Der NSU-Prozess steht still, bis Donnerstag wird erneut über den Befangenheitsantrag der Anwälte von Beate Zschäpe gleich gegen alle fünf Richter entschieden. Doch diesmal geht es weniger um den Inhalt des Verfahrens selbst als ums Geld – um die Frage, wie viel Honorar für einen Verteidiger in einem Mammut-Verfahren angemessen ist.
Ein Pflichtverteidiger-Mandat ist in der Tat selten lukrativ. In wochenlangen, komplexen Verfahren müssen die Juristen oft erst recht mit finanziellen Einbußen rechnen. Sie werden entsprechend dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz mit einem relativ bescheidenen Salär für ihre Dienste entschädigt. Ein Verfahren vom Umfang des NSU-Prozesses lässt wenig Zeit für andere Mandate – der Anwalt verliert also Geld. Um den Verlust aufzufangen, kann er beim Gericht jedoch eine sogenannte Pauschvergütung beantragen. Das hatte Zschäpe-Anwalt Wolfgang Stahl getan.
Die Höhe dieser Vergütung setzt das Gericht allerdings erst fest, wenn
das Urteil gefallen ist – Stahl müsste demnach noch ein, vielleicht zwei
Jahre auf sein Geld warten. Während des Ermittlungsverfahrens zwischen Zschäpes Verhaftung im
November 2011 und der Anklageerhebung knapp ein Jahr später hatte Stahl
nach eigenen Angaben rund 770 Stunden Arbeit investiert. Er beantragte daher einen Vorschuss von
77.000 Euro, schließlich blieben seine laufenden Kosten bestehen: Miete
für die Kanzlei, Gehalt für die Schreibkraft, Prämien für
Berufsversicherungen. Stahl rechnete in seinem Schriftsatz vor, er zahle
5.000 bis 6.000 Euro im Monat. An diesem Antrag entzündete sich der
aktuelle Streit.
Der Bezirksrevisor, eine Art Kassenwart des Gerichts, befand einen Vorschuss von 3.000 Euro für ausreichend. Der für Finanzfragen zuständige Richter Konstantin Kuchenbauer sattelte angesichts der "Schwierigkeit des Tatnachweises" noch etwas Geld drauf und billigte dem Anwalt 5.000 Euro zu. Für seine Arbeit im Ermittlungsverfahren erhält Stahl damit einen Stundenlohn von etwa 6,50 Euro – statt der geforderten 100. Je Prozesstag bekomme er derzeit gut 600 Euro zuzüglich Spesen, sagte er der Rhein-Zeitung.
Dass Kuchenbauer seinen Bescheid deutlich zu niedrig angesetzt hat, finden auch Anwälte der Nebenklage wie Sebastian Scharmer, der die Tochter des in Dortmund ermordeten Türken Mehmet Kubasik vertritt. "Der Betrag ist inakzeptabel", sagt Scharmer, der wie die meisten Anwälte der Nebenklage selbst als Strafverteidiger arbeitet. Schließlich sei eine Pauschvergütung für Ausnahmefälle vorgesehen, unter die für Scharmer auch der NSU-Prozess fällt: "Das sind Verfahren, die ein ganzes Büro lahmlegen können."
Nur hätte Stahl vielleicht früher wissen müssen, worauf er sich einlässt. Scharmer sagt, Pflichtverteidigermandate dieser Ordnung lägen "faktisch in einer Art teilehrenamtlichen Bereich". Der Kölner Anwalt Eberhard Reinecke, der mit seinem Kollegen Reinhard Schön fünf Opfer des Keupstraßen-Anschlags vertritt, hält Stahls Besinnung auf das Honorar für verspätet. "Die Vergütung ist im gesetzlichen Rahmen, das hätte er wissen müssen, als er das Mandat übernommen hat", sagt er.
Kommentare
Jammern auf höchstem Niveau
Nur Rechtsanwälte können auf die Idee kommen schon im voraus Rechnungen zu stellen, oder? Allen anderen Freiberuflern geht es doch genauso, dass sie bis zum Zahlungseingang auf ihren Kosten sitzen, obwohl sie schon am arbeiten sind und deshalb anderweitig kein Geld verdienen. Steuerberater stellen die Rechnung, sobald die Steuererklärung gemacht ist, nicht wenn sie halb durch ist. Auch Angestellte bekommen ihr Geld am Ende des Monats. Und schaut man sich Handwerker an, die Materialkosten vorstrecken müssen, können die zwar Teilzahlungsfreigaben erhalten, aber auch erst nach Fertigstellung des entsprechenden Teils. Davon, dass Juristen je angefangener Stunde rechnen und auf 770 Stunden zu kommen daher kein (sic) Kunststück ist, fang ich gar nicht erst an.
Sehr, sehr amüsant, v.a. im Angesicht der Tatsache, dass hier über einen Stundenlohn von 6,50 lamentiert wird, wo es sich dabei doch - falls ich es richtig verstanden habe - um die Vorauszahlung handelt, die restlichen 93,50 kommen doch noch. Welcome in the real world, Wolfgang :)
Wirklichkeitsfern
Bei Handwerkern ist eine Anzahlung bei Auftragserteilung in Höhe der Materialkosten üblich, i.d.R. mindestens ein Drittel der Rechnungssumme. Zieht sich ein Auftrag über Monate, sind monatliche Teilzahlungen üblich, die Schlußrechnung kann dann nur 10% der gesamten Auftragssumme entsprechen.
Die Befangenheitsanträge gegen die Richter halte ich für völlig angemessen, das OLG München hatte übrigens zunächst nur Wolfgang Heer http://www.dradio.de/aktu... als Pflichtverteidiger für Beate Tschäpe vorgesehen, allein die Anklageschrift umfasst 500 Seiten, die Akten über 500 Ordner. Freiberufler haben nicht deswegen Stundensätze, um Sie zu ärgern, sondern um Miete, Telefon, Versicherungen etc.pp. davon zu bezahlen. Ich nehme an, Sie arbeiten angestellt?
Es ist von größter Wichtigkeit, daß der NSU-Prozess unter rechtstaatlichen Voraussetzungen und Bedingungen abläuft. Anwälte durch Unterbezahlung und Kostennicht(zuspät)erstattung in die Pleite zu treiben, gehört nicht dazu. Ein weiterer handwerklicher Fehler des OLG München, nach dem Galama um die Presseplätze im Gerichtssaal.
Interessant:
das ist nun schon der 2. Anwalt der für seine Pflichtverteidigung einer vermutet Rechtsradikalen Schwierigkeiten bekommt. Bleiben nur noch 2 von ehemals 4
Gerechtigkeit
auf der anderen Seite, würden sich die Tausenden vom Abmahnwahn Betroffenen, wohl auch gerne wünschen. Aber auch da benützen deutsche Anwälte jedes greifbare Gesetz wie eine Geldruckmaschine und pressen aus den zweifelhaften Möglichkeiten der deutschen Rechtssprechung, Profit ohne Ende.
Mein Mitleid hält sich also vorwiegend in Grenzen.
[…]
Entfernt. Bitte bleiben Sie beim Thema des Artikels. Danke, die Redaktion/jk
Pflichtverteidigung ist ein Teil des Rechtsstaates!
Warum bitte schön, soll sich der Pflichtverteidiger als Vertreter der Verteidigung mit 5.000 Euro begnügen, während die Staatsanwaltschaft eine Personal- und Materialschlacht ohne Grenzen führt? Warum sollen 6,50 Euro ausreichend sein, wenn das Gesetz eine angemessene Vergütung sicherstellen soll? Wie soll eine sachgerechte Verteidigung möglich sein, wenn das Verteidigerhonorar so niedrig ist, dass der Verteidiger daran zu Grunde geht? Den Eingangskommentar empfehle ich mal, etwa 540 Aktenordner zu lesen. Die Annahme einer Befangenheit ist mehr als berechtigt.
unfassbar!
Der Gedanke, dass hier durch den Vorsitzenden die Verteidigung der Angeklagten bewusst eingeschränkt, wenn nicht unmöglich gemacht wird, liegt auf er Hand und damit auch die berechtigte Besorgnis der Befangenheit. Es ist kaum aangemessen zu kommentieren, was sich der Senat da erlaubt. 5T €, das ist Witz, das ist auißerhalb jeder angemessenen Handhabung und in gröbstem Maße willkürlich.