Weil die Gewalt in Bolivien auch nach dem erzwungenen Rücktritt von Präsident
Evo Morales andauert, raten die USA ihren Staatsbürgern von Reisen in das südamerikanische
Land ab. Zudem werde das Botschaftspersonal in La Paz reduziert, teilte
das US-Außenministerium in der Nacht zum Mittwoch in Washington mit. Sowohl
Familienangehörige der Diplomaten als auch nicht unbedingt notwendige
Mitarbeiter der Botschaft seien angewiesen worden, angesichts der
"politischen Instabilität" Bolivien zu verlassen. "Reisen Sie wegen ziviler Unruhen nicht nach Bolivien",
appellierte das Außenministerium an alle US-Bürger. "Die US-Regierung
hat im Moment nur eingeschränkte Möglichkeiten, Staatsbürgern in Bolivien Nothilfe zu gewähren."
In dem südamerikanischen Land gibt es seit Wochen Demonstrationen und gewalttätige Auseinandersetzungen. Dabei starben seit Ende Oktober nach neuen Angaben der bolivianischen Behörden vom Dienstag sieben Menschen, vier von ihnen wurden erschossen.
Am Dienstagabend hatte sich die Senatorin und Oppositionspolitikerin Jeanine Añez zur Übergangspräsidentin erklärt. "Ich werde alle nötigen Maßnahmen ergreifen, um das Land zu befrieden", sagte die 52-jährige Sozialdemokratin, als sie am Dienstagabend die Kontrolle über den Senat übernahm. Zuvor waren zwei Versuche des Senats und der Abgeordnetenkammer gescheitert, eine Beschlussfähigkeit festzustellen, da nicht genug Parlamentarier anwesend waren.
Die Anwältin
sitzt seit 2010 für das Department Beni im Senat. Weil neben Morales auch jeder andere laut Verfassung mögliche Staatsvertreter zurückgetreten war – der
Vizepräsident, die Präsidentin des Senats und der Präsident der
Abgeordnetenkammer –, rückte die zweite Vizepräsidenten des
Senats an die Regierungsspitze.
Tränengas gegen Morales-Demonstranten
Nach ihrer Erklärung, bei der keine Abgeordneten von Morales' Movimiento al Socialismo anwesend waren, kam es in der Hauptstadt La Paz und der Schwesterstadt El Alto erneut zu Protesten. Morales-Anhänger versuchten das Kongressgebäude zu erreichen und forderten Añez' Rücktritt. Die Polizei und Soldaten setzten Tränengas ein, um die Menge auseinanderzutreiben.
Hintergrund
der Staatskrise in Bolivien ist die Präsidentenwahl vom 20. Oktober, bei der
sich Morales zum Sieger erklärt hatte. Seine Gegner kritisierten aber
Unregelmäßigkeiten. Eine Prüfkommission der Organisation Amerikanischer Staaten
gab ihnen schließlich recht und mahnte eine Neuwahl an. Morales stimmte
zunächst zu, trat aber letztlich am Sonntag zurück, nachdem ihn Militärchef
Williams Kaliman dazu aufgefordert hatte. Er flüchtete
ins Exil nach Mexiko. In seiner Heimat hinterließ er ein Machtvakuum.
Zum Abschied teilte Morales gegen seine politischen Gegner aus. Sein Rücktritt stehe für eine Rückkehr zu jener düsteren Ära von Putschen, die lateinamerikanische Armeen herbeigeführt hätten, die die Region lange dominierten. "Es schmerzt mich, das Land aus politischen Gründen zu verlassen, aber ich werde stets besorgt sein", twitterte er auf dem Weg nach Mexiko. Zudem kündigte er an, "bald mit mehr Stärke und Energie" nach Bolivien zurückzukehren.
Morales'
Unterstützer forderten seine Rückkehr. Sie sprachen von einem Putsch
sowie von Diskriminierung gegen Boliviens indigenen Gemeinden. "Evo war wie ein
Vater für mich. Wir hatten eine Stimme, wir hatten Rechte", sagte die
35-jährige Maria Apasa, die wie Morales der indigenen Gruppe der Aymara
angehört. Medienberichten
zufolge plünderten einige seiner Anhänger Geschäfte und legten Feuer. In einigen Vierteln
errichteten die Bewohner Barrikaden, um sich gegen Plünderer zu
schützen. Mindestens 20 Menschen wurden bei den Ausschreitungen
verletzt.
Morales war Boliviens erster indigener Präsident
Als erster indigener Präsident hatte Morales Bolivien eine lange Zeit der politischen Stabilität und der wirtschaftlichen Entwicklung beschert. In seinen fast 14 Jahren an der Regierungsspitze sorgte er dafür, dass die Gewinne aus der Gas- und Lithium-Förderung größtenteils im Land blieben und auch der indigenen Bevölkerungsmehrheit zugute kamen.
Um sich seinen
Traum zu erfüllen und bis zur 200-Jahr-Feier der Unabhängigkeit 2025 im
Amt zu bleiben, überspannte der frühere Koka-Bauer, Lama-Hirte und
Gewerkschaftsführer aus einfachsten
Verhältnissen den Bogen allerdings. Im Oktober stellte er sich zum
dritten Mal zur Wiederwahl, obwohl die Verfassung höchstens eine
Wiederwahl vorsieht. Morales überwand diese Hürde mit Hilfe der ihm
gewogenen Justiz, die die Begrenzung der Amtszeiten als Verletzung
seiner Menschenrechte bezeichnete.
Añez muss Neuwahlen binnen 90 Tagen organisieren
Die Aufgabe des Übergangspräsidenten ist, das Land zu leiten, während sich dieses auf Neuwahlen innerhalb von 90 Tagen vorbereitet. Añez benötigt die Unterstützung der Abgeordneten im Senat – Garantien, dass sie diese auch im von Morales-Unterstützern geprägten Kongress bekommt, gibt es nicht. Sollte sie vom Senat bestätigt werden, wäre sie die zweite Frau, die als Interimspräsidentin Boliviens dient. Lidia Gueiler hatte diese Rolle zuvor 1979/1980 inne.
Añez war Anwältin, bevor sie sich der Politik zuwandte. Sie setzt sich gegen geschlechtsspezifische Gewalt ein. Sie hat ebenfalls als Fernsehmoderatorin gearbeitet und war Direktorin des Senders Totalvisión in der Stadt Trinidad in der Amazonas-Region Beni. Sie gehört der bisher oppositionellen sozialdemokratischen Partei Movimiento Demócrata Social an. 2006 wurde sie in eine Versammlung berufen, um die bolivianische Verfassung zu reformieren.
Kommentare
Die Vorfälle in Bolivien erinnern mich eher an die CIA Muster zum Sturz von Mossadegh, die gegen Alliende, Ereignisse in Georgien, Ukraine etc. und neuerdings die missglückten Versuche in Libanon und Irak.
Morales hätte den Vorbild von Iran, Irak und Venezuela etc. folgen sollen und eine bewaffnete Volksmilizkräfte aus den armen Bevölkerungsteilen, hier Indios, aufbauen müssen, welche gegen Putschisten entgegen treten könnten.
Den USA geht es weniger um Demokratie, als um Ausbeutung eines Landes.
Die Verstaatlichung der Gasvorkommen werden wieder wohl zurück genommen, wenn die Putschisten erfolgreich bleiben.
Ich glaube nicht mehr an faire Wahlen, da diese Morales an die Macht bringen würde.
Bolivien war neben Nicaragua, Kuba, Venezuela, Iran und Nord Korea an vorderster Front gegen den US Imperialismus.
Schade eigentlich für die arme Indiobevölkerung.
Da Sie die Regierungen von Iran, Nordkorea und Kuba unterstützen waren sie vermutlich sowieso nie für faire Wahlen.
Na sieh mal einer an. Schon ist der Morales weg, hat das Land die erste weibliche Präsidentin. So schnell geht Fortschritt!
Ja, Frauen machen ja bekanntlich alles besser.
Fragen Sie mal bei der Bundeswehr nach, was unsere beiden letzten Verteidigungsministerinnen dort alles tatkräftig mit Milliardenetas geleistet haben. ^^
Der Putsch ist jetzt passiert. Daran lässt sich nichts mehr ändern. Jetzt hat Bolivien nach zwei Tagen des Chaos zumindest auf dem Papier wieder eine Präsidentin. Jetzt muss es unbedingt Neuwahlen geben, diese müssen international überwacht werden und dem MAS muss es möglich sein, daran teilzunehmen und einen Kandidaten zu nominieren.
Das Problem ist, dass es zu viel Gewalt gekommen ist, die sich nicht mehr reparieren lässt.
Entfernt. bitte belegen Sie Ihre Aussage mit entsprechenden Quellen. Danke, die Redaktion/vh
Leider muss man feststellen, dass der Politikertyp linker Volkstribun nach wie vor ein Problem mit der Demokratie hat.
Die Präsidentschaft von Morales hätte durchaus richtungsweisend für ganz Südamerika sein können.
Machtgier, Korruption und Betrug haben diese jedoch (wieder einmal) nachhaltig diskreditiert.
Eventuell hat der Kapitismis auch Probleme mit "linken Volkstribünen".
Da ist durch die Verstaatlichung der Gas- und Lithiumeinkommen sicherlich dem ein oder anderen multinationalen Großkonzern ein hübsches Sümmchen durch die Finger gegangen.