SPD, Grüne und Linkspartei haben Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) aufgefordert, sein Plädoyer für einen unverkrampften Umgang mit wirtschaftlichen Interessen in der deutschen Sicherheitspolitik zurückzunehmen. Die Opposition warf ihm vor, dem Grundgesetz zu widersprechen, in dem die Landesverteidigung als Auftrag der Bundeswehr festgeschrieben ist.
Guttenberg hatte am Dienstag auf einer Sicherheitskonferenz dafür plädiert, den Zusammenhang zwischen Sicherheitspolitik und Wirtschaftsinteressen "offen und ohne Verklemmung" herzustellen. Er nahm auch den früheren Bundespräsidenten Horst Köhler in Schutz, der nach scharfer Kritik an seinen Äußerungen zu diesem Thema zurückgetreten war.
Er frage sich bis heute, was so verwegen an den Ausführungen Köhlers gewesen sein soll, sagte Guttenberg. Köhler hatte gesagt, dass "im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege".
Der SPD-Verteidigungsexperte Walter Kolbow sagte, Guttenberg spiele leichtfertig mit dem Gedanken, den Verteidigungsauftrag in einen offensiven Interventionsauftrag zur Durchsetzung deutscher Wirtschaftsinteressen umzuinterpretieren. "Überlegungen, dass deutsche Soldatinnen und Soldaten in Zukunft Wirtschaftskriege führen könnten, sind abwegig und gefährlich." Der Verteidigungsminister müsse sich umgehend davon distanzieren.
Das forderte auch Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin. Guttenberg "bewegt sich jenseits der Linien des Grundgesetzes", sagte er. Linken-Chef Klaus Ernst warf dem Verteidigungsminister vor, sein Amt zum Kriegsminister umzudeuten. "Guttenberg muss das richtig stellen, oder er ist als Minister nicht mehr haltbar." Ernst forderte eine sofortige Regierungserklärung des Ministers zu dem Thema.
Der stellvertretende Regierungssprecher Christoph Steegmans verteidigte Guttenberg unter Verweis auf das sogenannte Weißbuch zur Sicherheitspolitik von 2006. Er zitierte mehrere Passagen, "auf die sich der Bundesminister zu Recht bezieht". Darin werde unter anderem als Ziel der deutschen Sicherheitspolitik definiert, "den freien und ungehinderten Welthandel als Grundlage unseres Wohlstands zu fördern".
Nach dem Willen des Bundeskabinetts soll die Bundeswehr ihren Kampf gegen die Piraten vor der somalischen Küste ein weiteres Jahr fortsetzen. Das Runde beschloss die unveränderte Verlängerung des Einsatzes, für den bis zu 1400 deutsche Soldaten ans Horn von Afrika entsandt werden können. Derzeit beteiligt sich die Bundeswehr mit 320 Soldaten, einer Fregatte und einem Tankschiff an der EU-Mission Atalanta .
Außerdem beschloss das Kabinett die Verlängerung zweier weiterer Bundeswehr-Einsätze in Bosnien und im Mittelmeer. In Bosnien helfen derzeit 120 deutsche Soldaten dabei, nach dem jugoslawischen Bürgerkrieg Anfang der neunziger Jahre den Frieden zu sichern. Auch die Beteiligung der Bundeswehr am Anti-Terror-Einsatz Active Endeavour im Mittelmeer soll bis Ende 2011 verlängert werden.
Die Bundeswehr kann dafür bis zu 700 Soldaten abstellen, derzeit sind jedoch keine Deutschen im Einsatz. Ab Mitte November wird sich wieder eine deutsche Fregatte mit etwa 220 Soldaten an Bord an der Mission beteiligen. Über die Verlängerung aller Einsätze wird noch im Bundestag abgestimmt.
Kommentare
Ja, als Ultima Ratio sollte die Bundeswehr dies dürfen
Was heißt hier "darf" die Bundeswehr dies? Sie sollte es tun dürfen. Ansonsten würde sie die wichtigste Aufgabe aller Armeen, nämlich die Interessen des Staates und seiner Bürger zu schützen, nicht erfüllen können. Als Deutsche sind wir im wesentlichen von Handel mit der ganzen Welt abhängig, dass er frei und ungehindert vonstatten geht ist daher in unser aller Interesse. Wenn Piraten, Rebellen oder gar Staaten wichtige Handelsstraßen blockieren ist es in unser aller Interesse, diese Blockade aufzuheben. Dies sollte nicht vorrangig mit militärischen Mittel geschehen, wie eigentlich immer wenn der Einsatz von Militär diskutiert wird, als ultima ratio müssen die Streitkräfte jedoch dafür bereitstehen dürfen. Und können, denn so lausig wie unsere Marine ausgestattet ist (keine Träger, kaum Helikopter oder Kampfflugzeuge) könnte sie das noch nicht einmal. Die meisten Handelsrouten um die es hier geht verlaufen schließlich auf See.
Wie alle anderen Bundeswehreinsätze müssten solche natürlich vom Parlament abgesegnet werden, was letzliche hieße dass das gesamte deutsche Volk hinter solchen Einsätzen stehen sollte, wenn es denn dazu käme. Und das sollte jeder der sich nicht selbst in die Tasche lügt was seine wirtschaftlichen Grundlagen angeht auch freien Gewissens tun.
Verteidigungsfall
Moin,
nur kurz, damit das nicht unwidersprochen im Raume steht und Leichtgläubige verwirrt:
Artikel 87a Abs 1 und 2 des GG gibt keinen Freifahrtschein für die Verteidigung der Interessen wie Sie es nennen.
Dies wäre blanker Kolonialismus. Denn "Interessen" haben viele und darunter insbesonders den Erwerb billiger Rohstoffe mit vorgehaltener Waffe.
Der Verteidigungsfall ist etwas ganz anderes. Und die Idee, dass die deutsche Marine Trägergruppen z.B. in den indischen Ozean entsendet um diesen gegen den Willen Indiens offenzuhalten ist einfach nur noch lächerlich.
Und zur Erinnerung: Die letzten Male, dass Deutschland in der Tat zur See blockiert wurde lag das daran, dass Deutschland gerade dabei war Weltkriege zu führen.
CU
P.S.: Hier (http://tinyurl.com/3ameexe) sieht man, warum Guttenberg einem immer so bekannt vorkommt
War etwa früher schon etwas Wahres dran...
...wenn man zu Zeiten des "Kalten Krieges" die BLAUEN als Angriffsarmee und die ROTEN als Verteidigungsarmee an die Tafeln projizierte?
Allem Anschein nach sollte sich diese Form der Darstellung in der heutigen Zeit wahrheitlich wirklich bestätigen - jedenfalls wenn es nach unserem Verteidigungsminister geht, dessen Amt man ja zukünftig wieder zum "Kriegsministerium" erklären wird - wenigstens unter vorgehaltener Hand.
Früher oder später wird man doch miteinander reden müssen
Man mag halten von Minister Guttenbergs ,verwegenen‘ Plädoyer was man will, halten wir ihm zugute, dass während eines Brainstormings jeder auch noch so abwegige Gedanke erlaubt ist, jedoch ist es richtigerweise unabdingbar, Gedanken und Diskussionen zur weiteren Verwendung und Zukunft der Bundeswehr im Kontext der Bündnisverträge zu provozieren.
Der Sinn und Zweck, einschließlich der sich daraus ergebenden Aufgaben sind durch das Grundgesetz, aus der Zeit geboren, relativ eng umschrieben, wurden nachfolgend durch das Verfassungsgericht etwas grosszügiger erweitert, verbieten aber sicher, selbst bei Nutzung aller vorhandener Interpretationsmöglichkeiten jeglichen Einsatz aus „rein“ ökonomischen Gründen, anders aus der politischen Sicht eines existierenden globalen Terrorismus, der die Wahrscheinlichkeit für anti-terroristisch begründete Einsätze exorbitant steigen lässt.
Auf der anderen Seite ist die Opposition natürlich gut beraten, mehr als ein kritisches Auge auf die eingebrachten Vorschläge zu haben um eine mehr oder minder absehbare Nutzenprivatisierung der militärischen Ressourcen seitens eines global aufgestellten und agierenden finanzstarken Klientels auf der Basis des Grundgesetzes zu verhindern.
Nicht vergessen sollte man auch "den Willen des Volkes", der in der Mehrzahl fragwürdige militärische Aktionen ablehnt und richtigerweise schon lange der Meinung ist, dass militärische Gewalt letztlich keine brauchbare Lösung darstellt.
@3 Praktisch
"...anders aus der politischen Sicht eines existierenden globalen Terrorismus, der die Wahrscheinlichkeit für anti-terroristisch begründete Einsätze exorbitant steigen lässt."
Ein wahrhaft nützliches Projekt, dieser Terrorismus.
guttenberg sollte klartext reden
das im netz herum schwirrende zitat eignet sich kaum fuer ein abschliesende beurteilung dessen was er genau meint.
andererseits ist er bisher auch als meister des viel redens, ohne wirklich was zu sagen, aufgefallen.
merkt man aufgrund seiner vorzueglichen ausdrucksweise zwar kaum, ist aber so.