dieser Länder haben weder ihre Wirtschaft noch ihre Institutionen reformiert und sie werden zum Beispiel von hartnäckiger Korruption heimgesucht.
Die EU kann aber nicht dort reparieren, wo die Mitgliedstaaten gerade scheitern. Wenn also die Diagnose lautet, dass sich die Euro-Länder reformieren müssen, kann die Antwort auf die Krise nicht heißen, dass sich die EU noch weiter integriert. Das wäre falsch.
ZEIT ONLINE: Trotzdem scheint die Idee eines Euro-Finanzministers viel Zustimmung zu bekommen.
Schout: Was würde geschehen, wenn ein europäischer Finanzminister zum Beispiel Deutschland sagen würde, es müsste mehr Geld ausgeben und sein Haushaltsdefizit anheben? Wie würden die Unterstützer von Le Pen oder des Linkspolitikers Mélenchon reagieren, wenn ein Euro-Finanzminister Frankreich Einschnitte in seinem Staatsbudget verordnen würde? Das würde in einem Rückschlag für die europäische Integration enden.
Um den amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy zu paraphrasieren: Wir sollten uns nicht fragen, was die Euro-Zone für die Staaten tun kann, die in Schwierigkeiten sind. Wir sollten darüber reden, was diese Staaten für die Euro-Zone tun können.
ZEIT ONLINE: Sie würden aber zustimmen, dass Reformen in der Euro-Zone nötig sind?
Schout: Als die Mitgliedstaaten dem Euro beitraten, vereinbarten sie eine maximal zulässige Gesamtstaatsverschuldung von 60 Prozent. Frankreichs Schulden liegen heute bei 100 Prozent, die belgische und italienische Staatsverschuldung liegt noch höher. Und jetzt reden wir über ein Euro-Budget, das zum Beispiel sogenannte externe Schocks abfedern soll.
Solche Puffer sollten und müssen aber die Mitgliedstaaten haben – nicht die Euro-Zone. Länder, die die Maastricht-Kriterien respektiert haben und deren Verschuldung unter 60 Prozent liegt, haben die Kapazitäten, um solche Schocks, die zum Beispiel von Finanzmärkten ausgehen, abzufedern.
ZEIT ONLINE: Nach der Wahl von Macron soll der deutsch-französische Motor wieder anspringen. Zum Wohle Europas?
Schout: Viele Niederländer haben wegen der Rolle Deutschlands eine ganze Reihe von Fragen. Die Niederlande hoffen immer, dass Deutschland die sehr ambitionierten EU-Pläne Frankreichs – oder die südeuropäischer Staaten – mäßigt. Doch Deutschland gibt Frankreich normalerweise immer nach. Die Niederlande waren nicht erpicht darauf, den Euro so schnell einzuführen. Sie hofften, dass Deutschland die Schaffung des Euro hinauszögern würde. Doch Deutschland stimmte zu, und die Niederlande folgten, angesichts der engen wirtschaftlichen und finanziellen Verbindungen wollten sie nicht widersprechen.
Später hofften die Niederländer, dass die EZB auf deutschem Boden auch von deutscher Disziplin geprägt sein würde. Aber jetzt haben wir Mario Draghi und sein massives Anleihenprogramm zur Euro-Stützung. Wenn Deutschland jetzt zu voreilig dem französischen Optimismus nachgibt, dann können die Niederlande wenig anderes tun, als dem zu folgen und weiteren Integrationsschritten zuzustimmen. Doch die sind in den Niederlanden sehr unpopulär.
ZEIT ONLINE: Da die Franzosen einen ausgesprochen pro-europäischen Präsidenten gewählt haben, sollte Deutschland Frankreich doch etwas anbieten?
Schout: Diese Frage geht von einer optimistischen Annahme aus: Gebt Macron nach, und Frankreich wird sich reformieren. 1992 hat man die Schaffung des Euro beschlossen. 25 Jahre danach sehen wir, dass einige Mitgliedstaaten, auch Frankreich, große Probleme haben zu reformieren. Die Vorstellung, dass eine weitere Integration der EU zu einer Reform in den Mitgliedstaaten führen wird, ist nachweislich falsch. Sie hat zu Misstrauen zwischen den Ländern und gegenüber der EU geführt. Die Lehre aus den letzten 25 Jahren sollte daher sein: Zuerst müssen die Mitgliedstaaten reformieren, dann erst können wir über eine weitere Vertiefung reden.
ZEIT ONLINE: Wie wichtig ist Vertrauen zur Überwindung der Euro-Krise?
Schout: Das ist fundamental. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat bei vielen Gelegenheiten gesagt, er wolle das Vertrauen in die EU wieder herstellen. Das aber ist befremdlich. Denn die Bürger vertrauen der EU viel mehr als ihren eigenen Regierungen.
Kommentare
"Die Niederlande haben vom Euro enorm profitiert. Trotzdem gibt es viel Skepsis gegenüber einer weiteren Integration der Euro-Zone."
Es läßt sich leicht behaupten, dass die Niederlande vom Euro profitiert habe, aber gibt es dafür auch konkrete Beweise?
Ansonsten: die Politiker der Eurostaaten haben bewiesen, dass sie dieses politische Projekt, welches wirtschaftlich nicht funktioniert und viel zu früh eingeführt wurde, bis zum Ende durchziehen werden, erst dann wird man sehen, die groß der Scherbenhaufen sein wird.
Deutschland sollte die Zeit dafür nutzen, maximale Ressourcen weltweit aufzukaufen, die Infrastruktur auf den modernsten Stand zu bringen und die Bildung jedes einzelnen Kindes maximal zu fördern, damit unser Land für die nach Euro Zeit gerüstet ist.
Nope: nehmen wir die Prämisse, dass es einen strukturellen Mangel in der Eurozone gibt, einfach mal für wahr hin. Dann gilt es diese Mängel zu beseitigen und nicht wie eine Axt im Wald um sich zu schlagen. Der Interviewpartner sagte es ja bereits eingangs: "Aber das Problem des Euro ist nicht die EU, das Problem sind die Mitgliedstaaten."
Ist ein Problem auf nationaler Ebene, muss es a) dort gelöst werden und verschwindet b) nicht durch eine antieuropäische Renationalisierung.
Das Problem sind nicht die Eurostaaten sondern die kontraproduktive Sparpolitik Deutschlands
So hat der Tag Struktur, Deutschland ist schuld und nicht die Verweigerung der Griechen ordentlich Steuern zu zahlen, nichts zu produzieren, nichts an Waren anzubieten und zu guter Letzt ist Griechenland nicht einmal mehr fähig sich selbst mit Nahrung zu versorgen, selbst Tomaten und Oliven werden importiert.
Griechenland hat sich in den Euro geschummelt und wollen trotz der vielen Probleme diesen einfach nicht aufgeben zugunsten der neuen Drachme - warum eigentlich?
Interessantes Interview. Linke Politiker und Foristen werfen der Bundesregierung ja immer vor, mit ihrer angeblichen "Austeritätspolitik" für Unzufriedenheit mit dem € / der EU zu sorgen. Hier klingt es so, dass die Mehrheit der Niederländer von Deutschland möchte, härter auf die Einhaltung der €-Kriterien zu pochen.
Die Regierung der Niederlande ziemlich sicher sogar . Im Grund genommen alle Nordeuropäer im Euro .
Herr Schout: Wer hat vom Euro profitiert? Sie, die Elite und die kriminelle Bande in Brüssel, die die EU steuern… mit dem großen Paten an der Macht namens Herr Jean-Claude Juncker. Hören Sie auf uns wahr zu machen, dass der Euro zu Europa gehört, denn umgekehrt funktioniert es auch nicht. Warum soll Deutschland jetzt das Blut Frankreich absaugen? Wie es schon der Fall für Griechenland, Irland, Spanien und Portugal gewesen ist, sollen die Franzose arisiert werden? Ja ja, ich weiß nach dem neoliberalen Credo Arbeit mach frei, le travail rend libre. Unterschätzen Sie bitte nicht, dass Europa vielseitig ist. Unterschiedliche Gefühle im Norden und im Süden. Und das ist auch gut so. Falls Europa am Leben bleiben möchte, dann muss die Führung mehr Autonomie an die Regionen geben. Sitten und Brauchtümer sind das Herz der Regionen. Und, wenn Sie dieses Herz entnehmen, dann haben Sie nur noch eine leere Seele. Der Euro hat im Vergleich zum Schweizern Frank 30 % an Wert verloren. Die Rechnung ist einfach. Also, in 2001 bei der Einführung des Euros, gab es für einen Euro 1,5360 Franken. Heute für 1,0926 Frank bekommen Sie 1 Euro.
Thierry, da haben Sie bei der historischen Entwicklung wohl nicht ganz aufgepaßt! Nicht der EURO hat 30% an Wert verloren, sondern die Schweiz hat ihren Franken abgewertet. Während der Euro gegenüber anderen stabilen Währungen relativ konstant blieb, z.B. gegenüber dem USD, ist der Wert des CHF gegenüber diesem ebenfalls gesunken. Und Ihre Fragen, ob die Franzosen arisiert werden sollen, oder warum Deutschland das Blut aus Frankreich absaugen solle, zeugt von einem kranken Geist, dem Sie mutmaßlich unterlegen sind. Ja, Europa ist vielfältig und vielseitig, und das wird erhalten bleiben, und gleichzeitig werden wir in Frieden und Freiheit und Prosperität zusammen leben.