Die Arbeit von Deutschlands nationaler Menschenrechtsagentur hat dieser Tage wieder Licht in eine düstere Ecke der politischen Kultur geworfen: Das Fortbestehen von Rassismus auch im Handeln des Staates. Das Deutsche Institut für Menschenrechte hat sich das Bundespolizeigesetz vorgeknöpft und festgestellt, dass mindestens ein Paragraf verbotenerweise dazu anleitet, Menschen spezieller Beobachtung und Kontrollen zu unterziehen.
Ein paar Worte in einem Bundesgesetz.
Aber bezeichnend. Es ist heikel, einem demokratischen Rechtsstaat Rassismus vorzuwerfen, dem bundesdeutschen schon gar. Und das nicht nur, weil die Vorschriften, die da auf dem Prüfstand standen, so harmlos wirken. Im bewussten Gesetzestext ist nur davon die Rede, dass sich die Beamten auf ihre "grenzpolizeiliche Erfahrung", sprich: ihr Bauchgefühl, verlassen sollen.
Kein Polizist wird wörtlich angewiesen, sich schwarze Menschen vorzuknöpfen. Dennoch scheint das die Folge zu sein. Das offizielle Deutschland sieht sich gern als Musterschülerin der eigenen Geschichte, in der mörderischer Rassenhass in Völkermord mündete. Zuzugeben, dass damit auch knapp siebzig Jahre später noch immer nicht ganz und gar Schluss sei, das hieße ja, man habe seine Lektion doch nicht so ordentlich gelernt. Und auch Europa wird als feierliche Idee von der Schengener Wirklichkeit blamiert – auch dies ist ein Ergebnis der Studie: Offene Grenzen für die drinnen, umso härtere Abwehr nach außen und diskriminierende Kontrollen gegen alle, die vorgeblich nicht "zu uns" gehören.
Rassismus existiert auch in Demokratien
Warum eigentlich? Wenn es um andere Themen geht, lässt sich durchaus darüber reden, dass auch Demokratien, die im Großen und Ganzen funktionieren, nicht gegen Fehlentwicklungen gefeit sind, die besser zu Diktaturen passen. Die weltweite, lebhafte Debatte um das Spähprogramm der USA beweist das gerade. Womöglich ist aber Gleichheit – die Rassismus brutal zerstört – eine so fundamentale Idee der Demokratie, dass Demokraten es schwer aushalten, den Abstand des Prinzips zur Wirklichkeit grell vorgeführt zu bekommen. Genau das passiert aber mit dem Stichwort Rassismus, schon gar dann, wenn es kein privater ist, sondern behördlicher, "institutioneller", einer von Staats wegen.
Wer Missstände aber nicht einmal benennen will, kann sie erst recht nicht abstellen. Die NSU-Mordserie wäre ziemlich sicher aufzuhalten gewesen, wenn rassistische Vorurteile in den Ermittlungsbehörden nicht verhindert hätten, Rassismus als Mordmotiv zu erkennen. Dennoch wird er im Alltag weiter verharmlost, obwohl er eine Gefahr für die ganze Gesellschaft ist. Und er bedrückt das Leben Einzelner: Menschen, die ihren Kindern erklären müssen, warum nur sie so oft nach dem Ausweis gefragt werden, die wegen ihrer Hautfarbe keine Wohnung bekommen und vor aller Augen aus dem Zug geholt werden.
Rassismus mag ein schlimmer Vorwurf sein. Schlimmer ist es, nichts gegen Rassismus zu tun.
Kommentare
Wer hier mitreden will,
sollte wohl erst mal mehrere Monate bei der Polizei "auf der Strasse" Dienst getan haben. Ohne persönliche Erfahrungen lässt sich leicht urteilen.
Oh, 'persönliche Erfahrungen'
mit 'Illegalen' ließen sich auch z.B. in den Küchen vieler Restaurants sammeln. Ich möchte nicht wissen, wo überall die Küche kalt, die Wohnung ungeputzt bliebe, würden in Deutschland nicht 'Illegale' systematisch ausgebeutet. Etwas ähnliches gilt für Tagelöhner + Sexarbeiter - alles Goldgruben - für Arbeitgeber + Konsumenten. Lesenswert + ungebrochen aktuell: 'Sklaven in Altona' http://www.zeit.de/2007/1...
'Illegale' verhalten sich stets in hohem Maß angepasst. 'Illegale' haben z.B. immer ein U-Bahn-Ticket + tun auch sonst alles dafür, um bloß nicht aufzufallen. 'Illegale' sind Opfer betrügerischer Vermieter, sie zahlen absurde Preise für die allerletzten Löcher. 'Illegale' haben keine Möglichkeit zu einer Krankenversicherung, außer in großen Städten mit meist ehrenamtlich ausgeübter, mobiler medizinischer Betreuung bleiben sie bei Krankheit oder Unfall ärztlich unbehandelt. 'Illegale' sind vollständig rechtlos, sie können Gewalt, Ausbeutung, Betrug, Erpressung nicht mal anzeigen.
Welche persönlichen Erfahrungen 'der Polizei "auf der Strasse"' meinen Sie genau?
...........
Dem Artikel könnte es Tiefe und Inhalt nicht schaden. Das die Worte "grenzpolizeiliche Erfahrung" mit Rassismus gleichgesetzt werden ist doch etwas weit hergeholt.
Weiterhin könnte man auch mal die Frage stellen wie man nach illegalen Einwanderen suchen will, ohne sich auf äußerliche Merkmale zu fixieren?
Darum geht es nämlich, um die Suche nach illegalen Einwanderen. Es geht keienswegs um individuellen Rassismus bei der Bundespolizei, wie der Artikel und viele andere vor ihm, auch bei ZO, suggeriert.
Sie werden aber wohl realisieren,
daß racial profiling regelmäßig auch diejenigen trifft, die nicht blond + blauäugig, aber im Besitz gültiger Papiere/Aufenthalts-/Arbeits-Erlaubnis oder eines deutschen Paß sind? Die trifft der Rassismus, der dunkle Haut-/Augen-/Haarfarbe mit *verdächtig* gleichsetzt, durchaus individuell.
@#6 Eine wirklich feinsinnige Ausführung und auch so angebracht zum #5, Respekt + Glückwunsch. So vermittelt man glaubhaft das süße Gefühl von Willkommensein.
Augrund von Ausländerfeindlichkeit...
...starben in Deutschland zwischen 1990 und 2012 JEDES Jahr Menschen. 1992 verloren 27 Menschen ihr Leben, statistisch gesehen geschah also alle 14 Tage ein durch Haut- und Haarfarbe motivierter Mord.
Quelle:
http://de.wikipedia.org/w...
Ausländerfeindlich
Dann nennen Sie doch bitte auch die von Migranten im selben Zeitraum getöten Menschen. Diese ist um ein vielfaches höher. Wobei dies nicht als Entschuldigung für die Morde dieser menschenverachtenden Nazis gelten soll. Einfach einmal googeln. Und wenn ich sehe wie regelmäßig Polizisten von Migranten attackiert, beleidigt, bespruckt und bedroht werden, so wünsche ich mir eine Null Toleranz Politik. Wobei Migrant natürlich wieder nur für eine bestimmte Gruppe gilt. Ich wünschte wir hätten amerikanische Polizisten, dann hätte so etwas wie in Berlin der Angriff auf zwei Polizisten durch Migranten und ähnliche Fälle einen etwas anderen Ausgang. Wenn man dort aus dem Auto stürmt ohne dazu aufgefordert zu werden, dann hat man Pech gehabt und das ist auch gut so.
Bestimmte Gruppen begehen mehr Straftaten
Statistisch gesehen ist es eben so, dass ein junger , arbeitsloser Mann aus dem Nahen Osten eher straffällig wird als ein pietistischer Pfarrer im Rentenalter.
Ein Polizist wird bei einer Fahndung eher junge Männer kontrollieren als alte Frauen.
Mit Rassismus oder Männerfeindlichkeit hat das nichts zu tun, mit Statistik schon.
Was Statistik so anrichten kann
Deswegen hat man bei den NSU-Morden darauf gesetzt, dass es Kurden-, Türken- oder sonstige Clans sein müssen, die sich gegenseitig umbringen, nicht wahr?