Die Besetzung der Hongkonger Universitäten durch protestierende Aktivisten hat eines sicher gezeigt: Die Auseinandersetzungen zwischen dem militanten Teil der Hongkonger Demonstranten und der Polizei werden brutaler. Erstmals überhaupt hatten sich Aktivisten verschanzt, bislang waren sie der Polizei ausgewichen, indem sie nach den Demonstrationen einfach verschwanden.
Der Vorteil der Aktivisten: Noch haben sie einen großen Rückhalt in der restlichen Bevölkerung der Stadt. Was ein Leben unter dem Regime Pekings bedeutet, ist den meisten nur zu bewusst – dafür muss man nur über die Stadtgrenze nach Shenzhen fahren. Doch welche Chancen auf Erfolg haben die Demonstranten und die sie unterstützende Bevölkerung? Wenn man ehrlich ist: langfristig wahrscheinlich nur äußerst geringe. Die sich immer weiter eskalierende Auseinandersetzung können die jungen Aktivisten nur verlieren. Ihnen steht eine hochgerüstete Polizei gegenüber, eine, die ihnen mit dem Einsatz von Schusswaffen droht und den uneingeschränkten Rückhalt der chinesischen Regierung in Peking genießt.
Eine
friedliche, politische Lösung im Sinne der meisten Hongkonger kann es nur geben, wenn es die Machthaber in Peking zulassen. Nur will das Regime nicht einmal die Mindestforderungen der Demonstranten erfüllen: ein Rücktritt der
verhassten Regierungschefin Carrie Lam und eine unabhängige Untersuchung
der eskalierenden Polizeigewalt. Schon ein Rücktritt Carrie Lams ist aus Pekinger Sicht unmöglich. Es würde wie ein Nachgeben gegenüber
den Demonstranten erscheinen. Einen
Dialog, gar Kompromisse will die in Peking herrschende Kommunistische
Partei nicht. Das wurde am Dienstag nochmals deutlich: Ein
Sprecher des chinesischen Volkskongresses wies darauf hin, dass Hongkongs
Justiz der chinesischen Zentralregierung unterstehe. Am Vortag hatte das oberste Gericht Hongkongs ein von der Regierung auferlegtes
Vermummungsverbot für verfassungswidrig erklärt. Übersetzt: Uns ist egal, was Gerichte entscheiden, Peking entscheidet, was Recht und Unrecht ist.
Peking will, dass Hongkong Teil einer urbanen Metaregion wird
Das wird die
meist jungen Aktivistinnen und Aktivisten weiter provozieren. Und genau das ist das Ziel der chinesischen Regierung: Bilder von gewalttätigen Demonstranten lassen sich leichter als Argument für ein noch härteres Vorgehen der Polizei nutzen. Gewalt erzeugt neue Gewalt. Irgendwann, so die Hoffnung in Peking, werden die friedlich Protestierenden zu Hause bleiben und so die Anti-Peking-Front gespalten.
Dass es in Hongkong überhaupt so weit kommen konnte, ist nicht nur dem Versuch der chinesischen Regierung zu verdanken, ihren Einfluss in Hongkong auszuweiten. Es liegt auch daran, dass man in der KP-Führung scheinbar nicht erkennen will, welche Dynamiken sich in offenen Gesellschaften entwickeln. Gegen den Wunsch nach mehr Offenheit, nach Presse- und Meinungsfreiheit, hat Peking bislang kein Rezept gefunden – außer, ihn mit Gewalt zu bekämpfen. Denn zu wenig zentrale Kontrolle gefährdet die autokratische KP-Herrschaft.
Die Regierung in Peking will aus Hongkong langfristig eine Stadt wie jede andere in China machen. Es soll Teil einer urbanen Metaregion im Süden der Provinz
Guangdong werden, es soll zusammenwachsen mit wirtschaftlich dynamischen
Millionenstädten wie Foshan oder dem benachbarten Shenzhen. Jegliche noch bestehende Freiheiten würden so eliminiert.
Für die Lage an den Protestbrennpunkten Hongkongs verheißt das nichts Gutes. Peking wird weiter versuchen, sein repressives System durchzusetzen und sich als Garant für Stabilität im Angesicht randalierender Demonstranten zu präsentieren. Einzig die Sorge um das internationale Ansehen Chinas könnte sie zurückhalten. Die chinesische Propaganda versucht, international das Bild einer multilateral ausgerichteten, sanften Wirtschaftsmacht zu lancieren. Da passt die Unterdrückung Hongkongs nicht rein.
Kommentare
"Die Auseinandersetzungen zwischen dem militanten Teil der Hongkonger Demonstranten und der Polizei werden brutaler. Erstmals überhaupt hatten sich Aktivisten verschanzt [...]"
Damit erweisen sie ihrem Zweck ja einen Bärendienst. Ich hoffe, die Polizei übersteht die Ausschreitungen gesund und schadenfrei.
Wie lange sollen sich die Demonstranten denn noch mit Wasserwerfern, Tränengas, willkürlichen Festnahmen und nachfolgendem "Selbstmord" zu Märtyrern machen bis es Ihnen genehm ist?
Überall "Regime" statt Regierungen. Demnächst auch in Saudi Arabien?
Saudiarabien ist ein Hort der Freiheit und der Zivilgesellschaft,dort werden die Pribleme anders aufgelöst.
Also bleiben wir beim Thema.
Es steht den deutschen Medien nicht zu, das Milliardenvolk China einschließlich seiner Führung mit Regime zu titulieren.
Das kann ich unterschreiben.
Sie könnten freie Wahlen zulassen.
Alles würde sich in Wohlgefallen auflösen.
Etwas Macht abgeben damit es allen besser geht.
Wäre doch ein schönes Ziel.
Wäre aus Sicht des Regimes das falsche Signal richtung Tibet & Taiwan.