ZEIT ONLINE: Anders als von Merkel behauptet, gilt also in Deutschland nicht nur deutsches Recht?
Foschepoth: Was die Kanzlerin im Sommer gesagt hat, war ziemlich zynisch. Denn sie hat den Eindruck erweckt, als würden Deutsche in Deutschland durch hiesige Gesetze vor einer Überwachung geschützt. Dem ist nicht so. Die Interessen der ehemaligen Alliierten sind in deutschen Gesetzen verankert. Sie sind damit deutsches Recht. Dazu gehört nicht nur die intensive Kooperation der Geheimdienste, sondern auch die Möglichkeit der USA, von ihren militärischen Standorten in Deutschland aus selber zu observieren. Wir werden noch staunen, was von dem geplanten großen NSA-Zentrum in Wiesbaden alles möglich sein wird. Das "souveräne Deutschland" lässt zu, dass so etwas auf dem eigenen Staatsgebiet passiert!
ZEIT ONLINE: Obwohl die Vorrechte der Alliierten seit der deutschen Einheit entfallen sind?
Foschepoth: Nach der Einheit wurde kein Vertrag und kein Geheimabkommen gekündigt. Nach sechs Jahrzehnten Überwachungsgeschichte in Deutschland müssten dringend neue vertragliche Vereinbarungen geschlossen werden, die den Geheimdiensten Barrieren setzen, insbesondere den amerikanischen. Die USA müssten verpflichtet werden, Deutschland nicht mehr zu überwachen.
ZEIT ONLINE: Die schwarz-gelbe Regierung hat ja ein "No-Spy"-Abkommen angekündigt.
Foschepoth: Das ist viel zu wenig. Seit der Grundgesetzänderung von 1968 gilt, dass bei einer Überwachung der Betroffene nicht informiert werden muss und der Rechtsweg ausgeschlossen ist. Es gibt also keine Kontrollen. Die Exekutive sagt, sie wisse von nichts oder sie dürfe nichts sagen. Die Gerichte sind ausgeschaltet. Und im Parlament kontrolliert die G-10-Maßnahmen eine vierköpfige Kommission, die auf Informationen der Dienste angewiesen sind, genauso wie das geheim tagende Parlamentarische Kontrollgremium. Überwachungsmaßnahmen der USA und der Alliierten hat die G-10-Kommission immer zugestimmt. Faktisch gibt es im Rechtsstaat Bundesrepublik keine wirksame Kontrolle der geheimen Dienste.
ZEIT ONLINE: Die Bundesanwaltschaft will die Lauschaktion gegen die Kanzlerin nun rechtlich prüfen.
Foschepoth: Dafür gibt es keine Grundlage. Ihre Überwachung ist durch die Verträge mit den USA gedeckt. Deshalb hat sich die Kanzlerin ja auch so merkwürdig zu der NSA-Affäre verhalten. Sie hat sich ein paar Mal ausweichend dazu geäußert, aber nichts dazu, was hier eigentlich mit dem Rechtsstaat passiert. Das deutsche Recht verhindert die Überwachung nicht. Die Verträge mit den USA verpflichten die Bundesregierung vielmehr, ihre Informationen darüber für sich zu behalten.
ZEIT ONLINE: Die Bundesregierung schützt nicht die Grundrechte der Bürger, sondern die Interessen der USA?
Foschepoth: So ist es! Die Zusammenarbeit der Geheimdienste ist zur Staatsräson in Deutschland geworden. Wir werden beherrscht von einem großen nachrichtendienstlichen Komplex, der sich immer weiter ausbreitet, egal wer gerade regiert, und der kaum noch zu kontrollieren ist. Das ist ein zentrales Thema für den Rechtsstaat und die Zivilgesellschaft.
ZEIT ONLINE: Was müsste getan werden, um die Überwachung zumindest einzuschränken?
Foschepoth: Zunächst müsste man alle Gesetze durchforsten, in die amerikanische Interessen hineingespielt haben. So sind zum Beispiel gemäß Artikel 38 des Zusatzabkommens zum Nato-Truppenstatut nicht nur die Exekutive, sondern auch die Gerichte verpflichtet, dafür zu sorgen, dass ein amerikanisches Amtsgeheimnis oder eine entsprechende Information nicht preisgegeben wird. Dieses und vieles mehr müsste bereinigt werden. Vor allem aber müsste als Erstes die Grundgesetzänderung von 1968 zurückgenommen werden, die die flächendeckende Überwachung ermöglicht und die Gewaltenteilung aushebelt, bis heute. Das wäre eine Legitimation für die Große Koalition mit ihrer 80-Prozent-Mehrheit.
ZEIT ONLINE: Große Hoffnungen haben Sie da aber offenbar nicht?
Foschepoth: Nein. Die Große Koalition hat das damals eingeführt. Es ist zu befürchten, dass sie daran trotz der Aufregung über die Observation der Kanzlerin nichts ändern wird.
Kommentare
Ok, aber was ist mit Frankreich usw..?
Verstanden aber auf welcher Grundlage werden die Franzosen u.a. denn dann abgehört? Gibts hier auch so eine nette Begründung mit Verträgen?
Genau das war auch mein erster Gedanke . Was Herr Foschepoth da von sich gibt ist nichts neues. Das Thema wurde schon im Sommer diskutiert. Ist aber im Wahlkampf Geplänkel wieder schnell vergessen worden.
Ich bin Felsenfest davon überzeugt, dass sich die amerikanischen Geheimdienste (28 gibt es offiziell, oder ?) und die Regierung selbst bei Änderungen des Abkommens einen feuchten Dreck um irgendwelche Vereinbarungen scheren.
Die USA hat schon immer nationale Interessen knallhart vor Moral und Ethik gestellt. Man erinnere sich nur an die gebrochenen Verträge mit den Ureinwohnern Amerikas, die keine 50 Jahre bestand hatten.
Es wird Zeit dass wenigstens Frankreich und Deutschland, als stärkste Kräfte in Europa mit einer Zunge reden und vorallem handeln ! Sich von den USA ein großes Stück weit lösen, das wäre ein erster echter Schritt zu dem Europa, von dem bisher nur große Töne gespuckt werden. Aber wenns auf Einigkeit ankommt steht jeder für sich selbst da.
Merkels NSA PK
Moin,
also ich lag unfreiwilligerweise im Juni/Juli im Krankenhaus und hatte dort die einmalige Möglichkeit mir live ihre Erklärungen zur NSA Affäre anzuhören.
Ich hab den Fernseher ausgeschaltet, nachdem sie den Zuhörern versicherte, dass sie alles in ihrer Macht mögliche unternehmen werde, dass deutsches Recht eingehalten werde.
Ich wusste zu dem Zeitpunkt schon, dass es anderen ausländischen Geheimdiensten per Gesetz erlaubt war solche Aktionen durchzuführen.
Wer von diesen Anordnungen und Gesetzen nichts wusste, der konnte den Eindruck gewinnen, es wurde tatsächlich gegen geltendes Recht verstoßen. Das fand ich schon rotzfrech.
Aber was weiß die Bevölkerung schon. Brot und Spiele.
UR
Legal oder nicht legal.
Und wenn wir die bestehenden Verträge stornieren, was dann? Dann haben wir den gleichen Status wie die anderen X-Statten, die ohne Vertrag abgehört wurden. Zu bezweifeln wäre, ob dann unser Protest in den USA eine andere Bewertung erfährt.
Mein Nachbar
darf auch meinen Garten betreten, aber er wird es nicht tun, außer ich bitte ihn darum und wenn ich erfahre, dass er sich einschleicht um heimlich durch die Fenster zu spähen werde ich dem Treiben einen Riegel vorsetzen und Zäune bauen!
In diesem Fall
sind Sie aber der Inhaber des betretenen Geländes.
Fakt ist, dass zur Wiedervereinigung Deutschlands die Alliierten (USA, UK, UdSSR und Frankreich) um Erlaubnis gefragt werden mussten. Vielleicht sagt Ihnen der Begriff 2+4-Verträge noch etwas.
Es stellt sich für mich abschließend die Frage, ob das deutsche Volk wirklich der Souverän ist, oder ob wir nicht durch nach dem Mauerfall getätigte Geheimverträge immer noch unter "dem Senkel" der Alliierten stehen. Es ist definitiv Zeit, dass die bisher geltenden Geheimverträge auf den Prüfstand gestellt und, soweit möglich, augehebelt werden.
Hm...
"Foschepoth: Nach der Einheit wurde kein Vertrag und kein Geheimabkommen gekündigt."
Wie viele Geheimabkommen gibt es denn überhaupt?
"ZEIT ONLINE: Große Hoffnungen haben Sie da aber offenbar nicht?"
"Foschepoth: Nein. Die Große Koalition hat das damals eingeführt. Es ist zu befürchten, dass sie daran trotz der Aufregung über die Observation der Kanzlerin nichts ändern wird."
Vielleicht weil man solche Geheimabkommen, nicht ändern kann? Kann es sein, das Geheimabkommen existieren, die, die Souveränität der Bundesrepublik betreffen? Und bevor hier man mich als Verschwörungstheoretiker bezeichnet... Hey nicht ich habe die Säcke des Äolus geöffnet.
@sonnemann76.
Nee, unser Regierung,(egal welcher) vertraut die Franzosen grundsätzlich nicht.
?......
Versteh den Zusammenhang nicht. Was hat das Vertrauen zw. Deutschland und Frankreich mit der NSA Kacke zu tun?