Noch im letzten Moment seiner Amtszeit kehrt sich das eigene Wort gegen Bundespräsident Horst Köhler. Die jüngste Kritik an ihm, gegründet auf einer missverständlichen Interview-Äußerung nach einer Afghanistanreise, lasse den notwendigen Respekt an seinem Amt vermissen, sagte der Präsident . Die Worte beschreiben, was sein Rücktritt ausdrückt: mangelnden Respekt vor dem Amt, vor der Lage des Landes, vor dem, was Bürger sich von ihrem Staatsoberhaupt erwarten dürfen.
Der Bundespräsident wirkt durch das Wort. So will es das Grundgesetz. Es billigt dem Staatsoberhaupt keine handelnde Macht zu. Seine Aufgabe ist es, das Gemeinwesen zu repräsentieren; der Bundespräsident, das ist vor allem ein Symbol der Einheit über allem Parteienstreit, ein integrativer Bezugspunkt für die Bürger. Als solchen hat sich Köhler verstanden, wenn er "unbequem" sein wollte, nicht Politiker, sondern ein "Bürgerpräsident".
Als solcher aber darf Köhler seine Bürger nicht fragend und ratlos zurücklassen. Seine Stärke müsste es ja gerade sein, sich über die Kanonenbootrhetorik eines Jürgen Trittin zu erheben. Sein Selbstbewusstsein müsste darüber hinweggehen, sich vom Schweigen der Kanzlerin in der Sache nicht ausreichend unterstützt zu sehen.
Denn was kann einem Bundespräsidenten schon geschehen, wenn er Fehler macht? Weil er keine operationelle Macht hat, wird ihn niemand allzu sehr bedrängen; im schlimmsten Fall heißt es abzuwarten, bis die Zeit über einen Fauxpas hinweg geflossen ist. Köhler hat damit Erfahrung. Schon manches Mal hat er sich sprachlich verholpert, beim Volk blieb er dennoch einer der beliebtesten Politiker.
Selbst wenn er nun zu der Erkenntnis gekommen sein sollte, er finde im politischen Berlin kein Gehör mehr und dringe mit seinen Worten nicht mehr durch, hätte man einen geordneten, sorgsam vorbereiteten Rückzug verstehen können. Nicht aber diese beleidigte Flucht aus dem Amt. Darin unterscheidet sich Köhlers Abgang von der Ankündigung Roland Kochs . Der hessische Ministerpräsident folgt einem wohl abgewogenen Plan. Köhler wirft den Plunder hin.
Seinem Land, dem er schwor, Schaden von ihm abzuwenden, erweist Köhler einen Bärendienst. Inmitten einer schweren Wirtschaftskrise , zu einer Zeit, da die Bundesregierung wankt, setzt er eine Staatskrise obenauf.
2004 stilisierten Angela Merkel, Edmund Stoiber und Guido Westerwelle Köhler zum Symbol des Neuanfangs. Ein Bündnis aus Christdemokraten und Liberalen sollte der Gegenentwurf sein zur rot-grünen Regierung. Mit seinem Schritt hat Köhler nun das Potenzial, abermals zum Symbol zu werden: für ein bröselndes schwarz-gelbes Projekt, gescheitert, kaum dass es begonnen hat.
Kommentare
Ein Grüssaugust ist kein Bundespräsident
" [..]
Ich bin der Schirmherr dieses Krötentunnels
Es ist mir eine Ehre
Jetzt kommt ein Grußwort für Hartz IV-Empfänger
Ihr Schicksal trifft mich auch persönlich
Sie halten sich für überflüssig
Es geht mir da ganz ähnlich
[..]"
aus: Rainald Grebe "Der Präsident"
Endlich
Wir werden Sie nicht vermissen.
Na ja...
Einer Position der so wenig Respekt gezollt wird wie bei uns, muss man sich nicht verpflichtet fühlen.
Wenn man sich auf sprachliches "Verholpern" bezieht, so ist die Kritik daran zumindest fadenscheinig.
Denn nur im Hinblick auf Außenwirkung kann das problematisch sein, in der Innenwirkung ist die nationale Illoyalität so weit vorangekommen, das wir uns mit solcherlei diffamierenden Scheingefechten politisch selbst und vollständig lahmgelegt haben.
Ich würde auch das Handtuch werfen und sehen wenigsten das eigene Scherflein noch in Trockene zu bekommen, wenn fürs Ganze nichts mehr zu bewegen ist.
H.
Ein Land unserer Grösse
Köhler wollte doch nichts lieber als einen Grund finden, den Büttel endlich hinzuwerfen.
Nachdem die Bundeswehr auch künftig für die wirtschaftlichen Interessen für das Land unserer Grösse eingesetzt werden soll, ist die Frage, ob Kanonenboot-Horsti sich noch auf der Grundlage unserer Verfassung bewegt, mehr als berechtigt.
Dennoch ist es kein Novum: Lübke hat auch schon einmal hingeworfen, er konnte sich aber nicht mehr so genau daran erinnern.
ich weiss nicht so genau
ob der Herr Bundespraesident bei seinem Ruecktritt nur an sich oder auch an uns Buerger gedacht hat. Noch nie gab es
so einen Eklat wuerde ich sagen, hat Herr Koehler daran gedacht, welch Gerangel er um seine Nachfolge entfacht hat und entspricht dies seinem Interesse, ich glaube nein und das erscheint mir mehr ein Kompliment IHM gegenueber zu sein. Was werden WIR nun wohl ertragen muessen ! warum mutet er UNS sowas zu ? Aus meiner Sicht haette man auch einen Ruecktritt ins Gespraech bringen koennen, angesichts unserer derzeit maroden Regierung in Berlin, die noch
nicht einmal"unsere" BANKER zur Verantwortung ziehen kann,angesichts dessen dass wir mit den Profilneurosen der Herren TRITTIN und WESTERWELLE leben muessen, haette er UNS
nicht SO im Stich lassen duerfen, aber ALLES GUTE HERR KOEHLER und danke fuer Ihre bisherige Amtszeit !
Eine außergewöhnliche, eine respektvolle...
...Präsidentenschelte: "Zeit"würdig.
"Zeit"würdig? ...
... im Tonfall wohl, dem Inhalte nach nicht. Zuustimmen ist dem Kommentator darin, daß die Flucht aus dem Amt, wie begrenzt dessen Macht auch immer sein mag, diesem Land nicht gut tut und des gemeinen Bürgers Ratlosigkeit angesichts dessen, was sich hier noch Politik nennt, weiter verstärkt. Aber daß sein Abgang der Regierung, namentlich der Kanzlerin schade? Da wird Ursache und Wirkung verwechselt. Was schadet, ist die vornehmlich dieser Kanzlerin zuzuschreibende Art und Weise zu regieren - durch Ausweichen, Untätigbleiben, Aussitzen, Wegducken, inhaltsleeres Versprechen. Einzig rasant an diesem enervierenden, irritierenden und frustrierenden Politikstil ist der Wechsel der Meinung, und einzig zuverlässig bleibt die Unzuverlässigkeit politischer Aussagen. Köhlers Rücktritt mag inakzeptabel in der Form sein, in der Sache erscheint er als die fast unvermeidliche Konsequenz aus und in solcher Art Politzirkus.