Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) spricht von Notwehr: Sein Land und Bayern klagen nun wirklich gegen den Länderfinanzausgleich. Das haben die beiden christlich-liberalen Regierungen am Dienstag in Wiesbaden verkündet. Baden-Württemberg, das dritte Geberland, schließt sich nicht an. Dort ist 2013 kein Landtagswahlkampf. Zudem ist Baden-Württemberg grün-rot regiert, wenige Monate vor der Bundestagswahl hat man da wahrscheinlich auch keine Lust, gemeinsame Sache mit CDU und FDP zu machen.
Die Finanzbeziehungen von Bund und Ländern regeln die Artikel 106 und 107 des Grundgesetzes. Und weil kein reiches Bundesland gerne Geld an ärmere Länder abgibt, musste das Bundesverfassungsgericht schon drei Mal entscheiden, wie stark der finanzielle Ausgleich sein muss, um dem Verfassungsziel vergleichbarer Lebensbedingungen in der ganzen Republik gerecht zu werden.
Karlsruhe hat dabei vorgegeben, dass die Unterschiede auf der Habenseite nicht komplett eingeebnet oder gar umgekehrt werden dürfen. Genau darauf stützen Bayern und Hessen nun ihre Verfassungsklage. Sie führen an, die Höhe der von ihnen geforderten Zahlungen lasse sie in der Rangfolge der finanzkraftstarken Länder abrutschen. Für Bayern sei eine "Schmerzgrenze erreicht", sagt Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU). Er könne die Zahlungen vor seinen Bürgern "nicht mehr verantworten". Bayern brachte im vergangenen Jahr 3,9 Milliarden Euro in den Ländertopf ein, Baden-Württemberg 2,69 und Hessen 1,33 Milliarden.
Keine Handhabe, was mit dem eigenen Geld passiert
Insgesamt waren dies also rund 7,9 Milliarden Euro – 600 Millionen Euro mehr als noch 2011. Mit Abstand größter Nutznießer der Zahlungen ist Berlin, 2012 bekam es 3,3 Milliarden Euro aus dem Länderfinanzausgleich. Danach profitierten Sachsen und Sachsen-Anhalt am meisten von den Zahlungen.
Damit soll Schluss sein, finden die schwarz-gelben Regierungen in München und Wiesbaden. Sie appellieren gern an den Neid ihrer Bürger, etwa mit dem Vorwurf, mit bayerischem oder hessischem Geld würden andernorts gebührenfreie Kindergärten finanziert, die sich das eigene Land bewusst nicht leiste. Juristisch ist dies aber kein Klagegrund: Was mit dem Geld passiert, das nach dem Umverteilungssystem in der Kasse eines ärmeren Bundeslandes landet, ist grundgesetzlich geschütztes Budgetrecht der jeweiligen Parlamente.
Die Verfassungsklage kann sich auch nicht gegen die Tatsache richten, dass nach dem Abrutschen Hamburgs auf die Nehmerseite nur noch drei Länder für die Schwächen der 13 anderen aufkommen müssen. Denn das verbietet das Grundgesetz nicht.
Kommentare
Bayern...
...hat mit dieser Klage jeden Anstand verloren und beweist dadurch ein massiv unsolidarisches Verhalten. Allzu gerne vergessen unsere süddeutschen Mitbürger nämlich, dass sie selber bis Mitte der achtziger Jahre am Tropf des Länderfinanzausgleichs hingen. Es hat ungefähr fünfunddreißig Jahre und viele Milliarden Transferzahlungen gebraucht, bis aus einem sehr ländlich und einfach geprägten Bundesland das heutige wirtschaftlich starke Bayern geworden ist. Sich jetzt aus puren wahltaktischen Gründen auf die erst in jüngerer Vergangenheit erstarkten Hinterbeine zu stellen und die Zahlungen an schwächere Bundesländer einstellen zu wollen, ist letztendlich einfach nur schäbig und asozial.
Bitte differenzieren
Dem kann ich nur zustimmen. Allerdings bitte ich um die Verwendung des Wortes Landesregierung Bayerns/Hessens. Ich beispielsweise als Hesse sehe meine Meinung nicht durch Herrn Bouffier vertreten.
Auch wenn man über den LFA diskutieren kann, erscheinen mir die jetztigen Motive ebenso als äußerst fragwürdig.
Allgemein zur Diskussion... Ich finde es interessant, dass immer erst von der Schlechtigkeit der Anderen (in dem Fall Nehmerländer) ausgegangen wird, wenn über Dinge wie Solidarität oder soziale Gerechtigkeit gesprochen wird.
Neiddebatte?
"Sie appellieren gern an den Neid ihrer Bürger, etwa mit dem Vorwurf, mit bayerischem oder hessischem Geld würden andernorts gebührenfreie Kindergärten finanziert, die sich das eigene Land bewusst nicht leiste." Verehrter Autor, dies hat nichts mit Neid zu tun, es ist schlicht und einfach Fakt und wird oft als Ungerechtigkeit empfunden. Und Berlin darf sich dann auch noch seiner gar wunderbaren Familienpolitik rühmen? Nun ja.
Es stößt ohnehin sauer auf, dass manche offensichtlich glauben, dass z. B. die geizigen Bayern nur so auf den Bergen mit Zaster sitzen und ohnehin nicht wissen wohin damit. Nur mal so am Rande: Auch in Bayern ißt man nicht von goldenen Tellern. Sogar dort gibt es alleinerziehende Mütter in Hartz IV, die gerne einen kostenfreien Kita-Platz hätten. Wer hätte das gedacht?
Das Solidarsystem ist unter Verfassungsrechtlern unbestritten.
Deshalb wird die Wahlkampf-Klage nach meiner Einschätzung auch abgewiesen.
Solidarsystem bezweifelt auch niemand
nicht einmal die Kläger.
Es kann aber nicht sein, dass nach Durchführung dieses Ausgleichssystems die Geberländer schlechter stehen, als einige Nehmerländer.
Das hat das Bundesverfassungsgericht bereits einmal zur Leitlinie gemacht. Leider wurden damals nicht die richtigen Folgerungen gezogen, wie der gegenwärtige Zustand zeigt.
Unsolidarisch ist gerade das Verhalten der größten Nehmerländer, die Wohltaten verteilen, die die Geberländer sich nicht leisten.
Unsolidarisch sind die Nehmerländer, die nicht genügend Sparanstrengungen machen, um irgendwann ohne Finanzausgleich auszukommen.
An sich müsste das Finanzgebaren der größten Nehmerländer nach dem Beispiel Griechenlands unter die Aufsicht von Abgesandten der Geberländer gestellt werden. Sind die Sparanstrengungen nicht ausreichend, wird eben wie bei Griechenland der Geldhahn zugedreht.
Da hier 3 gegen 13 Länder stehen, ist eine Verhandlungslösung oder eine demokratische Lösung aussichtslos. Der einzige Ausweg ist erneut eine Verfassungsklage.
Europa
kann nicht funktionieren, wenn es selbst in Deutschland in Richtung "Entsolidarisierung" geht und dies opportunistisch in "christlich" regierten Bundesländern.......