ZEIT ONLINE: Herr Alijla, Donald Trumps Entscheidung, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, hat im Nahen Osten Proteste und Unruhen ausgelöst. Aus dem Gazastreifen werden Raketen auf Israel geschossen, israelische Kampfjets greifen die Hamas dort an. Kann es überhaupt noch eine Annäherung zwischen beiden Seiten geben?
Abdalhadi Alijla: Sowohl für die palästinensische Führung um den Präsidenten der Autonomiebehörde, Mahmud Abbas, als auch für Israels Premier Benjamin Netanjahu ist der Friedensprozess theoretisch der einzige Weg. Doch muss man hier unterscheiden: Es geht beiden Seiten nicht darum, eine wirkliche Aussöhnung herbeizuführen und Frieden zu schaffen, sondern vor allem darum, den Status quo zu erhalten. Die israelische und palästinensische Führung wollen den Prozess, aber nicht den Frieden.
ZEIT ONLINE: Warum das nicht?
Alijla: Die israelische Regierung ist seit vielen Jahren zufrieden mit der Situation. Die Israelis können ihre Siedlungen im Westjordanland bauen, sie können als Supermacht in der Region auftreten, sie können die Palästinenser kontrollieren. Für die palästinensische Führung ist der Status quo ebenfalls bequem. Sie konnte sich durch massive Korruption sehr bereichern und sich gute Positionen sichern.
Zudem gibt es nichts, was man einen Friedensprozess zwischen den Israelis und den Palästinensern nennen könnte. Das ist seit vielen Jahren ein leeres Wort. Es gibt keine Hoffnung mehr, dass das Friedensabkommen, wie es 1991 in Madrid und 1993 in Oslo ausgehandelt wurde, jemals umgesetzt werden könnte. Das hatte ja einen Abzug der israelischen Armee aus dem Westjordanland und dem Gazastreifen sowie eine palästinensische Selbstverwaltung in diesen Gebieten vorgesehen. Stattdessen sehen viele Palästinenser heute die palästinensischen Führer als Agenten Israels, weil sie den Status quo akzeptieren und selbst äußerst autoritär agieren. Fast die Hälfte der ausländischen Finanzhilfen für die Palästinenser gehen an das Militär, an den Polizei- und Sicherheitsapparat. Dabei bräuchten die Palästinenser das Geld dringend für andere Dinge: für Schul- und Bildungsprojekte, für den Ausbau der Infrastruktur, für eine bessere Gesundheitsversorgung. Das frustriert die Menschen.
ZEIT ONLINE: Im Oktober haben sich Vertreter der beiden rivalisierenden Palästinenserorganisationen Fatah und Hamas auf ein Abkommen zur Versöhnung verständigt. Ist diese Annäherung nun in Gefahr?
Alijla: Ich denke nicht, dass Trumps Entscheidung etwas ändert. Seit zehn Jahren befinden sich Hamas und Fatah im Krieg. Die Hamas hatte 2007 die Macht im Gazastreifen an sich gerissen und die Fatah verjagt. Seitdem kontrolliert sie den Gazastreifen, die Fatah das Westjordanland. Der Druck auf die Hamas hat aber zuletzt sehr zugenommen. Das Leben für die fast zwei Millionen Einwohner des Gazastreifens ist in den vergangenen Jahren katastrophal geworden. Israels Blockade setzt den Einwohnern zu, auch ist das Land nach drei Kriegen zerstört. Viele Palästinenser leben in Notunterkünften, das Wasser ist nicht sauber, es gibt kaum Strom und keine ausreichende medizinische Versorgung. Gerade die jungen Palästinenser sind sehr frustriert. Viele haben studiert, finden aber keine Arbeit. Für die Jungen geht es nicht um Politik, sondern um ihren Alltag: Sie wollen sauberes Trinkwasser, arbeiten und reisen können.
ZEIT ONLINE: Der innerpalästinensische Machtkampf hat die Lage der Palästinenser zunehmend erschwert. Vor einigen Monaten hat die Hamas eine De-facto-Regierung für den Gazastreifen ausgerufen, woraufhin Abbas drastische Maßnahmen ergriff: Er zahlte nicht mehr für israelische Stromlieferungen, entließ viele Mitarbeiter der Autonomiebehörde, ließ weniger Medikamente nach Gaza liefern. Viele hoffen, dass die Einigung von Fatah und Hamas ein erster Schritt sein kann, um die Situation zu entspannen.
Alijla: Das stimmt, aber eine Einigung zu schaffen ist ein langer Prozess. Die Fatah um Abbas sieht die Annäherung als Chance, die Hamas ganz zu vertreiben und selbst mehr Einfluss zu bekommen. Sie feiert sich schon als neue Großmacht der Palästinenser. Die Hamas wiederum wird nicht so einfach ihren militärischen Arm, die Kassam-Brigaden, aufgeben und unter Kontrolle der Fatah stellen. Außerdem verzögert sich die Machtübergabe, weil die Hamas Mitarbeiter der Fatah davon abgehalten hat, zu ihren Arbeitsplätzen in Gaza zu gelangen. Eigentlich sollten die Fatah-Mitarbeiter ihre Stellen in der Verwaltung im Gazastreifen zurückerhalten. Die Hamas aber kritisiert, dass erst geklärt werde müsse, was mit den mehr als 40.000 Angestellten der Hamas passieren soll. Die normalen Palästinenser haben auf diese Machtspiele ihrer Führung keine Lust mehr. Sie wollen endlich eine Perspektive.
ZEIT ONLINE: In den vergangenen Jahren sind alle Versöhnungsversuche gescheitert. Nun hat die Hamas der Fatah immerhin angeboten, die Verwaltung des Gazastreifens zu übernehmen. Wird sie daran festhalten?
Alijla: Dem bewaffneten Flügel der Hamas gehören rund 25.000 Kämpfer an und sie haben noch die Kontrolle über den Gazastreifen. Abbas hat zur Bedingung gemacht, dass die Hamas neben den Kämpfern auch ihre Waffen an die Fatah übergibt. Darauf wird sich die Hamas aber niemals einlassen.
ZEIT ONLINE: Die Hamas hat die Palästinenser nach Trumps Entscheidung zu gewalttätigen Protesten aufgerufen, dem sind auch einige Palästinenser gefolgt. Die großen Ausschreitungen aber sind bisher ausgeblieben. Woran liegt das?
Kommentare
Ich kann jedem raten aller medialen Bespielung zum Trotz in diesem Konflikt die "Keine-Meinung-Option" zu ziehen. Ist unheimlich beruhigend. Und sollte schlechtes Gewissen aufkommen, kann man sich fragen inwieweit das Partei-Ergreifen für irgend eine Seite durch eine tausende Kilometer entfernte Person, den Konflikt beeinflusst, bzw. zum Positiven wendet.
Hier spricht der Spießbürger ...
Die Palästinenser: ein Volk, dass sich von seinen Radikalen regelmäßig dazu verführen lässt, den eigenen Lebensbereich entweder durch die eigenen Leute, oder durch Provokation von den Israelis weitgehend kaputt machen zu lassen - was ist das für ein Volk? Wie dumm muss man sein, dass man so etwas zu lässt?
Aber im Nahen Osten scheint es endlos viele Leute zu geben, die das für eine super Sache halten, den eigenen Staat, die eigene Lebenssphäre, alle sozialen Einrichtungen und alles was ein halbwegs profundes Leben garantieren könnte, mit schöner Regelmäßigkeit kaputt zu machen.
Damit eine Handvoll von Leuten sich die Taschen zustopfen und der Rest krepiert, oder in tiefster Armut dahin vegetiert? Die Palästinenser sollten mal wirklich tief nachdenken und dann diesen Leuten, die diesen Schlamassel mit schöner Regelmäßigkeit anstellen, den Stuhl vor die Tür stellen.
"Die Palästinenser" sind halt im Endeffekt immernoch in der selben Denke wie ihre arabischen Vorfahren in den 50er Jahren, denen einfach ein jüdischer Staat ins Land gesetzt wurde. Die Reaktion - durchaus nachvollziehbar. Nur im Laufe der Jahrzehnte hätte man eben umdenken müssen, was dieser Kultur eben enorm schwerfällt, zumal rundherum weiter der Hass am Lodern gehalten wird.
Wie wäre es mal mit Gandhi als Vorbild? Wie gut es anders funktioniert, sieht man seit Jahrzehnten.
Habe ich auch unter einen Artikel zu diesem Thema geschrieben.Der Gewaltlose Wiederstand ala Ghandi ist die einzige Möglichkeit zu einem Staat zu kommen.
Aus dem Artikel:
"Israel ist zufrieden mit dem Zerwürfnis der Palästinenser, denn das stützt den Status quo. Die Hamas ist für Israel ein Geschenk. "
Es ist bekannt, wie die Hamas, ein Offshoot der Muslimbruderschaft, entstanden ist, und wer dabei geholfen hat:
https://www.washingtonpos...
Oder:
https://www.wrmea.org/200...
Es könnte sein, dass diese "jungen Palastinenser", wie sie Alijla nennt, das Spiel nicht mehr mitspielen wollen, nur haben diese keinerlei Organisation oder Lobby, und ich sehe keinen Grund, warum Israel unter seiner jetzigen Regierung ein Interesse haben sollte, das zu ändern.
Also werden sie zwischen den bisherigen Gegnern zerrieben werden.
Oder auswandern.
Man könnte halt einfach Mal Israel als Staat akzeptieren und versuchen ein Teil davon zu werden?
...das letzte Mal, als ich da war, war das eine Demokratie, mit Meinungsfreiheit und Religionsfreiheit.
Da kann man sogar Moslem sein und zum Tempelberg Freitags beten gehen.
Und was die Hamas oder Fatah in ihren Autonomie Gebieten so hinbekommen haben, ist schlicht unterirdisch, da wüsste ich, in welchem Staat ich leben wollte.