Kabinettsumbildungen in Landeshauptstädten fallen, wenn sie nicht mit Skandalen verknüpft sind, jenseits der Landesgrenzen meist gar nicht weiter auf und sollen es auch nicht. Für die gleich vier Neuen im Kabinett in Hannover gilt das Gegenteil. Christian Wulff, Ministerpräsident und Stellvertreter Angela Merkels im CDU-Bundesvorsitz, dürfte die Wirkung in Berlin und im Rest der Republik mindestens genau so stark im Blick gehabt haben wie den Effekt in Wiesmoor oder Wolfenbüttel. Das Kabinett Wulff II ist eine Demonstration.
Zeigen will der Mann, der in einem Anfall von Leichtsinn mal von sich behauptet hatte, Kanzler traue er sich nicht – zeigen also will Wulff, was er sich traut. Da wäre, erstens, Aygül Özkan. Die neue Sozialministerin, wenn es sie nicht gäbe, müsste man glatt erfinden: 38 Jahre, in Hamburg geboren, Juristin und vor allem – in der CDU. Ausgerechnet eine Christdemokratin also wird die erste türkischstämmige Ministerin dieser Republik. Es ist noch nicht lange her, da galt der Satz "Deutschland ist ein Einwanderungsland" in der Partei als mutig. Bei Hartgesottenen gilt er bis heute als Hochverrat an christlich-abendländischen Idealen.
Die zweite Frau hat Wulff ebenfalls von außerhalb abgeworben: Johanna Wanka, bisher CDU-Oppositionsführerin in Brandenburg, macht rüber nach Westen als Wissenschaftsministerin. Auch dieser Wechsel fällt aus dem üblichen Rahmen. Die beiden restlichen Neubesetzungen im Kultus- und Landwirtschaftsministerium sind daran gemessen Routine.
Was haften bleibt, ist das Bild einer cleveren Modernisierung. Wulff hat sich, seit er die Wiederwahl geschafft hat, recht ländlich bescheiden gegeben, und auch jetzt spricht er davon, dass die Kabinettsumbildung die Weichen für die Zukunft des Landes stellen solle. Aber der Mann ist 53 Jahre alt, da hat man auch noch allerlei eigene Zukunft vor sich. Und so viele Christdemokraten, die es irgendwann in einer Nach-Merkel-Ära noch mal zu etwas bringen könnten, gibt es ja derzeit nicht.
Gegenüber Jürgen Rüttgers ist der Zeitpunkt, zu dem Wulff seine Demonstration vollführt, übrigens nicht allzu nett. Der Nordrhein-Westfale hat den ersten Integrationsminister der Republik installiert und sucht mit ihm im Migranten-Milieu zu punkten. Das ist für die CDU nach wie vor nicht leicht. Die Bundes-CDU verlegt seit Wochen jede Veranstaltung, die irgendwie mit Integration zu tun hat, nach NRW. Wulff ist auf derlei Schützenhilfe künftig eher nicht mehr angewiesen.
Das Risiko, das der Landesvater damit eingeht, ist begrenzt. Die Niedersachsen-CDU war einmal ziemlich konservativ dominiert, sie ist in den weiten niedersächsischen Landen so richtig in der Moderne zumeist auch noch nicht angekommen. Aber Wulff verbindet die personalpolitische Erneuerung ja nicht mit irgendwelchen umstürzlerischen Taten in der Sache. Ein Türkischstämmige, drei Frauen – ein Symbol, aber keine Revolution. Trotzdem, man schaut nach Hannover. Und das, wie gesagt, ist Wulff ganz recht.
Kommentare
Wenn ein Politiker...
...etwas so banales inszenieren muss, und dann auch noch die Zeitungen darüber breichten, dann zeigt das doch ganz gut, in was für einer abartig sexistischen weil konservativen und offenbar zusätzlich noch fremdenfeindlichen Geselslcahft wir uns befinden.
Eine Frau, auch noch eine die mal einen türkischen Pass hatte, wird Ministerin. Wow! Super! Toll! JEtzt ist die CDU ja wieder toll und für alle wählbar. Juhu!
Ich hasse diese ganze Polit-Show
Und dann CDU Gelder für Propgramme gegen rechtsextremismus gekürzt hat ist ja egal. Auch dass die CDU für eine Schulform ist, in der Kinder mit Migrationshintergrund keine Chance haben, ist egal.
Hauptsache eine türkische Frau als ministerin.
Anstatt diese Show zu loben, sollten sich die Mdien vielleicht mal darüber auskotzen, dass zb in Bayern vollkommen offen und ungeniert gesgat wird: Ne, eine Frau als Ministerpräsident geht nicht. Da braucht es einen gestanden Mann.
Der Sexismus und die Ausländerfeindlichkeit in der immernoch konservativen CDU ist kaum auszuhalten und ich verstehe nicht, wieso Menchen immernoch diese Leute wählen. Da bekomme ich angst, ich als bisexuelle, atheistische Frau und Migrantin.
@ Buh
"Der Sexismus und die Ausländerfeindlichkeit in der immernoch konservativen CDU ist kaum auszuhalten und ich verstehe nicht, wieso Menchen immernoch diese Leute wählen."
Den Grund für die Popularität der CDU geben Sie selbst in Ihrer Aussage.
Noch lächerlicher als die CDU macht sich Frau Özkan selbst, in dem sie sich aufs billigste und opportunistischste instrumentalisieren lässt.
Wie dumm muss man als Deutsch-Türkin sein, sich überhaupt für die CDU zu engagieren, wenn man doch weiss, dass hartgesottene CDU-Wähler- und das sind nunmal die allermeisten- diese Partei bevorzugen, gerade WEIL sie das rechtsdenkende Lager bedient.
Denkt diese Frau tatsächlich, sie würde in der CDU anerkannt und alle dort würden nun Tränen in den Augen haben ob der gelungenen Integration?
Wie hirnverbrannt muss man sein, um zu glauben, ein Deutsch-Türke mit einem einigermaßen vorhandenen Politk(er)verständnis würde eine CDU wählen, in der Roland Koch Hetzkampagnen gegen Ausländer startet und Sprechfehler Rüttgers gegen faule Rumänen wütet?
Bitte vermeiden Sie trotz aller Kritik derart scharfe Äußerungen, die als beleidigend aufgefasst werden könnten. Danke, die Redaktion/vv
Alibifrauen
Für mich Alibifrauen,man hat nichts gegen Muslime und Ost-
deutsche!Die Sensation wird die Deutschtürkin als Ministerin
sein,denn 20 Jahre nach der Wiedereinigung immer noch von
den Ostdeutschen zureden,ist für mich Nonsens,denn es gibt
nur Deutsche,aber das scheint bei vielen Menschen noch nicht
angekommen zu sein.Das Gleiche gilt für mich mit der anderen
Ministerin,der Deutschtürkin,ich bin in Niedersachsen gebo-
ren und weiss,wie die ältere Landbevölkerung tickt,wo Wulff
seine Stimmen holt!Der Schuss könnte nach hinten losgehen,
viele sind Konsevativ und soviel junge Wähler hat die CDU
nicht bei mir zu Hause.Wulff will Stimmen von den Türken und
wird dafür auf dem Lande welche abgeben!Ob sich damit Stimm-
en im Weser-Ems-Raum wie Vechta,Meppen,Lingen oder Osnabrück
erzielen lassen,bezweifle ich,Ostfriesland und mein Zuhause
bei Bremen wählen andere Parteien.Eine Deutschtürkin in sein
Kabinett zu holen hat für mich eine Alibifunktion,zeigen das
es auch als Migrantin schaffen bis in die Politik,was Aus-
nahmen sind und um die Migranten besser zu integrieren.Soll-
te der Plan scheitern,so hat man es wenigstens versucht und
die Schuldfrage bleibt offen.
Propaganda vs. Realität
Warum gibt es die erste türkischstämmige Landesministerin bei der CDU?
Warum ist der erste Bundesminister mit Migrationshintergrund aus der FDP?
Warum hat die erste weibliche Kanzlerin ein CDU-Parteibuch?
Angeblich sind CDU und FDP doch erzreaktionäre Parteien, bei denen Frauen an der Herd gekettet und Ausländer allenfalls als Hilfsarbeiter geduldet werden. So entnehme ich das zumindest der Propaganda von SPD, Grünen und Linkspartei? Oder ist das nur Wahlkampf- Schwindelei?
Warum hatte die SPD eigentlich noch nie eine weibliche Parteivorsitzende? Haben die nur minderqualifizierte Quotenfrauen, denen man den Job nicht zutraut?
Fragen;
deren Antwort sehr interessant wäre.
Wo ist das Problem?
Frau Özkan ist Deutsche, türkischer Abstammung.
Herr Wulf ist MP in Niedersachsen und Chef im Ring.
Er kann solange und so oft wie er will sein Kabinett umbesetzen, vorausgesetzt er findet jemanden.
Nur einer trägt die Verantwortung, das ist der MP.
Diese Verantwortung nimmt ihm keiner ab.
Geht es schief, schreien alle ans Kreuz mit ihm.
Geht es gut, sagen die Gleichen: Haben wir doch schon immer gesagt das war richtig.
Nun lasst die Frau doch in Gottes Namen erst einmal arbeiten.