Eigentlich wollten die Nato-Staaten in London den 70. Geburtstag ihres Bündnisses feiern. Doch weil intern heftiger Streit ausgebrochen ist, wird es auf dem Treffen vor allem darum gehen, Zweifel an der politischen Geschlossenheit der Nato auszuräumen: Sie unterminieren die militärische
Glaubwürdigkeit der Allianz, schreibt Gastautorin Claudia Major von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin.
Drei Länder fordern die Nato derzeit heraus: die USA, die Türkei und Frankreich. Sie drohen nicht mit einem militärischen Angriff, sondern – vielleicht noch schlimmer – sie fordern den inneren Zusammenhalt des Bündnisses heraus. Das Verhalten der drei und der Unmut der anderen Nato- Alliierten darüber droht das sogenannte Leaders Meeting der Nato-Staaten in London von einer ehrwürdigen Geburtstagsfeier in einen handfesten Eklat zu verwandeln.
In
den letzten Jahren war es gelungen, Nato-Treffen als harmonische
Familientreffen darzustellen: Sie sollten Zusammenhalt und Solidarität
demonstrieren, damit Freund und Feind glauben, dass die Nato-Staaten im
Krisenfall tatsächlich füreinander einstehen. Zwar ging es in Wirklichkeit
selten so harmonisch zu, aber der Schein wurde gewahrt. Nun aber sieht es so
aus, als hätten einige Staaten gar keine Lust mehr, die offensichtlichen
Konflikte zu verbergen.
Dabei
schien alles gut vorbereitet. In diesem Jahr feiert die Nato ihren 70.
Geburtstag und will ihre Bedeutung unterstreichen. Seit der Annexion der Krim
durch Russland 2014 und dem Krieg in der Ukraine hat sich die Nato neu aufgestellt. In
den vergangenen fünf Jahren wurde die Streitkräftestruktur, die Kommandostruktur
und die internen Verfahren überarbeitet, damit die Nato ihre Aufgaben
Bündnisverteidigung und Stabilisierung wieder besser wahrnehmen kann. Viele Alliierte
nehmen Verteidigung wieder ernster, das zeigen die steigenden
Verteidigungsausgaben vieler, wenn auch nicht aller Staaten. Zwar ist noch viel
zu tun, aber das Bündnis steht militärisch besser da als vor fünf Jahren.
Nur eine kurze Arbeitssitzung
Darin
liegt auch die Ironie der aktuellen Situation: Militärisch läuft es ganz gut. Routiniert
plant, übt und koordiniert das weltweit größte stehende Verteidigungsbündnis.
Aber politisch rumpelt es.
Der erste Störfaktor sind die USA. Präsident Trump kritisiert das Bündnis regelmäßig, stellt den Nutzen infrage, will in einem transaktionalen Ansatz die US-Beiträge vom guten Verhalten der anderen Staaten abhängig machen und stellt so die Beistandspflicht Artikel fünf – das Herzstück der Allianz – öffentlich infrage. Strategisch sieht er die Herausforderungen eher in Asien und fordert, dass die Europäer mehr für ihre eigene Sicherheit tun. Das beunruhigt die Europäer, denn die USA bleiben politisch und militärisch der wichtigste Staat im Bündnis: Ohne die US-Beiträge könnten sich die Nato-Staaten nicht verteidigen.
Auf dem letzten Nato-Gipfel im Juli 2018 hatte Präsident Trump die europäischen Alliierten öffentlich gescholten. Gerade Deutschland stand in der Schusslinie für seine geringen Verteidigungsausgaben und das Pipelineprojekt Nord Stream 2 mit Russland. In einer Sondersitzung konnten die Alliierten den randalierenden US-Präsident zwar wieder einhegen. Der inhaltlich eigentlich erfolgreiche Gipfel blieb aber in Erinnerung als politische Konflikterfahrung, die niemand wiederholen wollte.
Auch
deshalb hatten die Staaten beschlossen, den 70. Nato-Geburtstag kleiner zu
begehen. Um Konfliktsituationen zu vermeiden, ist das Treffen in London offiziell
kein Gipfel, der Beschlüsse fasst, sondern lediglich ein Leaders Meeting, das
eine gemeinsame Erklärung verabschieden wird. Es gibt nicht mehrere, sondern
nur eine kurze Arbeitssitzung, die sich ohne größere Zerwürfnisse überleben
lassen sollte. Ziel des Treffens ist, den Geburtstag gebührend zu feiern, aber
dabei das Risiko eines öffentlichen Zerwürfnisses so gering wie möglich zu
halten.
Kommentare
"Darin liegt auch die Ironie der aktuellen Situation: Militärisch läuft es ganz gut."
Ja, Frau Major. Herzlichen Glückwunsch. Und ihre Stiftung arbeitet unermütlich dabei mit, diese angebliche Notwendigkeit den Deutschen auch täglich in die Frühstücksflocken zu rühren.
Europa braucht die Nato nicht. Putin wird uns nicht holen. 140 Mio. Russen werden nicht 500 Mio. Europäer unterjochen. Aber um so länger die NATO existiert, um so länger wird sie von den USA missbraucht die Geschicke Europas zu bestimmen. Macron hat das erkannt und Deutschland lässt ihn im Stich... Ohne Nato keine Balkanerweiterung. Ohne Nato hätte es keine so schnelle Osterweiterung gegeben. Ohne Nato wäre die Ukraine nicht zerrissen. Ohne Nato würde man keine Beitrittsgespräche mit der Türkei simulieren. Macht den Laden dicht. Deutschland und Europa werden sicherer, nicht unsicherer.
"Es geht nur teilweise um Putin - fragen sie mal rum in der Ukraine ob sie der gleichen Meinung sind - und was passiert wäre wenn due Ukraine frühzeitig in die NATO gerutscht wäre,"
Sie blenden das ganze Gezerre um die Ukraine vor 2014 aus. Die Geschichte beginnt nicht 2014 sonder bereits Ende der 2000er, als die NATO beschloss, den Russen auf den Leib zu rücken...
Der Maidan - Umsturz stellte eine unglaubliche Verletzung der Souveränität der Ukraine durch die Westmächte dar, Russland mußte reagieren. Das wußten die Großstrategen im Nato HK genauso gut wie die Thinktankler von der SWP. Überraschend war vermutlich, wie viel Russland inzwischen vom Westen gelernt hatte und wie professionell die Reaktion ausfiel.
"Klar ist: Wenn es zu einem Eklat kommt, leidet zuerst Europas Verteidigung."
Könnte man ja zustimmen, wäre Europa bedroht. Da dem allerdings nicht so ist, bedarf es auch keiner Verteidigung und die eigentliche Abschreckung beruht ohnehin auf der Wirtschaftskraft der meisten europäischen NATO-Länder.