Das ging schnell: Erst eine gemeinsame Erklärung der Regierungschefs Englands, Frankreichs, Deutschlands und der USA, dazu die uneingeschränkte Solidarität aller EU-Außenminister, dann Sanktionen und nun die massenhafte Ausweisung von russischen Diplomaten. Dies ist nicht etwa die Reaktion auf den jüngsten Giftgasangriff in Syrien am Wochenende, sondern jene auf die Vergiftung des russischen Ex-Spions Sergej Skripal in Großbritannien. Eine Reaktion, die für die Menschen in Syrien wie ein Schlag wirken muss.
Unermüdlich versuchen Ärzte und Menschenrechtler, trotz widriger Umstände Fotos und Videos vom Chemiewaffeneinsatz zu schicken: Bilder, auf denen zu sehen ist, wie ganze Familien getötet wurden, leblose Körper, tote Kinder mit Schaum vor dem Mund. Helfer versuchen, inmitten des Chaos Tote zu bergen und Verletzte zu versorgen. Trotz weiterer heftiger Bombardements durch Russland und durch das syrische Regime wagen sich Menschenrechtsaktivisten mit ihren Kameras in die Kriegsgebiete, um Beweise zu sichern. Seit Jahren appellieren sie erfolglos an den Westen, wenigstens etwas gegen den Einsatz von Massenvernichtungswaffen zu unternehmen.
Hunderte weniger tödliche Fälle von Angriffen mit Chlorgas wurden dokumentiert, hinzu kommen jene mit dem Giftgas Sarin, darunter die beiden besonders verheerenden Attacken in den Vororten von Damaskus 2013 und in Chan Scheichun 2017. Damals wurden vom Westen selbst gesetzte rote Linien überschritten. Doch während es im Fall des russischen Spions nicht einmal plausible Beweise brauchte, um politische Sofortmaßnahmen zu ergreifen, führen im Fall Syriens selbst eindeutige, von unabhängigen Untersuchungskommissionen recherchierte Belege nicht dazu, dass der Westen politische Maßnahmen ergreift. Der Bericht von UN und OPCW, der unmissverständlich das syrische Regime für den Einsatz von Sarin mit über 80 Toten in Chan Scheichun verantwortlich machte? Einfach übergangen.
Politische Sanktionsmittel gibt es genug
Der Westen lässt sowohl die Täter als auch deren Komplizen, die die Taten auf internationaler Bühne decken, einfach so gewähren. Allen voran Russland, das nicht nur seit Jahren die Aufklärung schlimmster Verbrechen in Syrien verhindert, sondern gar per Veto selbst die Fortführung der unabhängigen Untersuchung von OPCW und UN stoppte, nachdem klar geworden war, dass deren Ergebnisse in Moskau keinen Gefallen finden würden.
Optionen für politisches Handeln jenseits militärischer Interventionen haben der Westen und Deutschland in Bezug auf Syrien allemal: Deutschland könnte die Pläne mit Russland für eine weitere Nord-Stream-Pipeline auf Eis legen, bis Moskau sich wenigstens zur Eindämmung dieser schlimmsten Formen der Kriegsverbrechen bereit erklärt. Berlin könnte das Personal der Bundesanwaltschaft umgehend erhöhen, damit mithilfe des Weltrechtsprinzips wenigstens hierzulande die massiven Kriegsverbrechen in Syrien verfolgt werden könnten. Oder es müsste festgehalten werden, dass jede finanzielle Unterstützung beim Wiederaufbau in Syrien, ob aus Mitteln der Bundesrepublik oder der Europäischen Union, an eine Bestrafung der Verantwortlichen von massiven Verbrechen gegen die Menschlichkeit geknüpft ist.
Dass die westlichen Staaten schnell handeln können, haben sie mit der Ausweisung der Diplomaten im Fall Skripal gezeigt. Indem der Westen nicht einmal Schritte unternimmt, um die Täter in Syrien zu bestrafen und den Druck auf diejenigen zu erhöhen, die diese Verbrechen decken, macht er sich mitschuldig an jedem weiteren Giftgaseinsatz. Nicht nur das syrische Regime hat die Nachricht des Westens längst verstanden: Selbst bei Giftgasverbrechen hast du nichts zu befürchten.
Kommentare
Was soll das?
Wen soll der Westen „bestrafen“, wenn nicht erwiesen ist, wer mit giftigen Gasen rumhantiert?
Hört doch auf mit diesem Kriegsgetrommel, nach so vielen Toten in Kriegen, deren Entfesselung auf Lügen basierten.
[Die Ausweisung russischer Diplomaten wegen des Skripal-Falls ging schnell. Doch eine Giftgasattacke wie die in Ostghuta bleibt ohne politische Konsequenzen. Warum?]
Die angemessene Antwort wäre, dass beide Vorwürfe ohne valide Beweise dastehen. Die Versäumnisse der deutschen Medien bestehen im Wessentlichen darin, dass sie unfähig oder unwillig zu sein scheinen, sauber zu recherchieren. Es werden Behauptungen als gesicherte Erkenntnisse verkündet und mangelnde Beweise durch alternativlose Schlussfolgerungen ersetzt. So sieht faktenbasierte Information nicht aus. Kein Wunder, dass immer mehr Menschen sich fragen, wo das enden soll, wenn erst sanktioniert wird, dann aber keinerlei Fakten die Richtigkeit der Maßnahmen bestätigen können.
Sorry, aber ich bin abgehärtet genug, mich nicht mit Tränendrüsen-Emotionalen-Überwältigungsjournalismus (wie es Augstein mal beschrieb) beeinflussen zu lassen. Nicht das ich empathielos wäre und nichts empfinden würde, aber ich bin mir bewusst, das versucht wird, mich zu manipulieren mit diesen gestellten Bildern aka Fakes. Ich bin mir bewusst, das man versucht in Propaganda mir zu sagen, wie böse die Gegner sind.
Das ist uralte Kriegspropaganda, wie man sie seit der Antike her kennt. Schon damals wurde so gehandelt, wenn man einen Grund gesucht hat, um irgendwo einzumarschieren. Genauso wie es andere Sachen sind z.B. die Verluste des Feindes sind riesig, unsere Verluste hingegen minimal. Der Feind ist böse und greift selbst Zivilisten an, WIR würden das natürlich niemals tun usw.
Wer sich die Realität anschaut abseits der Propaganda, merkt schnell, das alle nur mit demselben Wasser kochen und z.B. die Amerikaner bei Luftschlägen niemals mehr Rücksicht auf Zivilisten nehmen als etwa die Russen oder Syrer. Zwischen Bomben auf Mossul und Ghoute gibt es keinen Unterschied, beide töten wenn man in deren Radius gerät.
Wenn man dann noch anschaut wie die Brutkastenlüge als PR-Kampagne aufgezogen wurde mit Fake-Zeugen, dann muss man misstrauisch werden. Ebenso all die anderen Fälle bis zu Tonkin und so damals, als ob der Westen anders vorgehen würde als Putin.
Ach und nochma im Jemen bombt Saudi-Arabien mit direkter unterstützung der USA und der Briten alles kurz und klein ( ja ich weiss Waffen liefern noch mehr Leute ) inklusive Zivilisten und da gibts kaum einen Mucks.
Wenn in Syrien Assad mal wieder Leute tötet kommen sie alle wieder aus den Löchern die alles vorurteilen und nach Konsequenzen rufen.
Das kann doch niemand bei Verstand ernst nehmen . So macht man sich doch lächerlich. Halten die uns alle für komplette Vollidioten ? ( Die Antwort kenne ich , ja natürlich tun sie das )
Ich erwarte entweder für ALLE Konsequenzen oder man hält den Mund.